„Max Liebermann – der deutsche Impressionist“ (1995) Lektüre

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FÜR EINEN ZWEITEN BLICK AUF MAX LIEBERMANN – VOM MALERISCHEN HER.

Bis auf die beiden letzten Absätze meiner Reportage habe ich mir nichts vorzuwerfen. Der Bericht (LINK zu „Zu Max Liebermann an den Wannsee in Berlin“ (2009) gab eben den Besuch eines radikalen ‘Kunstkommissars’ an einer großbürgerlichen ‘Pilgerstätte’ wieder.

Malerproblemen stand ich immer wieder fremd gegenüber. Der intime Umgang mit Fritz Wiegmanns kleinformatigen Landschaften veranlasst mich, seine Maltechnik mit Hilfe unterschiedlicher Perspektiven von Künstlern einzukreisen und damit besser zu ‘verstehen’ (LINK).

Da kommt eine Monographie gerade recht, die ich in einem Antiquariat aufstöbere: “Nichts trügt weniger als der Schein” Max Liebermann der deutsche Impressionist – Ausstellung in der Kunsthalle Bremen vom 16.Dezember 1995 bis 24. März 1996″ (Verlag Hirmer). Ich verschiebe das kunsttheoretische Kapitel voll von prägnanten Formulierungen, die Fritz Wiegmann vermutlich unterschrieben hätte – den Essay von Andreas Kreul “Graue Natur in bunter Theorie“ bietetNotizen zum persönlichen Impressionismus Max Liebermanns“ –   an die zweite Stelle, weil der Text nicht mit Illustrationen aufzulockern ist.

Zudem habe ich den Autor Kreul  zweimal vergeblich angeschrieben. Ob er an meinem Vorgehen keinen Gefallen findet oder an seinem fast zwanzig Jahre alten Text nicht mehr interessiert ist, kann ich nicht beurteilen.  Zu seinem Trost: in den zehn verflossenen Wochen wurde er gerade 9 x angeklickt.

 Gv. 13. April 2024

 

FARBE UND LICHT – DER GARTEN DES KÜNSTLERS 1916-30   Dorothee Hansen,

Die Bilder und die Beobachtungen stehen im Vordergrund. Die kompakten Einleitungen zu Liebermanns malerischen Themen gehen die auf reichlich angebotene Abbildungen ein. Hansen veranschaulicht Liebermanns kunsttheoretischen Anspruch, dass Kunst und Handwerk identisch sind: „Nicht in der Idee, sondern in der Ausführung der Idee liegt die Kunst.“ (222)

 Hansen: (208) …. Am sommerlichen Garten …. interessierte Liebermann die volle Kraft der satten Farben. Die verschiedenen Ansichten malte er meist in mehreren Versionen.. Die Bilder haben dann zuweilen fast seriellen Charakter. Es kommt dem Maler dabei vor allem auf die Malerei an, obwohl er immer von dem Gesehenen ausgeht. Was in den Wannseebildern wirkt, ist die Stärke der malerischen Übersetzung. (Erich Hanke)

Hansen:  Liebermann entwickelte in den Gartenbildern eine äußerst variable Pinselschrift. Bisweilen malte er mit dünnerer Farbe in breiten großen Strichen (1923 Kat.65 49,5x 74,5). Vor allem liebte er aber die pastose Farbe, die er in kurzen Pinselhieben oder mit dem Spachtel auftrug (um 1928 Kat.67 1928 74,5×76,5) – (trocken, bewegt, weiß oder rot zuletzt aufgetragen? )

Kat. 67. p.216 Wannseegarten 1928 (Abb. rechts und links leicht beschnitten)

Und was ist das Ergebnis seiner „Übersetzung“ ?

Hansen: Er unterwirft nicht wie Monet oder die Spätimpressionisten die gesamte Bildfläche einer gleichmäßigen Struktur; die Richtung der Pinselstriche und die Spachtelführung sind bei ihm gegenstandsgebunden. (Der Wind fährt schräg durch Gras, Laub und Sträucher). Wege sind in breiten horizontalen Strichen angelegt, Hauswand oder Bäume mit senkrechten Strichen. Bei einer Böschung steigt auch die Pinselführung an. Blumen und Büsche erhalten durch kurze rhythmische Schraffuren eine raschelnde Bewegung, wobei die einzelnen Blüten und Blätter in eine abstrakte Pinselschrift aufgelöst werden.

Liebermann schafft einen tiefen Bildraum durch dominante Tiefenlinien, verbunden mit beleuchteten und schattigen Partien. Kann aber in Kat.67 den Blick auch ‚bremsen‘ durch üppige Vegetation.

Vergleich zu Wiegmann L 65 (Berner Oberland)

Bäume werden zu dunklen senkrechten kurzen Strichen, ansteigend darüber gelegt bei Böschungen, Hängen; weiß und graue Übermalung des Himmels; das Haus besteht aus waagrechten Unterteilungen. Ich entdecke nun auch Punktfiguren im Bild! Auch Wiegmann ‚bremst‘ , in L65 durch Bergriegel und tiefhängende Wolken, die an einer Stelle sich abregnen und opak verbunden sind mit der Fortsetzung im lichtlosen Wald links.

Wieg L65 (Pinselstriche)

 

‚Ateliers‘

 
Kat.70 „Selbstbildnis im Atelier um 1930″(218)Hansen bemerkt dazu: „Sicher arbeitete er viel in freier Natur, aber er hatte die Welt seines Gartens auch in der Phantasie vor Augen. Bei dem „Selbstbildnis im Atelier“ schaut er sich selbst über die Schulter. Er zeigt sich bei der Arbeit an einem Gartenbild, das er im Goldrahmen beendet. Das Fenster ist verhängt, um blendendes Licht fernzuhalten, so daß er die Natur nicht vor Augen hatte. Nur der Betrachter sieht die lichtdurchfluteten Blätter, die aus dem Garten hineinschauen. (208)

L 36 (oben) in einer Ecke der Frankfurter Atelierwohnung.

Mich befremdete dies ‚Atelier‘ bei jedem der beiden Besuche am Wannsee.

 

Von Wiegmann wusste ich: Er bedauerte die Bedingungen manchmal in Beatenberg, auf jeden Fall in Frankfurt. Aus Fritz Wiegmanns späten ‚Ateliers‘ ist nur dieses Foto im Dachgeschoss der Gustav-Freytag-Str. 42 in Frankfurt/Main erhalten. Die untere Landschaftsskizze auf der Staffelei ist zwar mit der Ölskizze L 76 nicht identisch, aber wohl aus derselben Folge, mit breitem Pinsel und stark verdünnter Farbe.

L 76_ auf 30×40-Papier

 

Beobachtungen an früher entstandenen Bildern Liebermanns

„Reiten, Tennis, Polo – Elegantes Freizeitvergnügen …  1901-1914“

Kat. 56 (S.157) „Tennisplatz 1913“: Die Reduktion auf „abstrakte Pinselschrift“ in Form von „Schraffuren“ verschiedener Länge und Richtung (nach dem Modell der „Wolken“) .

Sie scheint sich der Praxis der Kreideskizzen zu verdanken und etwa 46×38 cm kleinen Ölskizzen auf Pappe, 1911 (Kat.24 und Kat.25 – S.154f.)Tennisspielerinnen am Meer). Figuren und Kleider mit senkrechter Strichführung :“zwei Spielerinnen mit wenigen Pinselstrichen in ihrer Bewegung treffend charakterisiert“ ( D.H.= Dorothée Hansen S.152)

Liebermann Reiter am Strand 1900 (S.153)

Kat. 22 Reiter am Strand 45×46 cm – Liebermann zeigt sich als Pferdekenner und meistert die Bewegung des Wassers!   <

P.S. Ich finde in GRISEBACH „Vorschau & Rückblick“ vom Sommer 2023  unter „Millionenzuschläge und internationale Bietergefechte“ auch „Max Liebermanns „Reiter am Meer nach rechts„. 1912, taxiert mit „€ 300.000 – 500.000 und zugeschlagen für 805.000“ – Darf ich Wiegmanns Skizzen überhaupt auf derselben Seite abbilden, ohne dass man mich für unverschämt hält?

 

„Dünen, Strand und Meer – Badeleben in Noordwijk und Scheveningen 1896-1914“

Kat. 52 Badende Knaben – Figuren, Wasser, Horizont, Wolken – jeweils angemessene Strichführung  !

Liebermann Badende Knaben 1910 (S. 143) 35x49cm

 

Beobachteter Alltag – Holland 1880-1900  (Anne Röver-Kann)  S.110

Nur ein paar Stichpunkte daraus:

  • Sorgfältige Vorbereitung für große Gemälde im Atelier
  • Mit der überall in Europa spürbare antiakademischen und realistischen, bzw. naturalistischen Strömung verbunden
  • „Italien ist zu pittoresk, Holland dagegen erscheint auf den ersten Blick langweilig: Wir müssen erst die heimlichen Schönheiten entdecken…..“ 1901
  • Eine erste Idee für ein Bild kam ihm grundsätzlich vor der Natur, nicht aus einem vorgefassten Gedanken. Festgehalten in Skizzenbüchern oder in einer schnell gemalten Ölstudie; Präzisierungen folgten in Form von Detailstudien für einzelne Figuren und in Kompositionsstudien, in denen er die Verteilung der Massen, die Perspektive und die Hell-Dunkel-Wirkungen für das geplante Bild klärte. Im Verlauf solcher Bildvorbereitungen entstanden nicht selten auch mehrere Fassungen einer Bildidee in Form der Ölstudien, ehe eine endgültige Lösung im Atelier gefunden wurde. Gerade diesen ‚Vorstufen’ ist in der Ausstellung mit Bedacht große Bedeutung beigemessen. In ihrem lockeren, offenen Pinselduktus, der deutlich das Vorbild des … wiederentdeckten und von Liebermann hochverehrten Frans Hals bezeugt …. verweisen sie auf die späteren Freilichtbilder, …., um so den flüchtigen, schnell wechselnden Eindruck etwa einer Standszene oder eines Polospiels einzufangen.

 

 

A. Kreul, pp. 97-100  : Aus dem Kapitel „Graue Natur in bunter Theorie

Die rote Einfärbung dient der raschen Aufnahme des nicht bildgestützten Essays.   

Liebermanns „Phantasie“-Begriff im Schaffensprozess und Courbet

Gustave Courbets Äußerungen über die Imagination in der Kunst: Ich halte ebenso die Malerei für eine grundlegend konkrete Kunst und sie kann nicht anders als in der Wiedergabe der realen und existierenden Dinge bestehen. Sie ist eine vollständig physische Sprache, die sich anstelle der Worte, aus allen sichtbaren Gegenständen zusammensetzt; ein abstrakter, ein nicht sichtbarer, nicht existierender Gegenstand gehört nicht in den Bereich der Malerei.

Liebermann schreibt: ,,Je naturalistischer eine Malerei ist, desto phantasievoller muß sie sein, denn die Phantasie des Malers liegt nicht – wie noch Lessing annahm – in der Vorstellung von der Idee, sondern in der Vorstellung von der Wirklichkeit (. . .).“

Kreul: Muß der Maler also vor jedem Gegenstande jeweils neu seine Phantasie entzünden, will er ein originäres Kunstwerk schaffen, ist nur die Phantasie (mit den 
Worten Courbets die imagination) Maßstab seines Könnens.

Die untadelige (aber geistlose) Kopie des Akademikers wie die bloße Suche nach dem malerischen Sujet sind deshalb untaugliche Versuche in der Kunst; es gilt die Natur malerisch neu zu erfassen und nicht nach malerischen Dingen in der Natur zu suchen; deshalb muß auch die Phantasie innerhalb der sinnlichen Anschauung des Künstlers gegenüber der Natur liegen – und dies unabhängig von der Art und Qualität des Gegenstandes: Mit der Gleichwertigkeit der Sujets Madonna oder Mohrrübe hat dies Liebermann bündig umschrieben. Nicht ohne jedoch die Modernität seines Ansatzes gleich wieder einzuschränken:,,Die gutgemalte Rübe ist ebenso gut wie die gutgemalte Madonna. Wohlgemerkt als rein malerisches Produkt, denn zur Beruhigung frommer Gemüter sei’s gesagt, es fällt mir beileibe nicht ein, zwei ästhetisch so ungleichwertige Gegenstände miteinander vergleichen zu wollen. Auch weiß ich wohl, daß die Darstellung einer Madonna noch andere als rein malerische Ansprüche an den Künstler stellt, und daß sie als Aufgabe schwerer zu bewältigen ist als ein Stilleben.“ 26

Kreul: Dieser Naturalismus in der Kunstauffassung Liebermanns steht nun aber in einem ungebrochen engen Verhältnis zu der seines Impressionismus.

Eine Leistung des Impressionismus in Frankreich war es, ‚unvoreingenommen‘ der Natur, dem einfachen Ding – sei es in Form von Landschaft und Kathedrale, Tänzerin oder Frucht – begegnet zu sein. (28) Liebermann betont, daß es sich nun nicht um eine neue Richtung in der Malerei, sondern um eine Weltanschauung handele, bei der jeder Künstler sein Verhältnis zur Natur neu zu deuten habe (3o) Nur so ist es Liebermann auch möglich, Diego Velazquez und Frans Hals neben Edouard Manet und Claude Monet zu stellen. (31) Die klassische Form ist bei jedem Künstler gleich neu. (32) Unzweifelhaft ist es für Liebermann aber ebenso, daß sich die Phantasie nicht nur an der Natur, sondern wie im Falle Manets, auch einmal an einer Photographie (Erschießung Kaiser Maximilians) entzünden kann. (33)

Kreul:  Die französischen Impressionisten, die mit der stärksten Phantasie (34) die Welt erobert hatten, gingen zudem naiv (im Sinne Friedrich Schillers) an ihre Objekte heran…. Naiv oder sentimental heißt hier, wie Emile Zola von der Naivität Manets berichtet: ,,Ich sage, wie es ist. Manets Stil ist ganz naiv: Er hat sich einfach vor die Natur gestellt und hat einzig nach dem Ideal, sie in ihrer Wahrheit und Kraft darzustellen, gestrebt. – Der sentimentalische Künstler (der Ideenmaler) dagegen ist ,,immer außerhalb der Grenzen der lebendigen Form“. (37) Dies relativiert ohnehin Liebermanns  Bekenntnis über die Gleichwertigkeit der realen oder nur vor dem geistigen Auge stehenden Eindrücke, da Liebermann – im Zweifelsfall – die Anschauung vor der Natur immer wichtiger ist, als diejenigen Gebilde, die nur Erfindungen sind. (38) ….. Es ist daran zu erinnern, daß sich hieraus auch eine nicht unbeträchtliche Legitimation der ,Rebellion‘ Liebermanns gegen die etablierte Kunst herleiten läßt, muß doch der naive Künstler (bei Schiller) in einem künstlichen (d. h. modernen) Weltalter wild laufen, da diese neue Welt seine Existenz radikal in Frage stellt. Die latente Schwierigkeit Liebermanns, gerade literarische Themen künstlerisch umzusetzen, belegt hier ein weiteres Mal seine Engführung der Phantasie hin zum Phänomen und nicht zur Ideenmalerei.

Meine spontane Zwischenfrage : Hat Max Liebermann für Wiegmann erst mit den Landschaftsthemen der 1960er Jahren die große Bedeutung gewonnen – über dessen Porträts hinaus, von denen unter uns nur einmal die Rede war (LINK) ? Bis in die Fünfziger Jahre tendierte Wiegmann offensichtlich zu Stilleben und symbolisch aufgeladenen figürlichen Themen.

Kreul:  In seiner späten Rezension der Gespräche Joachim Gasquets mit Paul Cézanne erkennt Liebermann den ihm verwandten Ansatz Cézannes, mit Hilfe der Malerei dem Wesen der Natur nachzuspüren und ihr gleichzuziehen: „Er wollte Schöpfer sein einer neuen Welt, die er nach seinem Ebenbilde gestaltete. Wie Goethe Spinozist, der überall, in jedem Grashalm, in jeder Pflanze Gott sah, zu dem jeder Stein sprach, wollte Cézanne das Leben malen, unter der Oberflache die lebendige Materie, und in manchen Landschaften hat er den Odem Gottes zu gestalten gewußt wie keiner vor ihm.“ (48)

Kreul:  Liebermann identifiziert darüber hinaus die Unergründlichkeit des Kreationsprozesses des Kunstwerkes mit dem natürlichen Zeugungsprozeß: ,,Auch ist es gut so, denn wenn wir ihr [der Kunst] Geheimnis ergründeten, wäre es mit ihr vorbei. Den künstlerischen Zeugungsprozeß kann man ebensowenig ergründen wollen
 wie den physischen.“ (50) Anläßlich seines Kommentars zu zwei HoIzschnitten von Manet führt er (in Bezug auf die ihm so wichtige Form der Skizze) diese Parallele in entschieden doppeldeutigen Worten aus: ,,In der Skizze feiert der Künstler die Brautnacht mit seinem Werke; mit der ersten Leidenschaft und mit der Konzentration aller seiner Kräfte ergießt er in die Skizze, was ihm im Geiste vorgeschwebt hat, und er erzeugt im Rausche der Begeisterung, was keine Mühe und Arbeit ersetzen könnte.“ (51)

Kreul: Aus dieser Vorstellung werden die Differenzen zum Impressionismus etwa eines Claude Monet deutlich. Monets Auflösung der Naturerscheinung in den momentanen Licht- bzw. Farbeindruck, die Anbindung an den flüchtigen Augenblick, die Aufspaltung der Farben, entsprechen in keinem Fall der Malerei Liebermanns; seine Lichtflecke sind grundsätzlich anderer Natur als die in der französischen Malerei; ein Umstand, der bereits früh von herausgestellt worden ist:

Hans Rosenhagen (1927): Es ist durchaus falsch, Liebermanns großzügige Art, die Natur darzustellen, impressionistisch zu nennen; denn seine Darstellung beruht keineswegs auf einem bloß optischen Erlebnis, hat auch nichts mit dem momentanen Eindruck zu tun, sondern ist bis zu einem gewissen Grade Stilisierung des Wirklichen, das Zusammenfassen vieler Einzelbeobachtungen zu einem großen überzeugenden Eindruck, zu einer Wahrheit, die den Sinn der natürlichen Erscheinung zum Ausdruck bringt.“ (Zitiert S. 99))

Und Max J. Friedländer (1924) schreibt drastisch: ,,Ihr [der französischen Maler] Schmelz, ihren Duft, ihre reine Farbigkeit hat er bewundert, aber niemals erstrebt. Manet Iiebkost die Leinwand, Liebermann peitscht sie. [. . .l Die französische Metiermeisterschaft bietet, nach Überwindung von Mühe und Verwischung der Arbeitsspur, ein wohlig ruhendes Dasein glücklich gesellter Farbenflächen: Liebermanns fegender Vortrag berührt uns wie Tat und aktiv männliches Streben.“ (zitiert S.99)

Kreul: Max Liebermann selbst hat durch seine Historisierung des Impressionismus – d. h. lmpressionismus nicht als eine besondere Richtung der Malerei im ausgehenden 19. Jahrhundert zu betrachten, sondern ihm eine Art künstlerische Konstante durch alle Jahrhunderte zuzugestehen – mit Bezug etwa auf Paolo Veronese oder Frans Hals (55) (insbesondere hinsichtlich der Technik der Farbflecken), diese grundlegenden Differenzen zwischen der älteren und neueren Koloristik gleichzeitig verwischt und erhellt. Nur so ist seine Äußerung im Gespräch mit Erich Hancke gegen die Technik der französischen Impressionisten zu verstehen: Wissen Sie, das mit den zerlegten Farben, das ist alles Unsinn. Ich habe es jetzt wieder gesehen, die Natur ist einfach und grau“. (56) Diese graue Natur (die dennoch aus farbigen Flecken bestehen kann!) garantiert gegenüber dem trennenden Kolorismus der französischen Impressionisten den Zusammenhalt von Malerei und Natur: ,,Der Maler hat nur die Farbenskala von Schwarz und Weiß auf der Palette: aus ihr soll er Leben, Licht und Luft auf die Leinwand zaubern, ein paar Striche, ein paar unvermittelt nebeneinandergesetzte Farbenflecke sollen aus der richtigen Entfernung dem Beschauer den Eindruck der Natur suggerieren.“ (57) Mit einer gewissen Berechtigung, kann man dies vorherrschend nüchterne Licht in Anlehnung an Wolfgang Schöne als die Rückgewinnung der dienenden Funktion der Farbe beschreiben.

Von der – mein kunsthistorisches Verständnis leider übersteigenden – Bilanz des Autors möchte ich nur zweierlei referieren, die Beobachtung einer „zum Teil schwebenden Diktion, die der enthusiasmierte Schreiber zumeist mit Absicht setzt“ Und: „In Liebermanns Schriften ist es nicht sinnvoll,  die Begriffe Impressionismus und Realismus von seinen allgemeinen Kunstvorstellungen zu trennen; sie erfahren von hier ihre Rechtfertigung wie ihre Einbettung in einen begründeten Zusammenhang“. Es ist der eines ,,persönlichen Impressionismus“ (64).

Wiegmanns konzeptionelle Nähe zu Liebermann bis in die Details ist für mich auffällig.
 
 

„Liebermann als Zeichner“ wird vertagt.   29.1.24

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