Fritz Wiegmann, 1945 gestrandet in Hof an der Saale

|

Überleben

Im Februar 1945 wurde Fritz Wiegmann zwecks einer Gallensteinoperation von Berlin nach Oberfranken, Hof an der Saale, ĂŒberwiesen und dort im April 1945 von den amerikanischen Truppen eingeholt. Die Bevölkerung der Stadt an der Grenze zum Egerland schwoll damals durch FlĂŒchtlinge und Vertriebene an auf zeitweise  55.200 Ew. (Link).

Damals hat er auch Stauffenbergs Witwe mehrfach gesprochen, schon hinter den amerikanischen Linien bei einer befreundeten Familie. Sprengstoff fĂŒr das Attentat sei vom Secret Service geliefert worden und hĂ€tte einen Krater bilden sollen. Die Baracke sei aber eingegraben gewesen. v.Trott sei ‚Kopf’ der Opposition gewesen; seine Anfrage in England sei negativ beantwortet worden: unconditional surrender!  (Persönl. Mitteilung ende der 1960er Jahre.)

Dann versetzte  der Eiserne Vorhang  die Region in eine extreme Randlage, sie wurde vom frĂŒher benachbarten Böhmen, Vogtland und ThĂŒringen abgeschnitten. Die Grenzen verliefen nur wenige Kilometer vor der Stadt. FĂŒr einen weltoffenen Freigeist und GroßstĂ€dter wie Fritz war der Ort mit traditionell ausgeprĂ€gtem Lokalstolz ein denkbar ungeeigneter Winkel.

 

Q: www.deutscheschutzgebiete.de

Q: www.deutscheschutzgebiete.de

Q: google-maps Foto: 'Tuba' 2014

Q: google-maps Foto: ‚Tuba‘ 2014

 

 

 

 

 

.

 Noch wĂ€hrend seiner kurzen Kriegsgefangenschaft wurde man unter den amerikanischen Offizieren und Soldaten auf den PortrĂ€tmaler Wiegmann aufmerksam. Im Stadtarchiv Frankfurt  liegen vier Reproduktionen und sechzehn persönliche Dankschreiben, oft mit Heimatadressen. Dort ist Wiegmanns erster Wohnung in Oberkotzau, 5km sĂŒdlich der Stadt erwĂ€hnt. Wenn man sich fragt, wovon Wiegmann damals lebte, ist der Kontakt zur amerikanischen Garnison sicher ein Teil der Antwort. (Link zu dem mir 2021 bekannt gewordenen Bild des GI Leroy Schauder)

Nachlass im Stadtarchiv Frankfurt

Nachlass im Stadtarchiv Frankfurt

IMG_8966- Brief Lt

 

 

 

 

 

 .
Kinderbild Hof/Saale

Kinderbild Hof/Saale

Durch eine Anfrage aus Hof 2014, ob ein Kinderbild in Öl der Mutter von dem Wiegmann der Webseite gemalt worden sei, erfuhr ich auch von diesem Kundenkreis. Ein paar PortrĂ€ts (in zeitgenössischer Fotoreproduktion dokumentiert) von Erwachsenen nach 1937 lassen sich nicht zuordnen.

Das Entnazifizierungsverfahren wurde 1947 ‚eingestellt‘. Der Eintritt in den NSLehrerbund war Bedingung gewesen, um mit  Klassen seiner Berliner Schule in die `Kinderland-Verschickung‘ (KLV) nach Karlsbad zu gehen.  Er erzĂ€hlte mir von pĂ€dagogischen Erfolgen in einer Idylle – „Töchter Deutscher Christen und bekennender Christen eintrĂ€chtig“. Und er wurde erst 1944  Soldat.

 

Er bemĂŒhte sich von Hof aus um eine Wiederanstellung als Kunstlehrer – in Berlin, in Hamburg, in Hessen und wahrscheinlich auch in Bayern, und scheiterte damit. Lag es an seiner eingeschrĂ€nkten Gesundheit oder dem von den Landesbehörden praktizierten Grundsatz, erst die Landeskinder zu versorgen?

Erst ab Oktober 1948 konnte Wiegmann an der Granit-Bildhauerschule im benachbarten Wunsiedel (Link) arbeiten, bevor er 1950 nach Frankfurt zog und dort 1951 in den Hessischen Schuldienst ĂŒbernommen wurde. (Link „Lebenslauf“). In Wunsiedel unterrichtete er auch den in Frankfurt durch Arbeiten im öffentlichen Raum bekannten Bildhauer und StĂ€dellehrer Willi Schmidt (Link Wikipedia), der ihm zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb.

 

        Generationswechsel – z.B. Armin Sandig (1929 – 2015)

Wiegmann suchte Anschluss an die sich im Nachkriegsdeutschland neu organisierende Kunstszene. Ein paar AnsĂ€tze dazu versandeten. GrĂŒnde finden sich in seiner Person wie in der Ausgangslage 1945. Verfemte, entmutigte und an ihrer Entwicklung Verhinderte, die oft ihre Arbeiten im Krieg verloren hatten, trafen auf die AnsprĂŒche einer jungen Generation, die mit ihrem Freiheitsdrang keineswegs hinter die Veteranen der Moderne zurĂŒcktreten wollte.

Ein schönes Beispiel ist der junge Armin Sandig, 1929 in  Hof geboren, ein Autodidakt, den  Gottfried Sello ( „Traum ohne Ende…“ 2013, Link) 1960 trifft.

Seine ersten Jahre bis 1949 skizziert Heinz Spielmann 2009 auf der Webseite der Stiftung Armin Sandig (Armin Sandig – Ein Blick auf sechs Jahrzehnte Malerei) :

1949 konnte man im Konstanzer Theater Arbeiten eines bis dahin unbekannten Malers sehen, die den Besuchern fremd erscheinen mussten, selbst den wenigen, die sich in der aktuellen kĂŒnstlerischen Entwicklung auszukennen glaubten. Sandig zeigte Bilder, die auf eine erst zehn Jahre spĂ€ter sich durchsetzende Malerei gerichtet waren, zu einer Zeit, in der man zunĂ€chst das lĂ€ngst Erreichte kennen lernen musste. Es galt zunĂ€chst, im Deutschland der ersten Nachkriegsjahre die heute als „klassisch“ bezeichnete Moderne nach ihrer Verfemung wieder zu entdecken. Nur die Älteren besaßen noch Erinnerungen an den frĂŒhen Expressionismus, an den „Blauen Reiter“ und das Bauhaus. Was danach gekommen war, verstand kaum jemand.

Wie sollten die jĂŒngeren KĂŒnstler, die am Ende der Nazizeit gerade 15 -16 Jahre alt waren, zu sich selbst und zu einer eigenen Sprache finden? Sie kannten kaum die Bilder der um 1910 Geborenen, die 1933 etwa so alt gewesen waren wie sie bei Kriegsende. Mit ihnen verband sie die Überzeugung, dass nach dem Verlust aller Normen eine neue Kunst nur aus der völligen Freiheit entstehen könne, dass jeder Einzelne in dieser Freiheit seine Normen selbst finden mĂŒsse. Was wir heute „Informel“, also „formlos“ nennen, war letzten Endes nichts anderes als der Versuch, aus der Auflösung von allem, von Gegenstand, Konstruktion, Komposition – also von jeder Verbindlichkeit – zu einer zuvor unbekannten Bildform zu gelangen. (….)

G.Sello:Traum ohne Ende..., S.92

G.Sello:Traum ohne Ende…, S.92

Unter den deutschen Malern, die dieses Ziel verfolgten und sich als Vertreter des „Informel“ oder „Tachismus“ mehr schlecht als recht klassifiziert sahen, war Armin Sandig einer der jĂŒngsten. Er kam aus Oberfranken, kannte keine Kunstschule, war Autodidakt, also frei von allen Vorgaben durch Lehrer – eine ideale Kondition fĂŒr eine voraussetzungslose Malerei. Wie hĂ€tte er fĂŒr sie VerstĂ€ndnis finden können?
Dreißig Jahre nach der Konstanzer Ausstellung, die er in seinen Katalogen stets als erste auffĂŒhrt, hat Sandig seine AnfĂ€nge im Telegrammstil so beschrieben:

Der mit 16 Jahren gefasste Entschluss, Maler zu werden, allen materiellen Schwierigkeiten und allen Widrigkeiten zum Trotz. Wenn er Geld verdienen musste, schrieb er in der lokalen Zeitung Kunstkritiken, auf die hin es Protestbriefe hagelte. Als er 1946/47 mit einigen KĂŒnstler-Kollegen im heimatlichen Hof einige Bilder zeigte, mussten sie lesen „Malern solcher Bilde sollte man die Lebensmittelkarten entziehen“. 1999 freute sich das Schweinfurter Museum, dass es eines der ein halbes Jahrhundert zuvor beschimpften BlĂ€tter als Geschenk fĂŒr seine Collage 1948/49Sammlung erhielt. Es handelt sich um eine Collage von 1948/49 mit einer farbigen Struktur, eine Vorahnung von dem, was Sandig zehn Jahre spĂ€ter bekannt machen sollte. 
Vom frĂ€nkischen Hof ging Sandig zunĂ€chst nach MĂŒnchen. Autodidakt blieb er nicht freiwillig, sondern nur, weil er bei dem gerade an die Akademie berufenen Xaver Fuhr studieren wollte, Fuhr jedoch nicht das Wohlwollen des ebenso reaktionĂ€ren wie mĂ€chtigen Kultusministers mit dem treffenden Namen Hundhammer fand – also wurde es nichts mit dem Studium. Vielleicht fĂŒhrte diese Abweisung den jungen Maler schneller zu sich selbst – und 1951 nach Hamburg. Zwar auch in Stuttgart, DĂŒsseldorf und anderswo in Westdeutschland Die widerspenstige Hostie, Aquatintaradierung, 1967prĂ€sentiert, fand er in der Hansestadt eine ihn tragende LiberalitĂ€t.

(Die beiden Grafiken sind Teil des Dokuments)

Wikipedia erwĂ€hnt im Beitrag Armin Sandig  eine Hofer Kunstausstellung „Junge Maler“, an der Sandig 1946/1947 im Alter von 17 Jahren zum ersten Mal eigene Arbeiten zeigen konnte.

Im gleichen Alter, sogar schon mit Sechzehn,  hatte Fritz  Wiegmann 1918 seine provinzielle Heimat Minden verlassen (Link) in Richtung Berlin und revolutionÀrer Kunst!

Junge Maler“, die Proteste provozierten,  das war fĂŒr ihn nicht die passende Umgebung. Doch da war ja noch die Lokalzeitung als Forum!

 

„Vertreter der modernen Malerei in Hof“ – Konkurrenz unter Veteranen

Am 9.11.1946  schrieb Curt Pabst in der ‚Frankenpost‘ – „Visitenkarte der Ateliers – Besuch bei Vertretern der modernen Malerei in Hof“ –  was er bei seiner Expedition in die exotische Welt der Kunst so verstanden und wahrgenommen hatte. Wir mĂŒssen dem Zeugen dankbar sein, erfahren Details und erkennen Bekanntes wieder:

Auch das scheinbar amusische Hof ist inzwischen Vertretern der Moderne Heimat geworden. Wer GlĂŒck hat, dem ist ein Blick in abseitige Ateliers gegönnt. In der Fischergasse, mit dem Blick auf die Saaleufer, schafft der Maler Fritz Wiegmann. Als sich 1933 die Kunstpolizei den Staffeleien nĂ€herte, ging er nach Frankreich, Spanien und China. Um Repressalien gegen seine Angehörigen zu vermeiden, kehrte er in die Heimat zurĂŒck und wurde Soldat. Das Kriegsende erlebte er in einem Hofer Lazarett. Inzwischen wurde die in einem Banktresor geborgene Ernte seies frĂŒheren Schaffens eine Beute des Berliner Nachkriegschaos. Nun gestaltet er aus wachem GedĂ€chtnis seine Visionen zum zweiten Mal. Wiegmann ist Naturalist, Maler des GegenstĂ€ndlichen. Landschaften, Stilleben, Köpfe. Die KĂŒste von Malorka. Die Ruinen von Rumeli-Hissar, chinesische Tempel, Lotosblumen. Ein Maler der klaren, starken, leuchtenden Farben. An der Wand das Bildnis der großen amerikanischen Pianisten George Kobelanck. Dazwischen Hofer Köpfe von farbiger Plastik des Ausdrucks.

Außerdem besucht Pabst die beiden RheinlĂ€nder Gottfried Brockmann und Hanne Schultze-Frotzheim, Kampendonck-SchĂŒler in DĂŒsseldorf, den Berliner Maler und Schriftsteller Heinz Meyer-Mengede, die Bildhauerin Gerda Schultze- Roloff und Marianne Brockmann, zwei starke Könnerinnen. Pabst endet mit einem Appell: Dem Publikum wĂ€re zu wĂŒnschen, daß die KĂŒnstler ihre Abneigung gegen die Öffentlichkeit ĂŒberwĂ€nden. Wir warten auf die Ausstellung der Hofer Sezession. Damit das Publikum bald erkennen könnte, wie viel hoher Kunstwille, wie viel  tiefschĂŒrfendes Denken und wie viel Meisterkönnen zwölf Jahre lang von den Barbaren in Fesseln gelegt wurde.

IMG_4698 Hof-Ausst

Erst fĂŒr 1949 ist eine Ausstellungsbeteiligung Wiegmanns in Hof dokumentiert, eine Woche lang im Saal der Baumwollspinnerei. Die Lokalgeschichte birgt sicher noch Einiges an Information.

Saal der VogtlÀnd. Baumwollspinnerei, Stellwand F.W., 1949

Saal der VogtlĂ€nd. Baumwollspinnerei, Stellwand F.W., 1949 – Mallorquinische Motive (Link)

 Wiegmann hat zwei Zeitungsausschnitte aufgehoben (Nachlass Stadtarchiv), wie ĂŒblich ohne Zeitungsnamen und Datum. ‚VerrĂ€terische‘ Details wie eine Silberne Hochzeit und die ErwĂ€hnung von ‚Pfingstgeschenk‘ datieren die Ausstellung auf die Woche nach dem 6. Juni im Jahr 1949.

Im Artikel „Drei Hofer KĂŒnstler“ (gezeichnet Ka.) werden Max Escher, Fritz Wiegmann und Gerda Schulze-Rohloff miteinander verglichen. Escher wird BodenstĂ€ndigkeit attestiert: Bei ihm gibt es keine SensibilitĂ€t. Seine StĂ€rke ist die Kraft. … Die Wirkung ist frappierend. Trotz der ‚modernen‘ Sprache der Farben bleiben seine bilder naturnah, wie beispielsweise bei seinen Kriegserinnerungen an Rußland oder dem fast Brueghelschen flandernschen Sommer. Ihm fehlt auch nicht der Humor, man denke an seine Vogelscheuche … Ganz anders Fritz Wiegmann. Bei ihm ist alles Komposition, gestellt, motivisch ausgewogen und angeglichen ….Bei ihm sind die Farben zart, ineinander ĂŒberfließend, ein weißgrau mit Dutzenden von feinsten Abtönungen, ein Verschmelzen von GrĂŒn und blau, das deutlich EinflĂŒsse seiner ausgedehnten Reisen in den Fernen Osten spĂŒren lĂ€ĂŸt. Auch die meisten seiner Motive entstammen dieser fremden Welt: Buddhaköpfe, chinesische Landschaften, Istambul oder Mallorka. Immer wieder verbindet er geschickt das Lebendige mit dem Toten, Menschen mit Masken, durch die die Lebenden noch lebendiger wirken. Doch nie, auch nicht bei den vielen Stilleben gleitet Wiegmann ins rein Dekorative ab, und die Arbeiten des letzten Jahres zeigen eine erheblich krĂ€ftiger werdende Farbe. Mit einer ganzen Reihe von PortrĂ€ts beweist Wiegmann, daß er auch dieses Gebiet beherrscht.

Auch Dr. K.T. vergleicht in seinem Artikel „Drei Hofer KĂŒnstler stellen aus“ Fritz Wiegmann mit Max Escher (1901 – 1976). Er attestiert beiden, sie seien als Maler beide bestrebt, die Errungenschaften des abstrakten Spiels mit Farben und Formen, wie es den modernsten Strömungen eigen ist, in ihre Ă€ltere Malweise organisch einzubeziehen. Das scheint vor allem in den neuesten Arbeiten (Figur in spanischer Landschaft, 1949) mit Erfolg erreicht zu sein. Escher, der unpathetischer, kantiger empfindet, kommt mit seinem 1948 geschaffenen Bild „SĂŒdliche Strandbastion“ zu auffallend Ă€hnlichen Ergebnissen.

Das will ich genauer wissen. Vom kurzen unbebilderten Wikipedia-Artikel ĂŒber Max Escher werde ich zur „Frankenpost“ geleitet, welche nur „Premiumartikel“ offeriert, „Teil unseres exklusiven Online-Inhaltes“. Wer hĂ€tte das der „Frankenpost“ zugetraut? „Sichern Sie sich jetzt den Zugang zu allen Inhalten…“. Immerhin erfahre ich unter dem Titel „KĂŒnstler und Erzieher mit Leib und Seele“: „Im MĂ€rz 1976 starb der Hofer Maler Max Escher. Sein Werk ist noch immer prĂ€sent – in zahlreichen Wohnungen ebenso wie in seinem MarxgrĂŒner Atelier. Dort kĂŒmmert sich sein Stiefsohn Wolfram Hauß um den Nachlass. Die „Private Galerie – Joachim Friebl NĂŒrnberg“ (Link) reproduziert zwei Landschaften (ohne Datumsangabe), die gut auf  den Eindruck von Dr. K.T. und Ka. passen. Ich spĂŒre ĂŒbrigens (nur Reproduktionen!) eine gewisse Verwandtschaft mit Wiegmanns Alpenlandschaften der spĂ€ten 1960er Jahre (Link).

K.T. spricht auch noch vom PortrĂ€tisten: Wiegmann ist ein glĂ€nzender PortrĂ€tist. Sein weltweites Globetrotterherz schwingt, ĂŒberlegen lĂ€chelnd um Menschenseelen wissend, in diesen Schöpfungen sattfarbig und sprechend mit. Bei ihm ist der Wille zur Abwendung aus impressionistisch-romantischer Umklammerung schwerblĂŒtige Tat geworden.

Die demonstrierte GroßzĂŒgigkeit der Beurteilungen konnte die demĂŒtigende AbhĂ€ngigkeit der in die Provinz verschlagenen KĂŒnstler nicht verbergen. Wichtig waren die soziale Signale:  ob gelungen oder nicht, ob sensibel und gestellt oder kraftvoll und gar humorvoll, ob auch recht ausgewogen, wie fremd u.s.w.  Die Öffentlichkeit durfte schließlich AnsprĂŒche stellen. Und dann schließlich eine ‚Ausstellung‘ in einem Saal fĂŒr ein paar Tage bekommen zu haben! Wiegmann zog spĂ€ter immer wieder ĂŒber den ‚Kunstbetrieb‘ der Bundesrepublik her (Link). In einer seiner ‚Übungen‘ auf der Schreibmaschine hat er seine Ablehnung festgehalten .

Er bemĂŒhte sich in Hof unermĂŒdlich um RĂŒckkehr in den Schuldienst. Wollte er –  vom gerade ĂŒberstandenen Jahrzehnt hin- und hergetrieben und geschlagen – als PĂ€dagoge wenigstens die Kinder retten (Lu Xun)? Jedenfalls war er fĂŒr eine prekĂ€re BohĂšme-Existenz wie auf Mallorca lĂ€ngst zu alt.

Die Bildhauerin Gerda Schulze-Rohloff habe ich im Netz nur an einer Stelle gefunden (Link).  Im ‚Museum Bayrisches Vogtland‘ der Stadt Hof werden ‚rund 3000 Kunstwerke verwahrt‘, fast ausschließlich im Depot. Schulze-Rohloff ist in der Liste aufgefĂŒhrt, Wiegmann nicht. ‚An einem Terminal im Museum Bayerisches Vogtland können die rund 2400 digitalisierten Kunstwerke wĂ€hrend der ĂŒblichen Öffnungszeiten angesehen werden‘, seit 2011. Also auf nach Hof an der Saale!

 

Hamburg?  Eine Fatamorgana

Im FrĂŒhjahr 1947 gelang es Wiegmann, von Hof  im Herrgottswinkel der Amerikanischen Besatzungszone aus, Bilder in der „Galerie der Jugend“ von Gottfried Sello in Hamburg auszustellen. Blogbeitrag „Wieder jung in der Galerie der Jugend“. Aber auch dort herrschte Generationskonflikt, und Wiegmann konnte sich nicht einmal zur ‚Hamburgischen Sezession‘ (Link) rechnen.

 

China

China-Vortrag Hof:Saale 1949 Notizzettel

Wiegmann /Hedda Hammer 1936 6×6 Peking Markt Laternen

Fast hĂ€tte ich Wiegmanns „China-Vortrag in Hof/Saale“ 1949 vergessen, dessen Unterlagen er zeitlebens aufbewahrt hat. Sie sind im Nachlass (Institut fĂŒr Stadtgeschichte Frankfurt am Main Link) durch Vortragsmanuskript und 37 gerahmte 6×6-Dias vertreten. Die Bilder sind zum Teil  Luftaufnahmen des berĂŒhmten Grafen Castell (Link) in den dreißiger Jahren, sonst Aufnahmen von Wiegmann selbst und von seiner Freundin, der Fotografin Hedda Hammer ( spĂ€ter Morrison, Link). Der Vortragstext beruhte auf den eigenen Notizen in Peking. Jean-Pierre Dubosc (Link) hat Wiegmann in Peking bei der Abreise 1937 einen Teil seiner chinesischen Volksdrucke nianhua (Link) ĂŒbergeben, ein anderer Teil wurde noch 1937 in Paris in der dortigen Nationalbibliothek ausgestellt, eine Premiere.

Da der Kalte Krieg auch die wenigen Nianhua-Experten in Ost und West trennte, blieb das Gebiet auch nach 1949 fĂŒr Jahrzehnte unbeackert und Wiegmann zeitlebens so begeistert wie hilflos vor diesen BlĂ€ttern. Ich habe selbst mitgelitten. Es war die Farbigkeit, die Freiheit im Pinselstrich ĂŒber teilweise uralten in Holz geschnittenen Bildmustern und die Freiheit von naturalistischen ZwĂ€ngen, die ihn faszinierten. Wiegmann und Dubosc ĂŒbersprangen die in China selbst unĂŒberwindbaren Schranken zwischen der KunstsphĂ€re der Elite und den ’niederen‘ KĂŒnsten des Volkes.

Stand: 23.12.22

 

 

 

 

 

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert