Große Künstler unterstützen Wiegmann, lese ich bei Zbigniew Herbert und Niklas Maak

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Zwei Gelegenheiten für Fritz Wiegmann :  1933…..

Mit Ende Zwanzig war Fritz Wiegmann an einen Punkt gekommen, wo er als Kunstlehrer und populärem Ausstellungsdesign im Team engagierter Sozialmediziner erfolgreich war („Gesunde Nerven“ LINK). Seine kleinformatigen kubistischen Stilleben waren perfekt und erreichten New York (LINK).  Er versuchte sich überzeugend in Theaterdekoration (LINK). Von seinen figürlichen erotisch aufgeladenen Kompositionen, die ich in Reproduktion gesehen habe, würde ich das allerdings nicht sagen (LINK später). Lauter Sackgassen im Schicksalsjahr 1933. Und der junge Mann suchte sich Hilfe ‚an höchster Stelle‘, bei den „alten Meistern“.

Ich bemühe mich seit langem, Wiegmanns Ringen um seinen persönlichen Stil nachzuvollziehen. Im bereits früher zitierten Interview des Peiping Chronicle Anfang 1936 beschrieb er seine Situation so:

* Peiping Chronicle 16.2.1936   Ausschnittthe-peiping-chronicle-16-2-1936-ausschnitt

„….. Die spanische Schule des Velasquez, die französischen Schule Cezannes und die italienische da Vincis waren für ihn Offenbarungen. Deren Studium brachte ihn dazu, sich ihrer Führung und Inspiration zu überlassen und der Schule der Moderne, die er kannte, den Rücken zu kehren. Auf seinen Reisen durch diese Länder nahm er die moderne Entwicklung von diesen alten Meistern aus in den Blick, und er entwickelte das größte Interesse an ihrer Wirkung auf die Kunst der Gegenwart. Als Resultat machte er eine Synthese alles dessen und entwickelte seinen persönlichen Stil.

 

Zbigniew Herbert (1924 – 1998)

Ein „das Seelchen“ betitelter Essay von Zbigniew Herbert – genauer ein Textauszug in der regierungsamtlichen Broschüre „Herbert“ zu Ehren dieses polnischen Intellektuellen und Dichters – führt uns auf einen gedanklichen Umweg, der lohnt.

EINE DER TODSÜNDEN DER ZEITGENÖSSISCHEN KULTUR IST, DASS SIE kleinmütig einer frontalen Konfrontation mit den höchsten Werten aus dem Wege geht. Und auch die arrogante Überzeugung, dass wir auf Vorbilder (sowohl ästhetische wie auch moralische) verzichten können, denn unsere Lage in der Welt ist angeblich außergewöhnlich und mit nichts vergleichbar. Deshalb lehnen wir die Hilfe der Tradition ab, versinken immer tiefer in unsere Einsamkeit, graben in den dunklen Winkeln unserer verlassenen Seele.

Es besteht die falsche Meinung, dass Tradition so etwas wie Erbmasse ist, die man automatisch erhält, ohne Anstrengung, deshalb sind diejenigen, die gegen Vererbung und unverdiente Privilegien sind, gegen die Tradition. Allerdings erfordert jeder Kontakt mit der Vergangenheit Mühe und Arbeit, die außerdem schwierig und undankbar ist, denn unser kleines ,,Ich“ schreit und wehrt sich dagegen.

Ich habe mir immer gewünscht, dass mich der Glauben nicht verlässt, dass große Geisteswerke objektiver als wir sind und dass sie uns beurteilen werden. Jemand hat richtig gesagt, dass nicht nur wir Homer lesen, die Fresken Giottos bewundern, Mozarts Musik hören, sondern dass Homer, Giotto und Mozart uns betrachten, uns hören und unsere Selbstgefälligkeit und Dummheit wahrnehmen. Arme Utopisten, Debütanten in der Geschichte, Brandstifter von Museen, Vernichter der Vergangenheit, die jenen Wahnsinnigen ähneln, die Kunstwerke zerstören, weil sie ihnen nicht ihren Frieden, ihre Würde und ihre kühle Ausstrahlung verzeihen können.

Das Seelchen lAuszug, in:) Das Labyrinth am Meer (2000, S.91, Übersetzer ungenannt)

Wiegmann konnte 1933 noch nicht wissen, welchen Preis er in der Nachkriegszeit für seine Entscheidung zur Unabhängigkeit zahlen sollte: Unsichtbarkeit

 

….. und  1964

Niklas Maak ( FAZ vom 21.8. 2003)

Die Strichstreiche der Genies“ betitelte Rezension von Niklas Maas einer Ausstellung im Palais Rohan, Straßburg von Ölskizzen des achtzehnten Jahrhunderts ist nicht nur eindrücklich illustriert ( Foto Katalog aus der Ausstellung „Triumph der Geste„).

Seine Begeisterung über die der Verborgenheit entrissenen zwei Jahrhunderte alten „Ölskizzen“ ansteckend,  rhetorisch im Kleid des üblichen Fortschrittsoptimismus: Untertitel „Hier beginnt ja schon die Moderne“.

Maak kontrastiert  in temperamentvollen Bildbeschreibungen  mutige „Entwürfe“ und „fertiges Bild„,  er registriert den „Verlust der Leichtigkeit“ bis hin zur schieren „Lustlosigkeit“ bei der „langwierigen Ausführung“ für ein „Publikum“, das (…) kein Verständnis für Unfertiges hatte„, angeblich „anders als der heutige, von der Moderne geschulte Betrachter, der die Abstraktionskraft der Skizzen als eigentliche künstlerische  Leistung feiert„.

Anstelle des „geschulten Betrachters“ treffe ich häufiger auf den „beschulten“, welcher weiß, wie man in der jeweiligen Ausstellungsumgebung als Kunstkonsument korrekt zu reagieren hat. Ist „Abstraktion“ per se „Fortschritt“?  Wiegmanns Landschaften haben – etwa in „Kunsthandlungen“ – noch keineswegs von dieser ‚modernen‘ Wertschätzung profitiert. In der Kunstbetrachtung ist vielleicht das gedankenlose Fortschrittsdenken kombiniert mit der Vorstellung himmelstürzender „Kunstrevolutionen“ (LINK) – unausrottbar.

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