Fritz Wiegmann Porträts amerikanischer Soldaten – Leroy Schauder Juli 1945

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Leroy Schauder 1945 Private Collection, United States

Sechsundsiebzig Jahre nach der Entstehung des Porträts beauftragt eine amerikanische Familie die David Barnett Kunstgalerie (LINK: davidbarnettgallery.com), etwas über das in Familienbesitz befindliche Bild in Erfahrung zu bringen. Die Signatur “Wiegmann” führt den Manager für Bewertungen und Recherche Cameron Quade auf meine Webseite.

 

Im Beitrag über Wiegmanns Jahre in Hof a.d.Saale (LINK) steht die folgende Passage:

Noch während seiner kurzen Kriegsgefangenschaft wurde man unter den amerikanischen Offizieren und Soldaten auf den Porträtmaler Wiegmann aufmerksam. Im Stadtarchiv Frankfurt  liegen vier Reproduktionen und sechzehn persönliche Dankschreiben, oft mit Heimatadressen. Dort ist Wiegmanns erste Wohnung in Oberkotzau, 5 km südlich der Stadt erwähnt. Wenn man sich fragt, wovon Wiegmann damals lebte, ist der Kontakt zur amerikanischen Garnison sicher ein Teil der Antwort.

Nachlass im Stadtarchiv Frankfurt

Nachlass im Stadtarchiv Frankfurt

IMG_8966- Brief Lt

 

 

 

 

 

Cameron Quade kontaktiert mich am 14. August 2021:

Im Anhang finden Sie das Bild des Porträts, einen Mann namens Leroy Schauder, Oberleutnant und Sanitäter im Zweiten Weltkrieg in der US-Armee. Sie können Wiegmanns Unterschrift direkt über seiner rechten Schulter in die Farboberfläche eingraviert sehen – es sieht so aus, als hätte er sie mit der Spitze seines Pinsels signiert. Es wurde von einem seiner Nachkommen zur Begutachtung in die Galerie gebracht. Falls Sie zufällig ein Bild aus dem Archiv oder einen Brief von Schauder an Wiegmann haben, würde ich mich freuen! Vielen Dank und alles Gute,…” (Originalzitate  übersetzt)

Am 20. August kann ich den Fund im “Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main” melden: “Unter den sechzehn Dankesbriefen von Amerikanern fand ich den undatierten Brief Schauders.

Schauder Letter in the Bundle (on the right side)

Galerist und Familie sind begeistert und bieten ihrerseits Informationen über ihren Vorfahren an: den Link zum “Wisconsin Veterans Museum” in 30 W Mifflin St, Madison, WI 53703 (LINK), wo er im Personal Record  3131 verzeichnet ist (LINK). 

Als Auszeichnungen sind angegeben: Purple Heart  und Bronze Star. Seine Kurzbiografie lautet:

Geschichte – Leroy Schauder wurde am 3. Juni 1920 in Clintonville, Wisconsin geboren. Er trat 1937 zunächst in das 135. Sanitätsregiment der Wisconsin National Guard ein. Während des Zweiten Weltkriegs diente er im 2. Bataillon, 385. Infanterieregiment der 90. Division (Pattons Dritte Armee) vom Ende des Normandie-Feldzugs bis zum Ende der Krieg. Er erlebte Kämpfe und die Folgen der Schlacht von Bastogne und der Einnahme von Fort Königsmacher auf der deutschen Seite der Mosel. Er war Mitglied der Veterans of Foreign Wars. Er starb am 9. April 2009 in Shawano, Wisconsin und ist auf dem Woodlawn Cemetery in Shawano begraben.

In einem fünfundsiebzigminütigen Interview im Oral History Programm des Museums (Roy W. Schauder – OH 00588) 2006 berichtete er über Kriegshandlungen, aber auch über das Kriegsende rund hundertfünfzig  Kilometer südöstlich von Hof und eine Europareise auf den Spuren seiner Einheit. Offizielle Zusammenfassung:

“…. Er beschreibt, wie er von der Unterzeichnung des Waffenstillstands erfuhr, als er von einem Hügel nach Pilsen (Tschechoslowakei) kam und sah, wie deutsche und amerikanische Truppen von beiden Seiten einmarschierten. Schauder beschreibt die antiklimatische Reaktion der meisten Männer, wie er zu Rasur und Haarschnitt kam und seine Gedanken an Pilsner Bier. Da er genug Punkte hatte, wurde Schauder in die 99. Division (Rückkehr-Heim-Division) versetzt, wo er Messoffizier war und mit den Medizinern zusammenarbeitete, um Kontakte zu Geschlechtskrankheiten aufzuspüren. Er beschreibt seine Bemühungen, sich wieder mit Mitgliedern seiner Einheit aus dem Zweiten Weltkrieg zu verbinden. Schauder ist seit 50 Jahren Mitglied des VFW (hatte keinen Grund, die GI Bill (LINK) in Anspruch zu nehmen) und erwähnt seine Reaktionen, als er mit einem Mietwagen die gleiche Route in Europa bereiste, die seine Einheit während des Krieges zurückgelegt hatte.

Am 4. Oktober bedanken sich Leroys älteste Tochter Kathryn (Cassy) Schauder Cantwell und deren Tochter Jane Cantwell Schmidt sehr herzlich. Sie erwähnen ein Buch mit den Kriegsbriefen aus Frankreich, Deutschland und der Tschechoslowakei, das ein Cousin herausgegeben hat und fügen hinzu:

Was Opas Gedanken über den Krieg angeht – er war so ein bescheidener Mann. Er wollte nie auf sich aufmerksam machen. Wir wissen, dass er einige schreckliche Dinge gesehen und liebe Freunde verloren hat. Seine beiden Brüder Frank und Glen dienten ebenfalls im Krieg, während seine Eltern das Schuhgeschäft Schauder führten. Alle drei Brüder kehrten wohlbehalten aus dem Krieg zurück und konnten im Schuhgeschäft der Familie zusammenarbeiten. Bitte geben Sie das Porträt als in einer Privatsammlung in den Vereinigten Staaten verbleibend an. Wir freuen uns darauf, Ihren Beitrag zu lesen.

Nachwort – Nach dem Krieg kehrte Roy zu seiner Familie nach Shawano zurück, wo er mit seinen Eltern und zwei Brüdern das Schuhgeschäft Schauder besaß und betrieb. Er und Betty hatten zwei weitere Kinder, Jeff und Debby. Roys Frau Betty starb 1967. Sie waren 25 Jahre verheiratet (seit Oktober 1942). Roy war Mitglied der First Presbyterian Church of Shawano, wo er ordinierter Ältester und Treuhänder war. Er war auch Mitglied der American Legion und Mitglied des Shawano Club und der Handelskammer. 1982 heiratete Roy Crystal Wochinski in Shawano. Als Roy am 13. April 2009 starb, hinterließen ihn seine drei Kinder, fünf Stiefkinder, neun Enkel und neun Urenkel.

 

Meine persönliche Einschätzung in einem Brief an die Familie vom 25.04.2022:

Fritz Wiegmann ist kein berühmter teurer Maler, da seine vielversprechende künstlerische Karriere mit dem Dritten Reich endete. Er hatte noch 1931-33 Galeriekontakte in New York(Galerie John Becker, Madison Avenue NY City, und über diese Galerie auch in der Chicago World Exhibition) (LINK). Mit etwa 30 Jahren musste er zunächst ins Exil nach Mallorca und China, damals bekannt als Porträtmaler und Freund des amerikanischen Pianisten GeorgeCopeland, (LINK). Ab 1938 – nach seinem Jahr in China beim Kunstsammler Jean-Pierre Dubosc (LINK) – führte er ein bescheidenes Leben als Kunstlehrer an einem Gymnasium. Während des Krieges betreute er Berliner Schüler, die wegen des Krieges in Pilsen (!) unterrichtet wurden. Soldat wurde er erst 1944, wurde aber wegen einer schweren Hepatitis ins Krankenhaus nach Hof in Bayern entlassen. Ich hatte Wiegmann ab 1955 sechs Jahre lang als Kunstlehrer und wir wurden Freunde, nachdem er in Pension gegangen war.

Ich habe die Website des Veterans Museum studiert. Ich denke, irgendwann in der Zukunft sollte das Bild mit den anderen Dokumenten dorthin gehen. Fünf seiner Porträts von Bürgern aus Hof, Deutschland, werden im „Museum Bayerisches Vogtland“ aufbewahrt. Vielleicht haben die Museen in Zukunft einmal Interesse an einem deutsch-amerikanischen Kontakt. In Wiegmanns Porträt des Leroy Schauder treffen zwei Menschen und ihre sehr unterschiedlichen Schicksale – und eine ganze Familiengeschichte – aufeinander. Eine so greifbare Konstellation ist eine Seltenheit! Und ich staune immer wieder über die unterschiedlichen Erinnerungskulturen in Amerika und in Deutschland. Jede hat ihre Vor- und Nachteile, Tugenden und Laster, aber dies ist ein heikles Thema.“

 

NACHTRAG   6.5.2022   Zwei Feldpostbriefe vom Juli 1945, die ersten, die einen Ort benennen: nämlich “Feilitzsch”.

 

Feilitzsch ist eine Gemeinde im oberfränkischen Landkreis Hof sowie Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Feilitzsch. Die Gemeinde im Bayerischen Vogtland liegt etwa sechs Kilometer nördlich der kreisfreien Stadt Hof an den Autobahnen A 72 und A 93. (LINK: Wikipedia) Da Schauder bereits anfang August wieder versetzt wurde, kann man annehmen, dass Wiegmann ihn im Juli porträtierte. Das die Publikation einleitende Foto links laden zum Vergleich der beiden Porträts ein. 

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(bitte anklicken)

 

Brief von Leroy am 12. Juli 1945 aus Feilitzsch, Deutschland

Liebe Mama & Papa, Ich schätze, ich schreibe besser eine kurze Notiz und gebe euch meine neue Adresse. Ich wurde gestern ziemlich plötzlich versetzt, und betrachte das als einen guten Schritt. Die ganze Truppe besteht aus Männern, die für die Rückkehr in die Staaten in Frage kommen und voraussichtlich im Dezember in die Staaten aufbrechen*. Das ist noch eine lange Zeit, aber es ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung für mich.

Wir leben hier wie die Könige in einem deutschen Adelshaus, das ich nur als „nicht von dieser Welt“ bezeichnen kann. Eben habe ich ein kurzes Gespräch mit der Gräfin** beendet. Das ist Stoff, nicht wahr? Es ist ein Zufall, aber vor ungefähr vier Monaten hat mein altes Bataillon um diesen Platz gekämpft und unser CP war genau in dem Gebäude, in dem ich mich gerade befinde. Ich habe ein riesiges Zimmer, zwei Tageslichtfenster und Sonnenterrasse. Zwei Dienstmädchen räumen für mich auf und ich werde in einer so eleganten Umgebung schnell zu einem faulen Mann. Sieht so aus, als hätte ich nach alledem eine Pause bekommen, oder?

Ich schätze, meine Post wird jetzt für eine Weile durcheinander sein, aber ich werde euch auf dem Laufenden halten, was mit eurem Roy passiert. Ich habe eine leichte Erkältung vom vielen Herumfahren in letzter Zeit, aber ansonsten ist die alte Moral richtig gestärkt worden. Zumindest habe ich jetzt etwas genauer Bestimmtes, auf das ich mich freuen kann. Bin mit einer großen Gruppe von Offizieren und Männern zusammen, aber ich fühlte mich wirklich schlecht, die alte Truppe (‘gang’)  verlassen zu müssen, nachdem ich so viel mit ihnen durchgemacht habe. Aber ich denke, es ist alles zum Besseren. Inzwischen. Euer liebevoller Sohn, Roy  (pp.77/78)

* Die US-Armee verwendete am Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa ein Punktesystem, um festzustellen, welche Soldaten zur Entlassung aus dem Militärdienst in die Vereinigten Staaten zurückgeführt werden konnten. Im Allgemeinen sollten „diejenigen, die am längsten und am härtesten gekämpft haben, zuerst zur Entlassung nach Hause zurückgebracht werden“.

** LINK Feilitzsch – Adelsgeschlecht, Feilitzsch – barockes Schloss (bis heute im Familienbesitz)

 

 

Brief von Leroy 20. Juli 1945 aus Feilitzsch, Deutschland

Liebe Mama & Papa: Hallo, gute Leute. Ich vertraue darauf, dass ihr beide bei bester Gesundheit sind und dass die Geschäfte auf Hochtouren laufen. (….) .Mir geht es gut, und abgesehen davon, dass meine Versetzung meine Post vermasselt, läuft alles sehr gut für mich. Ich führe ein extrem faules Leben, bekomme mehr als genug Schlaf, mache sehr wenig Arbeit und lebe wie ein König. Ich habe mein Zimmer schön hergerichtet und es geschafft, ein neues Radio zu bekommen, damit ich die neuesten Nachrichten und die besten Programme aus den Staaten hören kann. Die Japaner werden jetzt sicher die Hölle bekommen, und ich bin froh, das zu hören. Ich hoffe, das Stück Camouflage-Seide kommt gut an. Ich habe ein paar Pyjamas und Laken für mein Bett daraus gemacht. Ziemlich schick, würde ich sagen. Jetzt, wo wir mit deutschen Zivilisten sprechen können, versuche ich, meine (deutsche) „Sprache“ zu verbessern, aber ich glaube, ich werde nie so gut darin wie du, Papa. Aber ich komme mit dem zurecht, was ich weiß. Ich hoffe, ich muss nie Japanisch lernen. Neulich habe ich ein deutsches Mädchen (ausschließlich geschäftlich) kennengelernt, das in Milwaukee, Wisconsin, zu Hause ist. Sie sprach sehr gut Englisch und war vor sechs Jahren hierher gekommen, aber seit Kriegsbeginn konnte sie nicht mehr zurück. Junge, war sie häßlich! Sie sollte hier drüben bleiben. Ihr Name war Scheider. Seltsame Dinge passieren, nicht wahr?

Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich nach Hause will und weg von diesem ganzen Mist hier drüben. Die Menschen sind in trauriger Verfassung, Tausende von ihnen wandern müde, schmutzig, hungrig durch die Straßen und obdachlos. Vielleicht geschieht es ihnen recht für all das Elend, das sie anderen zugefügt haben. Ich selbst habe sehr wenig Sympathie für sie, obwohl ich verstehen kann, wie die Menschen zu Hause mitfühlen, weil sie nicht gesehen haben, was die Deutschen anderen Ländern und den Menschen angetan haben. Zur Hölle mit ihnen, und ich meine es ernst. Ich höre besser auf, sonst fange ich vielleicht an zu fluchen. Wir sehen uns ’46. Bis dahin sind meine Gebete bei euch, meinen beiden großartigen Brüdern und meiner wunderbare Frau und meiner Tochter.

Euer liebevoller Sohn – Wee Woy – Was für ein Name!

6. August 1945: Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima, Japan. 9. August 1945: Abwurf der zweiten Atombombe auf Nagasaki, Japan. 14. August 1945: Die Japaner stimmen der bedingungslosen Kapitulation zu. – Bruder Glenn absolvierte die Highschool 1944, ging zur Navy und diente seit anfang 1945 im Pazifik.

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