Modellschule und Musterbetrieb – zwei Welten in der Volkrepublik Polen (Reise 1976)

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PERSÖNLICHES VORWORT –  20. NOV. 2023

Ich hatte 1973 mit einer geführten China-Gruppenreise eine dreiwöchige Erfahrung  gemacht, war also vertraut mit  Selbstdarstellung und Eitelkeiten (nicht nur) autoritärer Staaten.

Die Volksrepublik Polen erschien ohnehin als eine andere Welt, eben europäisch. Die DDR kannte ich noch überhaupt nicht. Das kommunistische Projekt gänzlich abzuschreiben, soweit war ich noch nicht, verhielt mich auch gegenüber China abwartend.  „Revisionismus“ war bei mir aber unten durch. Anstatt mich an den Spielräumen der Intelligenz zu freuen, nervten mich die Privilegien der Funktionäre, die uns begegneten.

Dass das Regime die wirtschaftlichen Defizite bis zum Ende nicht in den Griff bekam, führte periodisch zu heftigen Arbeiterprotesten, auch 1976 wieder. Armut und Verschmutzung nahmen wir hauptsächlich durch die Fenster des Reisebusses wahr. Oder als gigantische Siedlungsfronten in Form von Baustellen und Konsumwüsten.

Meine Sympathie galt auch den dickköpfigen polnischen Bauern, die man lange vergeblich in Rente schicken wollte, weniger den Apparatschiks, die mit modernem Gerät und großen Viehställen gegenüber den Besuchern prunkten. Ich hatte bereits zu viel über sozialistische Kollektive gelesen. Anrührend war das gelegentliche Bild alter Frauen, die allein auf weiter Flur ihre Kuh weideten, übrigens bis weit in die achtziger Jahre zu sehen.

Im nachhinein habe ich den Eindruck, dass der soziale Graben sich bis in die Gegenwart erhalten hat und im lange erfolgreichen Regime der PIS resultierte.

 

MUSTERSCHULE , ANGENEHM ENTSPANNT

Modzelewski -Schule Besuch im Deutschunterricht 1976

Die Modzelewski-Schule in einem wohlhabenden Viertel (suburbs) Warschaus, wie mir jetzt bewusst wird, war in der Tat eine Vorzeigeschule. Die wohlerzogenen Schüler und Schülerinnen nahmen den Besuch entspannt. Beeindruckend: Nach der großen Pause stellten sie sich brav vor dem Klassenzimmer auf. Hinter ihnen im Flur hingen linientreue holzschnittartige Kunstprodukte einer unvermeidlichen DDR-Partnerschule, aber in seinem Fachraum signalisierte der Deutschlehrer, was Deutschland auch war: eine bis zu Hitler anerkannte Kulturnation. Über ihm schwebte schützend der polnische Adler, das Kreuz wäre noch gut zwei Jahrzehnte verfrüht gewesen. In den achtziger Jahre besuchte ich zwei- oder dreimal wieder die  Modzelewski-Schule mit meinen Kronberger Oberstufenschülern.  Die Eindruck war jedesmal positiv. Keine Vorführstunde mehr, sondern offener Meinungsaustausch unter den Schülern. Dann ergaben sich auch private Verabredungen unter den Jugendlichen.

Modzelewski-Schule – Aufstellen zum Pausenende vor dem Deutsch-Fachraum

Modzelewski -Schule – Schülerarbeiten aus der DDR-Partnerschule im Flur 1976

Modzelewski -Schule Deutsch-Raum Sprachlabor 1976

Modzelewski -Schule Deutsch-Raum

 

MUSTERBETRIEB

Führung durch einen polnischen Staatsbetrieb, der damals Gefrierobst und -gemüse bereits nach Westdeutschland liefert: HORTEX in Plonsk. Mein Protokoll (nur Typoskript, vergrößern durch Anklicken; am Ende folgen zwei Fotos)

Die Arbeit der Frauen unter Kälte erinnere  ich bis heute, obschon solche Arbeitsbedingungen mir inzwischen oft begegnet sind und wir seit einem halben Jahrhundert im Supermarkt davon profitieren. Gefrierkost ist als Konservierungstechnik nicht mehr wegzudenken.

Protokoll HORTEX Plonsk 24.6.76 – Typoskript

Hortex Plonsk 1976 Kältebereich

Hortex Plonsk 1976 Spinat und Blumenkohl

Protokoll HORTEX Plonsk 24.6.7 – Notizblatt : Versuch, Plakate zur Arbeitsdisziplin besser zu verstehen. Die Plakate richten sich offensichtlich an Männer, die nur eine Minderheit in Bereich der technischen Organisation und Hilfsarbeiten darstellten. „Piwo“ bezog sich auf den Bierkonsum am Kiosk. Ich bezog die Plakate auch auf den marxistischen Kritiker des „Staatssozialismus“ Charles Bettelheim: „Klassenkämpfe in der Sowjetunion“  (LINK zu wikipedia).

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