Auch hier war Wiegmann wieder politisch und kĂŒnstlerisch engagiert. In seinem Nachlass findet sich ein Dankschreiben der Leitung mit dem Hinweis auf die knappen Kassen der Institution, sowie eine Ehrenurkunde, von der Art, wie sie bei Sportfesten verteilt wird.
Einen scharfen Lichtstrahl richtet Klaus TĂ€ubert in seiner Fritz-FrĂ€nkel-Biografie „Unbekannt verzogen …“ (trafo, Berlin 2005, S.69 f.) auf die Szenerie. Es handelte sich um eine Etappe des Konflikts zwischen SuchtprĂ€vention, genauer BekĂ€mpfung des Alkoholismus, worin die Ausstellungskuratoren Dora Benjamin und Fritz FrĂ€nkel seit lĂ€ngerem engagiert waren, und den Wirtschaftsinteressen des Braugewerbes. Ich referiere TĂ€ubert:
Auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung waren aus der von FrĂ€nkel zusammengestellten Abteilung ‚Kampf gegen Rauschgifte‘ zwei StĂŒcke entfernt worden, ohne daĂ man ihn gefragt oder ihm wenigstens spĂ€ter offiziell mitgeteilt hĂ€tte. TĂ€ubert zitiert aus der WELTBĂHNE:
„Es handelt sich um ein Bild des Malers Wiegmann, auf dem ein wohlgenĂ€hrter BĂŒrger behaglich das Steigen der Brauerei-Aktien verfolgt. Im Hintergrund steht eine abgehĂ€rmte Frau, die Frau eines Trinkers. Das zweite StĂŒck ist ein Bierglas mit einer durchschimmernden Leiche; Unterschrift: Wieviel sterben jĂ€hrlich durch Alkohol? Darauf legte die ‚Tageszeitung fĂŒr Brauerei‘ los: ‚Auch sonst sind in dieser Abteilung unerhörte Angriffe gegen den Alkohol, vor allem gegen das Bier zu sehen. Auf wiederholte Reklamationen sind einige dieser Gemeinheiten – anders können sie nicht bezeichnet werden – entfernt worden. Aber dieses Bierglas blieb stehen.‘ Nun es blieb nicht mehr lange stehen: Der Deutsche Brauereibund erreichte bald die Entfernung (….)“(59/60)
Der Redakteur der WELTBĂHNE fragte: Warum aber klappt das PrĂ€sidium der Hygiene-Ausstellung vor der Allmacht des Alkoholkapitals zusammen? Was hat das Unternehmen davon zu befĂŒrchten? Oder haben die Brauer auch hier subventioniert? Sie sollen ihre eigenen Ausstellungen finanzieren; das ist eine gerade Sache, aber hier haben sie nichts verloren.(60)
TĂ€ubert ergĂ€nzt: „Und ironischerweise bekam bald nach dem Vorfall der PrĂ€sident der Dresdner Institution, Dr. med. Seirig, das Angebot, Generaldirektor der SchultheiĂ-Patzenhofer Brauereien zu werden.“ (60/61)
Ein Wort zum Inhalt der Tafeln: In hohem Grade moralisierend. Nicht gerade einfallsreich. FrĂ€nkels Vorgaben waren strikt. Ob die höflich verweigerte VergĂŒtung des KĂŒnstlers aber damit oder etwa mit den Problemen, die er der Direktion bereitete, zu tun hatte, kann ich nicht sagen.
Die beiden Originaldokumente liegen im Stadtarchiv Frankfurt/Main (Nachlass:Â S 1-513