Fritz Wiegmann Ölstudien vom Thunersee (Kanton Bern)

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Meine erste Ordnung der Landschaftsstudien im November2022 orientierte sich an der Topografie der Gegend um den ThunerSee  (LINK) und überraschte mich mit dem Ergebnis, dass die Bilder weniger ‘freier’ Phantasietätigkeit entsprungen waren, als in intensiver Auseinandersetzung mit der Berglandschaft ‘realistisch’ erarbeitet wurden. Dass in ein paar Mappen ganze Serien dieser Studien verfügbar sind, macht für mich ihren ideellen Wert aus. So erübrigte sich auch die Frage, ob sie vor der Natur oder im kleinen Hotelzimmer oder gar im Frankfurter ‘Studio’ entstanden sind. Die Frage hatte mich zunächst beunruhigt.

Ich gebe nachfolgend ein paar der Entdeckungen – die eines Laien wohlgemerkt – aus zeitlicher Distanz wieder.

THUNERSEE

L 1 + L 58 mit Stockhorn (2190m hoch)

L 1 50×40,5 cm – Waldblick auf den See von der Harder Kulm

L  1 – Eine im Ensemble untypische Längsansicht des Sees, undatiert und nicht signiert : Überzeugend , aber ‚deutsch impressionistisch’ : Die zarte Grundierung wird teilweise zur Wasserfläche, die nur teilweise weiß übermalt ist. Transparenter Pinselstrich, aber feucht über trocken. Ich muss immer an die Berliner Seen denken. Vor dem Himmel oben könnten sich Berge leicht abheben, das Stockhorn etwa.

L 73 – Jetzt bildet der See einen Kreis, ist aber nicht leer: die Wasserfläche repräsentiert den Himmel, der oben mit lebhaftem Weiß die ruhige Wasserfläche wiederholt, und als hellster Ort des Bildes den Blick dazu animiert, im Uhrzeigersinn darauf zu wandern. Mit Lichtführung kann man die Aufmerksamkeit lenken. Rauhe trockene breite Pinselstriche und pastoses Weiß verbindet L 73 mit  L74. Elemente sind an den Ufern sichtbar, die in jedem Bild in neue Beziehungen eintreten.

L 73_30x40-P

L 74_30x40 – P

L 74  – großartig reduziert in den topografischen Landschaftsdetails, die auch farblich zurückgenommen sind. Grautöne. Das ‚Quintett’ der Erhebungen vor und hinter der Ebene von Spiez verlagert den Fluchtpunkt der Perspektive nach links oben, wo Schneeberge in den Himmel übergehen. Auch die Grenzen des Sees verschwimmen. ‘Richtig’ sind die angedeutete Bucht von Faulensee links und das zurückweichende Ufer rechts in Richtung Thun verortet. Der Standpunkt liegt weiter rechts beim Ausgang des Grönbachtals unterhalb des Niederhorns (Merlingen ist zu ahnen) und nutzt links den absteigenden Abbruch eines Tannenwaldes und rechts den schroffen Felsabsatz mit Tannen (oft wiederholt). Die im Bildausschnitt realisierte Umrahmung weist in vier Richtungen nach außen: oben die Niesenschulter nach links, rechts weist das Stockhorn wie ein Finger nach oben.

L 49 – Die Fahrstrecke von Merligen (Detail Kirchturm) nach Faulensee vor der Bergnase zeichnet eine Waagrechte; Licht ist auf der Seefläche und hinter dem Stockhornfinger  konzentriert. Hinter dem Niesen zieht ein Unwetter auf. Diagonal nimmt ein Boot Kurs auf die verdeckte Beatenbucht unten links.

L 49   50x 39

 

L 51 + L 17                       Zwei Panoramen mit Niesen (2561m)

L 51 40x50cm Karton

 

L 17 See-Panorama 5,2×34 im Passepartout

Eine geniale Skizze mit der Anmutung einer chinesischen Bildrolle. Je nach ihrer Höhe blaue konturierte Berge (Niesen, Stockhorn) oder die Schneefelder der Dreitausender. Die Bucht von Spiez ist perspektivisch schlüssig eingefügt. Rechts geht ein starker Regenschauer herunter , links wirbelt Schnee. Der See erstreckt sich über die ganze Breite, ohne dass man es merkt.

 

P 56  Morgendliche Nebelfetzen in den Vortälern des “Dreigestirn”

L 56 30×40 “W” etwa 1965

Die Lebhaftigkeit des Geschehens in der Kühle eines Vormittags. Eine hohe Wolkendecke  dämpft die Farben. Die aufsteigenden Nebelfetzen vor und zwischen den Vorbergen wechseln zwischen weiß und grau. Sie sind die Attraktion. Die Viertausender im Hintergrund wirken alles andere als majestätisch. Jungfrau und Mönch stehen dicht beisammen, dazwischen das Jungfraujoch; am Eiger ist die verschattete Nordwand angedeutet. Die Seefront wird vom  langgezogenen Schulter des Morgenberghorns abgeschlossen. Dahinter blickt der Sülwald (1520m) als Spitze vor dem mächtigen Lauberhorn (2472m) hervor.

 

 

Die ruhigen Pinselstriche der oberen Bildhälfte…

 

 

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… kontrastrieren zu den lebhaften der bewaldenen Hänge und sich  frühlingshaft von Braun zu Grün färbenden Almen. Ein Schneefleck und mindestens ein Hausdach (r) darf  man sich vorstellen.

 

FORTSETZUNG  ( LINK):

  “EXPRESSIONISTISCHE” WETTERDRAMATIK AM DREIGESTIRN

JUSTITAL UND KÄNZELI

 

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