„Unterholz“ bei Vincent van Gogh und Fritz Wiegmann

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Fritz Wiegmann entschied sich anfang der Dreißiger Jahre, künftig Fortschritts- und gar Revolutionsideologien in seiner künstlerischen Arbeit zu ignorieren. So zeigt sein Werk je nach Genre – Stilleben, Porträt, Theater und schließlich Landschaft – ganz unterschiedliche Orientierungen.

Seine Ölstudien zwischen 1964 bis 1971 bei den Aufenthalten in Beatenberg – vom Thunersee mit benachbarten Viertausendern und steilen Schluchten – lassen sich ebenso auf sein Studium chinesischer Berglandschaften beziehen wie auf Cezanne. Für seine im dichten Bergwald an den Hängen des 1950 m hohen Niederhorns (LINK) entstandenen Bilder mit Tendenz zu Gitterstruktur und versperrter Aussicht fehlte mir die Kenntnis ensprechender Vorbilder. Zwar waren Wiegmann vom jugendlichen Studium und in der langen Schulpraxis als Kunstlehrer die Vorbilder Cezanne und van Gogh präsent, doch was heißt das schon?

Durch eine Zufallsbegegnung .mit der Werkmonografievan Gogh in Saint-Rémy and Auvers“ (Ronald Pickvance, The Metropolitan Museum of Art 1986)  erhielt ich den fehlenden Hinweis. Mit Einundachtzig habe ich nicht die Zeit, allen möglichen Impulsen nachzugehen, darum soll der Beitrag  nur Denkanstöße geben.

 

Die doppelseitige Abbildung 79 „Undergrowth with Two Figures“ – 50×100,2cm, completed by 24 June 1890 – steht in auf den Seiten 262/263.

Vincent_van_Gogh_-_Undergrowth_with_Two_Figures_(F773), Cincinnnati Art Museum, en.Wikipedia

Dazu schreibt der Autor Pickvance:

The sous-bois motif has a long history in van Gogh’s oeuvre, from one of his first paintings in La Hague to the more recent views done in the asylum garden at Saint-Rémy. In diesen Saint-Rémy pictures, the view is closed, almost claustrophobic  Here in the Auvers canvas, the view is opened up, the trees receding as in a formalized park or garden – the Tuileries Gardens in Paris, for example. It seems probable that the motiv was taken on the grounds of the château of Auvers.“ (p.260)

Das Sous-Bois-Motiv hat eine lange Geschichte in van Goghs Oeuvre, von einem seiner ersten Gemälde in Den Haag bis zu den neueren Ansichten im Anstaltsgarten von Saint-Rémy. In diesen Saint-Rémy-Bildern ist der Blick verschlossen, fast klaustrophobisch. Hier auf der Auvers-Leinwand ist der Blick offen, die Bäume treten zurück wie in einem formalisierten Park oder Garten – zum Beispiel in den Tuileriengärten in Paris. Es scheint wahrscheinlich, dass das Motiv auf dem Gelände des Schlosses Auvers aufgenommen wurde“ (S.260 Übersetzung).

 

Spontan fällt mir die Formulierung auf : „….ist der Blick verschlossen, fast klaustrophobisch“

W 34_sig. o.D. 37×24 (Mond)

W 20_signiert.1970 50×40

 

 

 

 

 

 

 

 

Das unbehagliche Gefühl bei Wiegmanns späten Studien im dichten Bergwald  kehrt spontan wieder, vor allem bei den stark abstrahierenden fast lichtlosen späten Bildern.

Um 1970 verschlechterte sich Wiegmanns chronische Krankheit. Die Unberechenbarkeit des Wetters war ohnehin herausfordernd, und Arbeitsbedingungen wie Aktionsradius wurden noch beschränkter.

 

Mehr Bilder (LINK) im Beitrag „Fritz Wiegmann – Ölstudien im Bergwald 1964-1970“

 

Die englische Wikipedia-Seite „Trees and Undergrowth“ (Bäume und Unterholz) erweitert  die Perspektive um den kunsthistorischen Aspekt. LINK 

Van Gogh erkundete das Gelände der Anstalt von Saint-Rémy und stieß auf einen verwilderten Garten. Er schrieb (zu F745) : „Seit ich hier bin, habe ich genug mit dem verwilderten Garten mit seinen großen Kiefern zu tun gehabt, unter denen hohes, ungepflegtes Gras wächst, vermischt mit allerlei Immergrün.“

Und das Van Gogh Museum wird mit der Beobachtung (F745) zitiert: „Die Wirkung von Licht und Schatten erzeugte ein fast abstraktes Muster mit kleinen Farbbögen, die die gesamte Leinwandfläche bedeckten.“

Van_Gogh__Unterholz_mit_Efeu F745, van Gogh Museum, Amsterdam;en-wikipedia

 

„Sous-Bois“, „Undergrowth“, „Unterholz“, „Waldinneres“

Die  Webseite „Trees and Undergrowth“ behandelt eine malerische Tradition, zu der ‚frühe Impressionisten‘, Paul Cezanne und Vincent van Gogh beigetragen haben.  Als deren Vorläufer gilt die „Schule von Barbizon“ in der Region Fontainebleau während des 19 Jahrhunderts, eine lose Verbindung anti-akademischer Landschaftsmaler, die vom jährlichen Pariser  „Salon“ ausgeschlossen waren. Solche Kompositionen waren vor dem 19. Jahrhundert selten. Das „GCB-Kunstlexikon“ bietet zur „Schule von Barbizon“ einen reich illustrierten Artikel. (LINK)

Aber weiter mit Wikipedia  :

Bäume und Unterholz sind das Thema einiger Ölstudien, die Vincent van Gogh von 1887 bis 1890 in Paris, Saint-Rémy und Auvers schuf. Er nutzte darin gekonnt Farbnuancen und Licht.

Wenn im Deutschen Sous-bois als „Waldinneres“ bezeichnet wird, betont das die Geschlossenheit des Waldraums. In einem Sous-bois ist der Himmel kaum sichtbar, nur ein kleiner Teil des Himmels dringt manchmal durch die Zweige. Anstatt Landschaften traditionell aus der Ferne zu malen, klettert oder geht der Maler in den Wald und hält sein Erlebnis nah am Motiv fest. Derartige Bilder, die Bäume und grasbewachsenes Unterholz darstellen, sollen sogar oft vertikal auf Leinwand gemalt worden sein.

Van_Gogh_-_Bäume_und_Unterholz F309a, 1887, van Gogh Museum Amsterdam, en.wikipedia

In „Bäume und Unterholz“ (F309a) porträtiert van Gogh das Spiel des Lichts, das durch die Bäume auf die niedrig wachsenden Pflanzen fällt, in weißen, gelben und roten Akzenten. Die Wirkung von Licht und Schatten erzeugt viele Grüntöne, die van Gogh mit kurzen Pinselstrichen über die Leinwand malt. Eine gelbe Linie suggeriert eine Horizontlinie und deutet eine Lichtung jenseits der Bäume und des Laubes an.

Van-Gogh-Ivy (Efeu) (F609)

 

Vincents Bruder Theo war von seinen Unterholz- oder Sous-Bois-Gemälden sehr beeindruckt und nahm das Bild „Efeu“ (F609) in die Liste der Werke, die er 1890 bei der Brüsseler Les XX-Ausstellung zeigen wollte. Dasselbe Gemälde wurde in Paris von Père Tanguy ausgestellt, der davon ausging, dass er es sehr wahrscheinlich verkaufen würde.

 

 

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