Unterthema: BERLINER LUFT UND PROJEKT "GESUNDE NERVEN" 1929-31
Unterthema: BIOGRAFIE
Unterthema: KUNST UND CHINA 1936
Unterthema: KÜNSTLER IN DER NACHKRIEGSZEIT
Unterthema: KÜNSTLER IN VORKRIEGSBERLIN UND EXIL
Unterthema: PROJEKT SPÄTWERK LANDSCHAFT
Alter Lehrer, alter Schüler – Ratschläge am 27. Nov. 1972
Der Adressat des Briefs, Floryan Zgainski, überlebte Wiegmann um siebenundzwanzig Jahre. Er hob das Blatt sorgsam auf. Ob er die Ratschläge seines Freundes und Lehrers beherzigt hat? Als langjähriger Spezialist für die Farbreproduktionen des DuMont Kunstbuchverlags Köln hatte er ein gutes Auge. Er malte gern Landschaften bei seinen Aufenthalten in Oberitalien. (….)
Transkription des ersten Teils
Lieber Zacke, ich hoffe Du bist mir nicht böse, dass ich in einiges hineingeschmiert habe! Hauptproblem ist das Grün, ich finde es sollte nicht ins Braun (ins Grau nur bei den Oliven) gehen. Schau mal im Museum den Liebermann an, oder den Manet. – Ich finde Du bist auf gutem Wege. Mach weiter. – Bitte vergiss das Farbfoto oder mach mal eine Grisaille /Malerei in grauen Farbtönen/, die Du nachher tönst! Das Foto wird dem Grün nicht gerecht.
Aber das ist Empfindungssache, wie überhaupt: man sollte gar nicht ans „Bild“ denken und nur Erinnern was man gesehen und was einen gefreut hat. Je mehr du Varianten machst (nach den Skizzen) umso besser, umso freier kannst Du arbeiten und von selber kommst Du zu Deinem persönlichen Produkt. Noch eins: Du malst sehr zu akkurat, lass manches auch mal ungeklärt und ohne „Retouche“- vielleicht auch Grund mal stehen lassen, und gelegentlich Kontraste riskieren. Palette noch reduzieren: weg Preuss/isch/ Blau und möglichst nur ein gelb, Siena natur statt Ocker (Anilin) und Rot möglichst Erdfarben – So, das ist was olle icke dazu meint. Du kannst es auch ganz anders machen. Hauptsache, dass Du dran bleibst ohne Frage ob es „rentiert“ oder was man mit den fertigen Sachen macht – das findet sich dann schon später!
Ich hatte einen etwas besseren Befund, es dauert aber noch lange, vor dem Frühjahr keine Pläne. (…..) Damit er noch weg kommt mache ich Schluss mit dem Brief. Alles Gute und herzlichste Grüsse Euch beiden Dein Fritz
Danke für die Malpappen und Blätter >>
Große Künstler unterstützen Wiegmann, lese ich bei Zbigniew Herbert und Niklas Maak
Zwei Gelegenheiten für Fritz Wiegmann : 1933…..
Mit Ende Zwanzig war Fritz Wiegmann an einen Punkt gekommen, wo er als Kunstlehrer und populärem Ausstellungsdesign im Team engagierter Sozialmediziner erfolgreich war („Gesunde Nerven“ LINK). Seine kleinformatigen kubistischen Stilleben waren perfekt und erreichten New York (LINK). Er versuchte sich überzeugend in Theaterdekoration (LINK). Von seinen figürlichen erotisch aufgeladenen Kompositionen, die ich in Reproduktion gesehen habe, würde ich das allerdings nicht sagen (LINK später). Lauter Sackgassen im Schicksalsjahr 1933. Und der junge Mann suchte sich Hilfe ‚an höchster Stelle‘, bei den „alten Meistern“.
Ich bemühe mich seit langem, Wiegmanns Ringen um seinen persönlichen Stil nachzuvollziehen. Im bereits früher zitierten Interview des Peiping Chronicle Anfang 1936 beschrieb er seine Situation so:
* Peiping Chronicle 16.2.1936 Ausschnitt
„….. Die spanische Schule des Velasquez, die französischen Schule Cezannes und die italienische da Vincis waren für ihn Offenbarungen. Deren Studium brachte ihn dazu, sich ihrer Führung und Inspiration zu überlassen und der Schule der Moderne, die er kannte, den Rücken zu kehren. Auf seinen Reisen durch diese Länder nahm er die moderne Entwicklung von diesen alten Meistern aus in den Blick, und er entwickelte das größte Interesse an ihrer Wirkung auf die Kunst der Gegenwart. Als Resultat machte er eine Synthese alles dessen und entwickelte seinen persönlichen Stil.“
Zbigniew Herbert (1924 – 1998)
Ein „das Seelchen“ betitelter Essay von Zbigniew Herbert – genauer ein Textauszug in der regierungsamtlichen Broschüre „Herbert“ zu Ehren dieses polnischen Intellektuellen und Dichters – führt uns auf einen gedanklichen Umweg, der lohnt.
„EINE DER TODSÜNDEN DER ZEITGENÖSSISCHEN KULTUR IST, DASS SIE kleinmütig einer frontalen Konfrontation mit den höchsten Werten aus dem Wege geht. Und auch die arrogante Überzeugung, dass wir auf Vorbilder (sowohl ästhetische wie auch moralische) verzichten können, denn unsere Lage in der Welt ist angeblich außergewöhnlich und mit nichts vergleichbar. Deshalb lehnen wir die Hilfe der Tradition ab, versinken immer tiefer in unsere Einsamkeit, graben in den dunklen Winkeln unserer verlassenen Seele.
Es besteht die falsche Meinung, dass Tradition so etwas wie Erbmasse ist, die man automatisch erhält, ohne Anstrengung, deshalb sind diejenigen, die gegen Vererbung und unverdiente Privilegien sind, gegen die Tradition. Allerdings erfordert jeder Kontakt mit der Vergangenheit Mühe und Arbeit, die außerdem schwierig und undankbar ist, denn unser kleines ,,Ich“ schreit und wehrt sich dagegen.
Ich habe mir immer gewünscht, dass mich der Glauben nicht verlässt, dass große Geisteswerke objektiver als wir sind und dass sie uns beurteilen werden. Jemand hat richtig gesagt, dass nicht nur wir Homer lesen, die Fresken Giottos bewundern, Mozarts Musik hören, sondern dass Homer, Giotto und Mozart uns betrachten, uns hören und unsere Selbstgefälligkeit und Dummheit wahrnehmen. Arme Utopisten, Debütanten in der Geschichte, Brandstifter von Museen, Vernichter der Vergangenheit, die jenen Wahnsinnigen ähneln, die Kunstwerke zerstören, weil sie ihnen nicht ihren Frieden, ihre Würde und ihre kühle Ausstrahlung verzeihen können.
Das Seelchen lAuszug, in:) Das Labyrinth am Meer (2000, S.91, Übersetzer ungenannt)
Wiegmann konnte 1933 noch nicht wissen, welchen Preis er in der Nachkriegszeit für seine Entscheidung zur Unabhängigkeit zahlen sollte: Unsichtbarkeit
….. und 1964
Niklas Maak ( FAZ vom 21.8. 2003)
„Die Strichstreiche der Genies“ betitelte Rezension von Niklas Maas einer Ausstellung im Palais Rohan, Straßburg von Ölskizzen des achtzehnten Jahrhunderts ist nicht nur eindrücklich illustriert ( Foto Katalog aus der Ausstellung „Triumph der Geste„).
Seine Begeisterung über die der Verborgenheit entrissenen zwei Jahrhunderte alten „Ölskizzen“ ansteckend, rhetorisch im Kleid des üblichen Fortschrittsoptimismus: Untertitel „Hier beginnt ja schon die Moderne“.
Maak kontrastiert in temperamentvollen Bildbeschreibungen mutige „Entwürfe“ und „fertiges Bild„, er registriert den „Verlust der Leichtigkeit“ bis hin zur schieren „Lustlosigkeit“ bei der „langwierigen Ausführung“ für ein „Publikum“, das (…) kein Verständnis für Unfertiges hatte„, angeblich „anders als der heutige, von der Moderne geschulte Betrachter, der die Abstraktionskraft der Skizzen als eigentliche künstlerische Leistung feiert„.
Anstelle des „geschulten Betrachters“ treffe ich häufiger auf den „beschulten“, welcher weiß, wie man in der jeweiligen Ausstellungsumgebung als Kunstkonsument korrekt zu reagieren hat. Ist „Abstraktion“ per se „Fortschritt“? Wiegmanns Landschaften haben – etwa in „Kunsthandlungen“ – noch keineswegs von dieser ‚modernen‘ Wertschätzung profitiert. In der Kunstbetrachtung ist vielleicht das gedankenlose Fortschrittsdenken kombiniert mit der Vorstellung himmelstürzender „Kunstrevolutionen“ (LINK) – unausrottbar.
DER NACHLASS VON FRITZ WIEGMANN 1973-2024
Der Post wurde das vorige Mal aktualisiert am 23. Dez. 2022, ergänzt 30. Juli 2024
WAS GESCHAH DAMIT ZWISCHEN 1973 UND 2022 ?
Der Künstler, Lehrer und Sammler Fritz Wiegmann hat wenig dafür getan, sein Leben zu dokumentieren. Aber er hat seinen persönlichen und künstlerischen Nachlass 1973 dem Freund und Schüler Willi Schmidt übergeben, dessen Familie beides fast ein halbes Jahrhundert gehütet hat. Ein weiterer Freund und ich durften die chinesischen Sachen, vor allem chinesische Volkskunst, unter uns aufteilen. Das Museum für ostasiatische Kunst in Köln und das Weltkulturenmuseum in Frankfurt veranstalteten Ausstellungen. In Köln erschien 1984 ein Katalog und in Frankfurt unter meiner Mitarbeit das Katalogbuch „Bilder vom Glück“ (Frankfurt 2002) Meine biografische Skizze schrieb ich nach Notizen und aus der Erinnerung an persönlichen Erzählungen. Wir hatten in den wenigen Jahren unserer Freundschaft aber vor allem die Liebe zu China geteilt, wohin ich selber 1973 reisen konnte. Nach seinem Tod ende des Jahres studierte und propagierte ich dreißig Jahre lang seine Sammlung chinesischer Volksdrucke, die zu seinen Lebzeiten kein angefragtes Museum haben wollte.
2016 übergaben die Töchter Willi Schmidts dem Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt (ISG) zusammen mit dem persönlichen Nachlass ihres Vaters auch ein ‚Köfferchen‘ Wiegmanns. Ich durfte seine Erschließung übernehmen. Ich erfuhr viel mehr Details aus Wiegmanns Biografie und seiner Kunst. >>
‚Glück in zwei Welten‘ – Fritz Wiegmann
Annäherung an den Künstler und Sammler Fritz Wiegmann, der mir China zwischen 1969 und 1973 nahegebracht hat. Für das Katalogbuch der Ausstellung: „Bilder vom Glück – Chinesische populäre Grafik aus dem 20. Jahrhundert“, Museum der Weltkulturen Galerie 37, Frankfurt am Main 2002 habe ich eine biografische Skizze unter dem Titel ‚Glück in zwei Welten. Annäherung an den Künstler und Sammler Fritz Wiegmann‘ verfasst. Manuskripttext ohne Illustrationen.