Eine für mich unvermeidliche, aber abgedroschene Frage, nun befeuert vom Besuch der aktuellen Kabinett-Asstellung der Beaucamp-Bilderspende im Städel und munitioniert von zwei substantiellen Büchern unter Mitwirkung von Werner Tübke. Dessen prägende Erfahrung als Gymnasiast 1946 in der lebensgefährlichen Haft der sowjetischen Besatzungsmacht werde ich nie vergessen.
Da ist die erstens die in der absterbenden DDR erscheinenden Monografie „Werner Tübke – Leben und Werk“ von Günter Meißner (V.E.B. E.A.Seemann Verlag, Leipzig 1989).
Mein antiquarisch erworbenes Exemplar wurde im Oktober 1989 durch diese Widmung geschmückt: „Zur Erinnerung an Bad Frankenhausen an eine Bilderwelt voller Leidenschaft und kritischer Distanz, Imagination und Virtuosität, Begeisterung und Unbehagen, Instinkt und Bewußtsein Deine Sabine“
Eine notwendige Ergänzung bildet „Werner Tübke : Ich fange mit dem Himmel an – Aquarelle und Texte“ (Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/Main und Wien 1991). Denn T. war Maler, kein Ideologe oder Repräsentant!
Dienstagnachmittag in der verkrampften Kabinett-Ausstellung des STÄDEL.
Notizen am 15.7.25
- Mein Wunsch nach mehr Aspekten – in 46 Blättern zu bruchstückhaft repräsentiert – und mehr Weite, Ausführungen, Zeichnung und Malerei vor allem.
- Zu viele Figuren, aber ohne die Wucht des Frankenhausen-Panorama
- Der Wessi Beaucamp hat den DDR-Maler in einer Rolle eingesperrt, die nach dem zeittypischen Doppelauftrag aussieht: ‚Vergangenheitsbewältigung‘ und ‚Um die Brüder und Schwestern im Osten kümmern‘. Was bewirkte das? Mehr Pathos als humane Inhalte
- Aber was gab T. dem Sammler Beaucamp? Was wollte der?
- Wer weiß, sieht mehr – das merke ich nach dem biografischen Interview. Ob der Katalog helfen würde?
- Ich lerne Leihgaben in Ausstellungen schätzen, und eben organisatorisch aufwendige Kunstausstellungen. ( Das Städel mogelt, in dem es die bereits erfolgreich abgewickelte Schenkung wie eine externe ‚Sonderausstellung‘ bepreist)
Das charmante Büchlein „Werner Tübke „Ich fange mit dem Himmel an“ Aquarelle und Texte der Büchergilde Gutenberg, noch zu Tübkes Lebzeiten 1991 erschienen. (13.7.)
Der bescheidene Herausgeber Rolf Gerlach trifft T. in guter Laune. Der hat der Auswahl zugestimmt. Landschafts-Aquarelle sind das Thema.
,Befangenheit“ (7) und möglicherweise Überinterpretation werden thematisiert. Die Werkmonografie von 1988 – mit seiner Unterstützung verfasst – stilisierte Tübke vielleicht zu sehr als anti-modernistischen Rebell, als Dickkopf, den keine Formkritik seitens Regime und Kollegen anfocht.
Ein äußerst begabtes Kind, das eine Generation später zeichnend und malend in die existentiell und kunstdogmatisch harmlosere DDR hinein wuchs, mit deren spießig borniertem Programm konfrontiert, aber nicht den Zwängen von Avantgarde-Auftrag und Kunstmarkt unterworfen (27-28; 66-67).
Aufregende Gedanken Tübkes (1991)
Seine Aquarelle als “Wasserfarbenmalerei“ (13). Doch „keine Pinselschlenkerei“ (59)
Berge malen, als sollten es Plastiken werden in Farbe (72)
Der Vordergrund, eine Pein, zu intim (79); „weiter hinten, das sei Kino, das gehe ihn nichts an“
„Ein Gefühl für das Zurandekommen mit der Sache“ (59)
„Ich arbeite einigermaßen schnell vor der Natur…. (53)
(48)…für die eigentliche action sorgen Berge, Bäume, Felsstrukturen, Wasserflächen und der Himmel (!)“
„Hinsetzen! Es lässt sich aus allem etwas machen“ (47) „Dann fangen Sie ganz langsam an, sich einzugucken.“ (47)
(40) Seine Gegenständlichkeit …. Durchgangsstation, was er auf seine Art als angenehme Gewohnheit genieße: nicht Kopf, nur Auge – aber geschultes Auge, versteht sich.
(39) Mit dem Himmel sollte man sich große Mühe geben ….außerdem sind Wolkenstudien eine aufregende Sache.
(32) Landschaftsstudien ….Urlaub müsse sein, sagt seine Frau, und da er auch im Urlaub nicht leben könne, ohne was zu produzieren, befände sich ganz selbstverständich Handwerkszeug im Handgepäck.
Der Abstand: „Leipzig und die Sorgen sind weit weg“ (31 ) – wie Wiegmann in Beatenberg zu Frankfurt.
Gerlach: Da die Chiffren alles andere seien als kindhaft-elementarer Provenienz, könne Ironie hier doch kein Zufall sein. T. schüttelt heftig den Kopf.
Weitverzweigte Wurzeln in der europäischen Kultur, wie Altdorfer, die Donauschule, Cranach, Breughel, Mantegna oder Cosimo Tura, selbstverständlich Dürer, William Turner, weniger Blechen, Delacroix, ein paar frühe Dali (27), Bewunderung für Ludwig Richter und Hans Thoma. (14)
Handwerkliches Können mache überhaupt erst jedem Maler die präzise Improvisation möglich und schaffe die Chance zu wirklich lustbetonter und intelligenter Arbeit. (20)
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Und Wiegmann?
Eine mehrfach gebrochene Biografie, ein aufgespaltenes Werk, der Beamtenstand und die auch damit konfrontierte sexuelle Minderheit.
„Unbeschwertheit“ (T. 13) ist auch in den Landschaften selten zu finden, die von Tübke geschilderte Leichtigkeit des Aquarellkastens. Stattdessen dominierte Wiegmanns Ölfarben-Doktrin seit den dreißiger Jahren.
Meinem Fritz Wiegmann fehlt sicher Tübkes ironisches Spiel mit menschlichen Gestalten, das Spiel überhaupt. Er bleibt in dieser Hinsicht stumm. Malerei wurde ihm doch zum Brotberuf. Und nahm er sich zu wichtig? (LINK)
Sind seine Landschaften menschenleer? Nein, die werden von ihren winzigen Häusern und Weilern angemessen vertreten. Doch die in seinen Kompositionen wiederholt stereotyp auftretende Hütte im Vordergrund über dem Thunersee wirkt auf mich etwas deplaziert, so wie an anderer Stelle der Weidezaun.
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