Wieder ‘jung’ in der ‘Galerie der Jugend’ Hamburg 1947

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Am Ende folgen zwei Nachträge : Mitteilung von Thomas Sello vom August 2019 und ein Artikel in der FAZ 9.Mai 2020  (20.09.2020)

Zwei kleine Ausstellungsplakate (DIN A 3 und etwas größer) und ein Telegramm von 1947 legen eine Spur nach Hamburg zur ‚Galerie der Jugend’ von Gottfried und Ingeborg Sello. Wiegmann konnte dort ausstellen, und sein Name stand auf den Plakaten

2013 ist beim Ellert & Richter Verlag in Hamburg ein Buch mit Texten des späteren Kunstpublizisten Gottfried Sello erschienen: “Traum ohne Ende – Über die Kunst“. Aus dem schön bebilderten und persönlich gefärbten biografischen Vorwort von Thomas Sello (S. 8 bis 24) beziehe ich die folgenden Informationen und zwei Fotos, eines von Gottfried Sello mit Bernhard Minetti (1948) und eines aus dem Atelier des Malers Skodlerrak (1920-2001) (S. 8/9), der neben Wiegmann auf dem zweiten Plakat genannt wird.

Das Ehepaar Sello gründete bereits im Dezember 1945 im Dachgeschoss des Finanzamtes Steinstr. 10 die „Galerie der Jugend“, ein Name, der das Programm der Künstlergruppe „Die Brücke“ von 1906 aufgriff: „Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Der gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt …“ (Zitat bei Sello S.8).

Das hieß in der Nachkriegszeit erst einmal, „Carl Hofer, Erich Heckel, Max Pechstein, Otto Mueller, Anton Kerschbaumer und viele andere Klassiker der Moderne (auszustellen), die wenige Jahre zuvor als „entartet“ verschrien und verboten waren“ (8).

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Das erste Plakat im Nachlass „ Bilder vom Karneval“ (Februar 1947) nennt „Gustav Ast + Olaf U. Deimel + E. Eisenblätter-Laskowski + Wilhelm Grimm + Ivo Hauptmann + Carl Hofer + Tom Hops + Emil Maetzel + Hans Müller-Dünwald + Alfred Mahlau + Thed Pfeil + Erich Rhein + Christian Rohlfs + Fritz Wiegmann“.

 

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Das zweite Plakat vom 30. April 1947 “zu Alfred Kubins siebzigstem Geburtstag” nennt Paul Mechlen + Horst Skodlerrak + F.Wiegmann

 

 

Die Galerie

Auf abenteuerlichen Wegen kamen die Bilder von überall her in die Galerie, und wie das Telegramm zeigt, natürlich auch Wiegmanns. Die Mühe lohnte schon deswegen, weil die Galerie im Dachgeschoss „ein Treffpunkt (war) für eine neue Generation Kulturschaffender, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler und ein begeistertes Publikum“. Zur Ausstellung im Februar 1947 kamen „täglich rund 250 Besucher in die Ausstellung“. „Von dem Eintritt (0,50 RM) ließ sich die Galerie wesentlich finanzieren, dagegen wurden Bilder nur selten verkauft. (8/9)

Ist deshalb der Kontakt über die große Entfernung zu dem Einzelgänger Wiegmann abgerissen?

Es gab wohl verschiedene Gründe. Sello nennt beiläufig die Bedeutung der bis 1945 ausgegrenzten und öffentlich verachteten „Hamburgischen Sezession“ und das Drängen der „ganz jungen Maler, teils noch Studenten der Landeskunstschule am Lerchenfeld (…), die „mit ihren Mappen (kamen)“. „’Junge Hamburger Maler und Bildhauer’ lautete der Titel einer Ausstellung von 1950, bei der mit 35 Künstlern das fünfjährige Bestehen gefeiert wurde.“ (9) Ein Jahr später kündigte das Finanzamt wegen Eigenbedarfs und Gottfried Sello besann sich auf seine schriftstellerische Ader. Rein theoretisch hätten sich Sello und Wiegmann ab 1963 in Frankfurt treffen können,  wo Sello für den Hessischen Rundfunk Features drehte. (18)

Soweit das Vorwort, das uns nur eine erste Orientierung bieten kann. Thomas Sello habe ich brieflich angefragt. Ohne Erfolg. Dafür kam im Juni die schöne Überraschung:

Von: Thomas Sello
Betreff: Galerie der Jugend.
Nachrichtentext:
Mit Interesse las ich Ihren Text über die Galerie meiner Eltern und freue mich 
über die Abbildung der beiden Plakate (ich kenne nur das zur Skodlerrak-Ausstelung).
Mit besten Grüßen Thomas Sello

Das Telegramm

Nachlass Wiegmann

Nachlass Wiegmann in Stadtarchiv

Nachlass Wiegmann

Rückseite

 

 

 

Die zwei Fassungen der Antwort aus Hof:

1

hocherfreut versuche Transportproblem zu lösen  hoffe spätestens 23. einzutreffen. L.K.W. Rücksendung Sonst lasse Bilderkiste abholen Firma von Dören Hamburg 11

2

Hocherfreut Transport bis 23. Hofer Firma sofort zugesagt     Bitte rücksendet leere Bilderkiste sofort Firma von Dören Hamburg 11 Brauerstrasse 20 für Tix nach Hof

 

Anmerkung:  In Hamburg-Altona gibt es eine Max-Brauer-Allee 30 (google-map) und in Hamburg existiert wenigstens heute eine „Tix-Spedition e.K“ – In Hof existierte vor kurzem noch eine Tix Spedition Lagerung Neuköditz, in der HOFER STR. 3, 95030 Hof – Unterkotzau. (Quelle: CYLEX deutschland, 13.6.2018)

Die Formulierung in der ersten Fassung „hoffe einzutreffen“ lässt noch die persönliche Teilnahme erwarten, aber die zweite schließt sie aus. 1947 klar!!

 

ZWEITE EMAIL VON THOMAS SELLO AM 23. AUGUST 2019

Mit Freude stieß ich eben auf den Text zur “Galerie der Jugend”, die meine Eltern im Dezmeber 1945 im Dach des Hamburger Finanzamtes eröffneten. Ihre Geschichte endete 1951.
Vielleicht wird die Geschichte in sofern ihre Fortsetzung haben, als ich beabsichtige, mit Bilderverkäufen aus der Sammlung meiner Eltern eine Archivgebäude neben dem Hamburger Künstlerhaus Sootbörn zu errichten für die z. Z. rund 70 Künstlernachlässe (mit rund 15.000 Werken), die vom Verein “Forum für Künstlernachlässe e. V.” gesammelt und durch Ausstellungen, Forschung und Publikationen betreut wird.
Es grüßt
Thomas Sello

 

NACHTRAG ZUM KONTEXT AUS DER FAZ VOM 9. MAI 2020 S. 13 “KUNSTMARKT”

Als der Handel wieder begann – Nach dem Ende des Krieges: Vor 75 Jahren wagen die ersten Galerien den Neustart in Deutschland.

Gab es im Kunsthandel eine „Stunde Null“? Zumindest wurde der Neubeginn des Ausstellens und Handels mit zeitgenössischer bildender Kunst von den Beteiligten so empfunden, und erstaunlicherweise begannen Händlerinnen und Händler wie Gerd Rosen in Berlin, Erich Mueller-Kraus oder Hein Stünke in Köln, Gottfried Sello in Hamburg und Hella Nebelung in Düsseldorf bereits 1945 mit ihren – zunächst meist provisorischen – Galerien, bevor 1946 auch Günter Franke in München, Alex Vömel in Düsseldorf oder Aenne Abels in Köln ihre Galerien eröffneten und sich zu den großen Namen des Nachkriegskunsthandels in der frühen Bundesrepublik entwickelten. „Wer mochte, als wir aus den Kellern stiegen, überhaupt an Kunst denken“, erinnerte sich der 1930 geborene Kunsthistoriker Diether Schmid an seine Jugend im kriegszerstörten Berlin: „Zunächst einmal hatte jeder mit sich selbst zu tun und das Überleben des nächsten Tages zu erkämpfen. Dann entstand aus diesem Magenhunger doch allmählich ein unstillbarer geistiger Hunger.“

Die Erinnerungen an den Neubeginn lesen sich wie Berichte von Pioniertagen und -taten. Während Gerd Rosen, mit dem Maler Heinz Trökes als künstlerischem Leiter, bereits im August 1945 in einem ehemaligen Textilgeschäft am Kurfürstendamm seine legendäre Galerie eröffnen konnte, erfolgten die Gründungen in Köln, Hamburg und Düsseldorf im Dezember des Jahres. In Köln starteten im selben Monat der Maler Erich Mueller-Kraus und das Ehepaar Eva und Hein Stünke ihre Galerietätigkeit. Mueller-Kraus eröffnete seine „moderne galerie“ in seiner Wohnung in der Gustav-Nachtigal-Straße in Köln-Nippes. „Die Einladungen schnitt er in Holz und druckte sie von Hand“, erinnerte sich der Maler K. O. Götz. Der Sammler Josef Haubrich und seine Frau Paula gehörten zu den ersten Besuchern der ungeheizten Galerie, die durch ihren Namen und die konsequente Kleinschreibung ihre Ausrichtung auf die Moderne unmittelbar deutlich machte. Zu den von ihr vertretenen Künstlern gehörten die Maler und Freunde der „Kölner Progressiven“ wie Jankel Adler, Gerd Arntz, Heinrich Hoerle und Franz Wilhelm Seiwert, die Mueller-Kraus vor dem Krieg in Köln kennengelernt hatte, ebenso wie Karl Schmidt-Rottluff, Otto Pankok, Willi Baumeister, Fritz Winter oder Max Ackermann. Während Mueller-Kraus heute weitgehend vergessen ist, gelang es Eva und Hein Stünke, sich mit ihrer ebenfalls im Dezember 1945 eröffneten Galerie „Der Spiegel“ als Pioniere im rheinischen Kunsthandel der Moderne zu etablieren. Bevor sie ihre Kunsthandlung 1949 in die Richartzstraße im Kölner Zentrum verlegen konnten, hatten sie im rechtsrheinischen Köln-Deutz begonnen: „Die Treppen lagen unter freiem Himmel und die Stufen bedeckte der Schnee. Die Vertreter der Industrie- und Handelskammer, die nicht glauben wollten, daß es möglich sei, in der Trümmerwüste von Köln Kunstwerke anzubieten und zu verkaufen, stiegen die Treppen hinauf, kauften Aquarelle und vermittelten uns den Gewerbeschein, das letzte von Dutzenden von Papieren, die für diese Eröffnung nötig waren.“

Ähnlich liest sich der Rückblick auf den Neubeginn des Handels mit moderner Kunst in Hamburg: Hier hatten der Jurist und Kunsthistoriker Gottfried Sello und seine Frau Ingeborg im Dezember 1945 im Dachgeschoss des ehemaligen Karstadt-Gebäudes an der Steinstraße, das seit 1936 als Finanzamt diente, die „Galerie der Jugend“ eröffnet und zeigten Arbeiten vor allem von Künstlern der Klassischen Moderne in Deutschland, unter anderem von Ernst Barlach, Walter Gramatté, Karl Hofer, Otto Mueller, Max Pechstein oder Erich Heckel, dem das Ehepaar Sello 1947 eine Einzelausstellung mit kleinem Katalog widmen konnte.

Parallel zu den frühen Galeristen meldeten sich von Ende 1945 an auch Buchhändler und Auktionatoren mit dem Neubeginn ihrer Geschäftstätigkeit zurück: „Ich habe die Leitung meiner Firma wieder übernommen“, teilte der Verleger und Antiquar Ernst Hauswedell im November 1945 den Museen, Sammlern und Händlern mit: „Der Krieg mit allen seinen Begleiterscheinungen hat die Vorräte der Buchhändler und Antiquare sehr verringert. Da die Nachfrage und das Interesse unverändert groß ist, bitte ich Sie um Angebote von wertvollen Büchern, Graphik und Handzeichnungen. Im Spätherbst werde ich wieder mit der Abhaltung von Auktionen beginnen.“ Wenige Monate später wandte sich auch Josef Hanstein, geschäftsführender Inhaber des Auktionshauses Lempertz, an seine Kunden, denen er im Oktober 1946 ankündigte: „Im Laufe des kommenden Winters werde ich die altbekannten Kunst-Versteigerungen meiner hundertjährigen Firma wieder aufnehmen.“ Im selben Jahr begann auch Roman Norbert Ketterer in seinem Stuttgarter Kunstkabinett den Geschäftsbetrieb.

Mit der Einführung der Deutschen Mark im Juni 1948 erlebte die Pionierphase des modernen Kunsthandels in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands ein vorläufiges Ende. Waren alte Reichsmarkbestände noch gerne gegen Kunst eingetauscht worden, so war die neue Währung ein knappes Gut: „1948, nach der Währungsreform hatten die Leute kein Geld mehr, Bilder zu kaufen“, erinnerte sich Ingeborg Sello, die den Kunsthandel daraufhin aufgab und noch im selben Jahr ein eigenes Fotoatelier eröffnete.  (……) (LINK)

 

Ein Gedanke zu „Wieder ‘jung’ in der ‘Galerie der Jugend’ Hamburg 1947

  1. Thomas Sello

    Mit Freude stieß ich eben auf den Text zur “Galarie der Jugend”, die meine Eltern im Dezmeber 1945 im Dach des Hamburger Finanzamtes eröffneten. Ihre Geschichte endete 1951.
    Vielleicht wird die Geschichte in sofern ihre Fortsetzung haben, als ich beabsichtige, mit Bilderverkäufen aus der Sammlung meiner Eltern eine Archivgebäude neben dem Hamburger Künstlerhaus Sootbörn zu errichten für die z. Z. rund 70 Künstlernachlässe (mit rund 15.000 Werken), die vom Verein “Forum für Künstlernachlässe e. V.” gesammelt und durch Ausstellungen, Forschung und Publikationen betreut wird.
    Es grüßt
    Thomas Sello

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