Fritz Wiegmann Ölstudien im Bergwald 1964 – 1971 – im Nachtrag Skizzen

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W 44 – 101 x 69 cm 1964

W 44 ein ideales Eingangsbild, vom schon aus praktischen Gründen  – später aufgegebenen – Format (101×69) her. Ein Wald, um hineinzugehen, hindurchzugehen ins Blaue, zwischen roten Fichtenstämmen. Die Szene könnte von Cezanne stammen, von den Hängen des Mont Sainte Victoire.

W 45 101 x 69 ein Schritt in Richtung Theaterdekoration. Der Weg hindurch führt in die Pappmaschee-Kulisse oder in den Traum. Kirchner? Die spitzen Hüte stellen zwar eine ’Schonung’ dar, woran ich wegen des Baumstumpfs links vorn denke. Farbiges Scheinwerferlicht von oben.

W 45 101×69 cm

W 10    40×30  sign. Kuli  im (Juni) 1968         

Senkrechtes Gitter (Nähe) mit Raumtiefe (halbnahe und Fernwirkung) kombiniert

Lichtbrechungen Licht und Schatten z.B. auf den Stämmen vorn und rechts

Gefälle bis hinunter in die schattige Tiefe

Nicht nur Luftbewegung

Die eigene Palette austesten

Das Bild transportiert eine bestimmte ‚Luft’ an alle Orte, wo man es aufstellt. Es hält auf Distanz. Nur intelligente Annäherung erlaubt es, „Wald“ zu erfahren. Näher drängend stößt der Blick auf nackte Maltechnik. Das hat übrigens einen eigenen Reiz. Diese Augentäuschungen  verlangen den freien Rahmen eines Passepartouts.

 

Das zartere Bild W 11 sieht so aus, als sei es einen Moment später an einer anderen Stelle entstanden.

W 11_sig.o.D. 40×30-IMG_1019

 

 

Zwei Jahre später: 1970 . KEIN Kokettieren mit der Abstraktion.

Am 14.Mai 1970 schreibt Wiegmann aus Beatenberg: „(…..) Ich bin nicht so recht zur Arbeit gekommen. Der Anfang ist noch lahm. Heute endlich scheint die Sonne, der Rest Schnee schmilzt, und die Wiesenhänge verwandeln Braun zu Grün.Die Berge sind sehr schön (….)“.

L12 1970 sign. dat.

Im August 1971 meldet er: (….) Ich war leider sehr faul, teils lag das am Wetter, teils aber auch, dass die nette Bude, die ich im alten Schweizerhaus bezogen hatte, kein Licht für die Arbeit hatte. Ansonsten war das Wetter sehr durchwachsen, sehr heiss, sehr kalt, Hagel und Güsse in reicher Menge. (…..)

W 36_sig.dat.70 39×29

W 38_sig.dat.70 40×30

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Mai 1972  kommt eine Postkarte aus dem ‚Berghotel Hessenland‘ in Tiefenbach, Oberstdorf: (….) Ich werde also hier ausharren. (….) Eine Verjüngung täte gut. Es sitzen Jahrtausende hier an den Tischen!   Im Juni 1973 kann auch ein Sanatoriumsaufenthalt in der Nachbarschaft Frankfurts Wiegmann nicht mehr helfen.

Eine heitere Version des Themas ‚Sterben‘ hatte Wiegmann aus dem Alten China erzählt, in Form einer Legende (publiziert 2002 in „Bilder vom Glück“ LINK) :

Wu Tao Tzu malte eine grosse Landschaft auf eine Wand des Palastes; und der Kaiser, der sie zu sehen kam,  war hingerissen vor Begeisterung. Wu Ta Tsu klatschte in die Hände. Eine Höhle im Bilde öffnete sich, der Maler trat in sein Bild und war auf Erden nicht mehr gesehen.“

Im Jahr 1973 beschloss Wiegmann demonstrativ auf einem unscheinbaren Blatt Papier (LINK):

Alles ist geordnet, es giebt keine Verabredungen für andere Tage – Er bleibt gerne, aber er wird fröhlich sein – es geht mit ihm Freude und Schmerz der Erinnerung . das Schmerzhafte wird er tragen und das Freudvolle lieben . Er kennt nicht seinen Weg und er ahnt, dass am Ende niemand auf ihnwarten wird als er selber. Dann aber/ wird er leicht schlafen – zudecken wird ihn eines Gottes Hand. Der Gast ist bereit zu gehen.

 

*

IM NACHTRAG –  SKIZZEN

Ganz wenige Skizzen im wörtlichen Sinne scheinen erhalten zu sein. Der Meister hütet das Geheimnis seiner Produktivität. Liebermann formulierte es so: “ ,,In der Skizze feiert der Künstler die Brautnacht mit seinem Werke; mit der ersten Leidenschaft und mit der Konzentration aller seiner Kräfte ergießt er in die Skizze, was ihm im Geiste vorgeschwebt hat, und er erzeugt im Rausche der Begeisterung, was keine Mühe und Arbeit ersetzen könnte.“ (LINK zu Graue Natur in bunter Theorie“ – A. Kreul S. 51).

Z 28 Wald -koloriert

Z 29 Fichtenwald

Z 30 Waldskizze

 

 

 

 

 

 

 

 

Vier kleine Tusche-Skizzen habe ich 1974 bereits in der Erbteilungssituation erhalten. Drei bilde ich ab. Sie sind für mich immer noch die spontansten Zeugnisse seiner Wald-Erfahrung.

Etwas  größere farbige Ölskizzen erhielt ich 2022: W 3 (20,5×21) und W 6 (17×18,5)

Auch in ihnen kommt Wiegmann ohne Umweg auf den Punkt.

 

 

 

 

 

 

Und was sagt das über seine Produktionsweise? Liebermann gibt  einen vielleicht weisen Ratschlag: „,,….wenn wir ihr [der Kunst] Geheimnis ergründeten, wäre es mit ihr vorbei. Den künstlerischen Zeugungsprozeß kann man ebensowenig ergründen wollen
 wie den physischen.” (ebd. 50)

W 1-Kleiner Wald (Archivbild)

 

Vielleicht stellt sich hier wenigstens eine Frage, zu der Wiegmann späte Naturstudien des öfteren Anlass geben:

Wurden die über das Bild verteilten Knubbel angetrockneter Farbe bewusst eingesetzt?

Von diesem kleinen massiv gerahmten Bild gab es das Gerücht, es bestünde nur aus Farbresten.

 

 

 

 

 

 

 

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