‚Fetische‘ und ‚Wahrsager‘ um 1875 an der Loango-Küste

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Adolf Bastian (1874)* und Eduard Pechuel-Loesche(1875/76) erzählen von „Fetischen“ (Minkisi) und „Ganga“(Experten) an der Loango-Küste.

I

*Adolf Bastian 1826-1905 – 1873 Mitgründer des Königlichen Museum für Völkerkunde, Berlin – erster deutscher ‚professioneller‘ Ethnologe > https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Bastian

Mit MacGaffeys Aufsätzen über Minkisi war ich sehr zufrieden. Sie klären auf, ordnen ein, aber es bleibt zu wenig davon im Gedächtnis haften. (LINK)

Sogar „flüchtige“ Eindrücke vor Ort eines neugierigen Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts bieten mehr als nur ‚lexikalische’ Zusammenfassungen: die Bedingungen der Beobachtung, exotische Namen und Erklärungen, welche afrikanische Gewährsleute vermitteln – denn die Reisenden oder Kolonialisten verstehen selber die lokalen Sprachen nicht – und die subjektiv gefärbte Wahrnehmung, eben den Augenschein.1884

Tipoyzug Nachlass P.-L.

Wissenschaftstourismus? – Na und?

Gebietskarte m. Chiloango P.-L. 1884

 

Im 1874 veröffentlichten Reisebericht von Adolf Bastian „Die deutsche Expedition an der Loango-Küste“ begegnen mir zunächst beiläufige Reiseeindrücke.

Bastian durchzieht mit seiner Gruppe von ihrer Basisstation aus die Umgebung der Chiloango-Mündung, eine seit langem von fremden Faktoreien erschlossenen Küste und begegnet immer neuen Minkisi samt ihren Betreuern, den Ngangas.

 

Ilombo

„…. Als Priester der Mutter Erde wacht der Ganga Ilombo an dem aus Thierschädeln aufgebauten Ilombo über das Gedeihen der Pflanzen und regelt unter den metereologischen Verhältnissen besonders das richtige Einsetzen des Regens.

Als wir die Insel, auf einem Boot hinüberfahrend, besuchten, trug der Mancaca, der Gerichtsherr des Dorfes, Bedenken , uns das Ilombo zu zeigen, da der Anblick desselben jeden tödten würde, und obwohl wir dieses Risiko tragen wollten, stand doch die weitere Einwendung entgegen, daß der Dämon durch einen unvorbereiteten Besuch sich erzürnen möge und dann die Ernten darunter leiden möchten. Zum Ersatz wurden wir im Busch außerhalb des Dorfes zu dem Mokisso Umpindi geführt, einem verdorrten Baumstamm unter einem Strohdach, bei dem in bestimmten Jahreszeiten die Beschwörungen angestellt werden. Auch hier war es nöthig, die vielleicht in dem Besuch der Weißen liegende Beleidigung durch einen Tanz zu sühnen, und der Dorfälteste ließ deshalb die Frauen und Mädchen herbeirufen, da das weibliche Geschlecht auch mit geschlechtlicher Fruchtbarkeit beauftragten Gottheit in besonderer Gunst steht. Der Vorsänger nahm seinen Platz auf der langen Trommel, die mit den Händen geschlagen wird, und als der Ganga sein Lied anhob, begannen die Weiber nach verschiedenen Seiten hin in die Höhe zu springen und umtanzten dann den dürren Stock, wobei sie darauf Bedacht nahmen, demselben vorzugsweise den nach hinten vorstehenden Theil des menschlichen Körpers zuzukehren. Auf diese selbe Localität versetzte sich der Dorfvorsteher einen Klaps. Um damit die Beendigung der Ceremonie zu bezeichnen. (38/39

Der reine Wissenschaftstourismus! (vgl.“Minkisi“ 2012, p.53) Die Souveränität, mit der die kulturbeflissenen Europäer vom Dorfchef sowohl auf Distanz gehalten wie in ihrem Forscherdrang befriedigt werden, verdankt sich langer Geschäftsbeziehungen mit Europäern an den Handelsstationen. Man weiß, was ‚die Weißen‘ brauchen. Die Begegnungen sind entspannt und höflich.

YOMBE Frauenfigur 60cm, August 2023 erworben

Im Dorf macht er beiläufig eine überraschende Beobachtung, die mir eine kürzlich erworbene Frauenfigur der in der Gegend ansässigen Yombe ‚erklärt’:

An einem der Häuser fand ich einen mit Schnüren zusammengebundenen Sack, der Frauen bei schwerer Geburt angelegt wird, um diese zu erleichtern. Vor einem anderen Hause stand unter einem Strohdach ein Topf, als der Fetisch Bumba, und davor ein Pflanzenstrauch….“ (39)

(Mit einem Mal löst sich mir der angebliche Widerspruch auf, die Ausstattung der Frauenfigur wird schlüssig. Sie könnte sich im Besitz eines oder mehrerer Gangas befinden und in der kritischen Zeit im Innern des Hauses von Wöchnerinnen aufgestellt worden sein. Ob die übereinander gefalteten Hände einen Behälter verdecken, welcher im rechten Innenschenkel mit Harz verschlossen ist, würde ich gern überprüfen lassen.

(41/42)  Auf dem weiteren Weg bemerkt Fabian:

Auf dem Wege zu dieser Quelle (hart am Seestrand von Landana) begegnete uns beim Aufsteigen des Hügels eine feierliche Procession, in welcher der dem   Fetisch Umschiti dienende Ganga-nsie (der Priester des Erdbodens), zu einer im nahegelegenen Dorfe wegen der Ermordung eines Sklaven abzuhaltenden Versammlung, zwei seiner Götzenfiguren tragen ließ. Die eine derselben, mit Holznachbildungen von Gewehren und Säbeln behängt und mit einem Spiegel versehen, war Umkwanje, der die // Zauberer oder Fetissero verfolgt und tödtet. Die andere, Simbuka genannt, der für magische Zwecke Nägel eingeschlagen werden, trug an einen Säbel an der Seite und das Gesicht war auch einen Lehmklumpen dargestellt, denen man Augen und Ohren angemalt hatte. Von den als Träger fungierenden Sklaven stammte der eine aus Tschibembe (jenseits Mayumbe) und war auf dem Oberkörper mit zierlichen Figuren tättowiert. Auf der Höhe des Hügels zeigten aufgeworfene Gräber, auf denen Topfgeschirre standen, den Begräbnisplatz des nahe gelegenen Dorfes Shintschotscho.  

 

In der Nähe von Salinen liegen die Dörfer von Judeos oder Mavumbu, die Fabian als „schwarze Juden“ (42) paraphrasiert. Er hat von denen bereits gehört und ein ihn begleitender „deutscher Maler“ spricht ihm gegenüber „seine Verwunderung aus, daß diese Negerphysiognomien so viele semitische Züge hätten“. Fabian kann sich mit der Feststellung revanchieren, daß diese semitischen Neger auch im Lande als Juden bezeichnet würden. Ich selbst hatte diese den meisten der fremden Händler unbekannte Notiz nur gelegentlich erhalten.“ (43) Der ethnologischen Pionier lässt den Leser an seinem Triumph teilhaben. Eine andere Stammesbezeichnung aus der Gegend ist weniger skurril: die Krumanos. „Kru“ hießen die oft aus Guinea stammenden schwarzen Matrosen, auf europäischen Schiffen anheuerten und bis hinunter zur Kongo-Mündung fuhren, meist nach ein paar Jahren sich wieder zuhause absetzen ließen, aber auch anderswo niederließen. Ihre Geschicklichkeit im Umgang mit Kanus auf offener See war legendär. Max Buchner erwähnte sie in Kamerun im Zusammenhang mit den Bootsrennen der Duala (Link).

Dt. Station Chinchoxo – P.-L.

 

 

Dt. Station Chinchoxo, Cabinda – Brandung P.-L.

 

 

 

 

 

 

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Die Seiten 44,45,46,47,…. Die abstrakt registrierte Fülle an „Fetisch“-Individuen wird punktuell augenfällig, ebenso die Landplage des Schadenszaubers, eine der vielen Ideologien, mit der sich die Menschheit um den bitter nötigen sozialen Frieden bringt.

Die Darstellung eines Exorzismus im Dorf Chicambo über mehrere Seiten (pp.54-59) erinnert mich an die von Eric de Rosny geschilderten Veranstaltungen in Duala  (LINK zum Blog)

 

Bemerkung

Bemerkung, bevor ich die entsprechenden Auszüge zitiere, die eine gewisse Geduld verlangen, aber längst nicht Peschuels Geduld während einer ganzen Nacht.

Sie werden wohl bei der folgenden Schilderung – wie ich – den Eindruck gewinnen, sie sei nicht nur respektlos im Ton, sondern auch verständnislos und deshalb nutzlos. Aus einem Aufsatz von David Zeitlyn  – „Divination and Ontologies – A Reflection“ im Berghahn Open Anthro (ZEYTLIN social-analysis-sa650208.pdf) ziehe ich den Schluss Wir unterstellen exotischen Fremden leicht übertriebene Erwartungen an die Methoden und Aufgaben von  „Wahrsagern“ und ihre Diagnosen. Ich werde darauf noch eingehen, bin auch im Kontext „Fetisch, Homöopathie, Placebo“ der Sache bereits näher gekommen, (LINK) Sie bitte hier nur um aufmerksame unvoreingenommene Lektüre. (28.3.24)

 

Bastians Beobachtungen

(54:)…..Während meines Aufenthalts in Chimbango kam es vor, daß man wegen eines Kranken, der an periodischen Anfällen litt, einen Zauberpriester, um ihn zu curiren, hatte rufen lassen, und so war eine gute Gelegenheit geboten, die Proceduren dieser Ganga zu beobachten. Nach Anbruch der Dunkelheit hörte sich der Ton der Trommel und dann schlugen auch die übrigen Instrumente an, und als wir an dem zunehmenden Lärm bemerkten, daß die (55:) Sache im Gange war, begaben wir uns nach dem Dörfchen, worin innerhalb der Factorei die Krumanos zusammenlebten.

In einem aufgeschlagenen Mattengemache saß der Kranke zwischen seinen Freunden im Hintergrunde, und vor ihm eine Reihe von Musikanten, die lustig auf ihren Instrumenten, Trommeln, Bambus-Guitarren (Sambe), Klappern, Holzbecken u.s.w. losspielten und einen Höllenlärm zu Wege brachten. An der Hüttenseite links von dem, und vor dem Kranken hockte der Ganga, damit beschäftigt sich das Gesicht zu bemalen, roth die Nase, gelb die Stirn, schwarz die Backen, und wurde er in dieser Operation von seiner neben ihm sitzenden Frau unterstützt, die Matrone seines Harems, die als dem Fetisch vermählt, allein das Recht hat, diesen zu handeln. Vor der Hütte brannte ein großes Scheitfeuer, und aus der Ferne sah man durch das Dunkel die schwanken Lichter eines Fackelzugs sich nähern, wodurch ein zweiter Ganga herbeigeführt wurde, dessen Begleiter in phantastischem Kopfputz ausstaffirt waren. Als die beiden Auguren in der Hütte zusammengetroffen waren, wurde ihre Zauber- und Medecinsäcke (Kutu) gegenseitig geöffnet und die Farben zum Bemalen geprüft. Dann schwenkte man feierlich die mit magischer Kraft gefüllten Fellbündel über dem Feuer, wohin ein Räucherwerk geworfen war, und hing sie unter mehrfachem Anblasen an der Wand neben einander auf, um dort vor ihnen die Fackeln zu schwingen, während auch die Götzenfiguren geordnet und in Reihe und Glied gestellt wurden. (56:)

Alles war somit vorbereitet und fertig für die dämonische Manifestation, die sich nun an dem einen Priester kund gab, indem derselbe unter einem von dem Chorus beantworteten Gesan von einem convulsivischen Hin- und Herschwingen des Körpers ergriffen wurde und in wilden Sätzen emporsprang, tanzend und stampfend, während er die Fetische vor dem Kranken rüttelte und schüttelte. Sein Confrater, auf der Erde sitzend, ahmte die Bewegungen des Aufrechten nach und begleitete sie mit ähnlichen; dann aber, als die Drehungen und Wendungen rascher, heftiger und immer heftiger wurden,ward auch er emporgerissen, und nun tollten beide bei dem lauten und lauteren Getobe einer betäubenden Musik in der engen Hütte, über und zwischen den Feuern, zwischen und über Töpfen, Kisten und Kasten, über, durch und zwischen Zuschauer hin und her, ohne indeß sich selbst oder einen der Anwesenden zu verletzen, bis sie dann unversehens aus der Hütte eilten und im Dunkel der Nacht verschwanden, um dort geheime Berathung zu pflegen. Allmählig kehrte der eine der Ganga zurück, eine Fackel tragend, mit der er die Hütte umlief, um die Fetische zu rufen, und dann begab er sich in den nahen Wald, aus dem er erst nach geraumer Zeit, mit Büchen behängt, wieder hervorkam. (57:)

 Der andere Ganga, der auf einem niedrigen Stuhle seinen sitz genommen hatte, war von einem eigenthümlich zuckenden Hin- und Herschießen des Oberkörpers ergriffen und von einem convulsivisch gealtsamen Schütteln des Kopfes, der, bei zunehmender Heftigkeit, wie vom Rumpfe abgetrennt umherzuwackeln schien. Plötzlich, mit Aufhören jeder Bewegung, saß er starr und steif da, zugleich verstummte die laut schallende Musik und Todtenstille herrschte im Raum. Jeder horchte auf, als sich eine feine, schrille Discantstimme vernehmen ließ, indem der Ganga mit verstellter Zunge zu sprechen begann und im Namen des in ihn eingefahrenen Dämon die Frage stellte, weshalb man ihn gerufen. Der Chor gab Antwort, und es wurde nun eine sonderbare Unterredung geführt, die mit Pfeifen, Flöten und allerlei Getön beständig unterbrochen war.

 Als nun Alles erzählt und dargelegt war, wie die Krankheit begonnen und wie sie sich zeige, begann der Tanz auf’s Neue unter krampfhaftem Zappeln der Glieder, unter Stampfen und Getramp, und während der eine Ganga hin und her raste, begleitete ihn in allen Bewegungen sein auf der Erde sitzender College, und hinter diesem saß sein Schüler, der wieder seinem Lehrer nachahmte, in allem was er that.

  Jetzt kam noch ein dritter Ganga aus dem nächsten Dorf hinzu, der sich sogleich, nachem er rasch das Bemalen des Körpers vollendet, an dem Tanz betheiligte und tollkühn mitten in das Feuer zu springen schien, aus dem er ein brennendes Scehit aufraffte und mit denselben (um die (58:) Augen aufzuhellen) durch das Gesicht, dann damit um seinen Hals hinfuhr, wobei man ein helles Aufflackern bemerkt, als ob all’ sein Haar in Flammen stünde. Seinen Feuertanz begleitete einer der anderen Ganga mit einem Tanz der Fetisch, die er in der Hand umherwirbelnd sich durch die Schulterhöhlen strich, zwischen den Beinen durchzug, um das Gesicht legte u.s.w.

 Nach Wiederholung ähnlicher Proceduren, die manchen Schweißtropfen kosteten, geriet dann auch der zuletzt gekommene Ganga in den Zustand der Besessenheit, sprach gleichfalls mit verstellter Stimme, und verkündete, nachdem er über die Krankheit unterrichtet, als Ausspruch seines Dämons, daß für den Beginn der Heilceremonien ein aus Baumwolle, Pulver und Oel bereitetes Milongo oder Zaubermittel nöthig sein würde.

 Wir zogen uns nach Mitternacht zurück, aber der Lärm dauerte fort bis zum nächsten Morgen und beruhigte sich erst mit dem Tageslicht. Als ich am Morgen aufgestanden war, fand ich die etwas abgespannt und angegriffen aussehenden Ganga noch auf der Stelle ihres nächtlichen Tanzplatzes und damit beschäftigt, ihre Zaubersachen zusammenzupacken. Ich ließ mir die Fetischfiguren zeigen, die meistens Mützen mit kleinen Spiegeln über der Stirn trugen, während der Hauptfetisch mit einem großen Hut bedeckt war. Unter den Assistenten der Ganga fand sich ein Buckliger, der Einzige im Lande, der deshalb als Fetisch (als Prodigium oder Monstrum) galt. Er war von seiner Mutter in dieser Entstellung geboren, weil dieselbe die dem (59:) durch eine Trommel repräsentierten Fetisch Chimbuka schuldigen Quirilles gebrochen.

Der Patient saß am Morgen noch auf demselben Platz, an dem ich ihn am Abend gesehen hatte, mußte sich aber, als die Sonne höher stieg, von seiner Matte erheben und nach der schlaflosen Nacht, die er seinen Aerzten verdankte, an die Tagesarbeit begeben.

 Nach der ihnen durch den Dämon eingeblasenen Inspiration hatten die Aerzte die Nacht zuvor dahin entschieden, daß die Krankheit verursacht sei, weil der der von ihr Ergriffene eine durch die Quirilles seiner Familie verbotene Speise gegessen, und so den fetisch, der ihn jetzt strafe, beleidigt habe. Indes war diese Diagnose nicht ganz sicher, da sich bei der Consultation der drei Priesterärzte einige Meinungsverschiedenheit kund gegeben hatte, und da sie wünschten, daß der Patient das volle Beneficium ihrer Kunst genießen möge, begann der Teufelstanz die nächste Nacht auf’s Neue.

 Diesmal saß der Kranke am Feuer außerhalb der Hütte und in derselben sangen mit gedämpfter Stimme die Ganga murmelnde Lieder bei eintönig dumpfer Musik. Rings um die Hütte waren Schwerter aufgesteckt, und mit einem solchen sprang bald der eine, bald der andere Ganga durch das Feuer.Zu Zeiten traten einige Acteure aus der Hütte, um in einiger Entfernung von derselben aus einer bauchigen Pfeife den betäubenden Hanf (Liamba) zu rauchen, während wieder die Boka genannte Wurzel gekaut wude, um den Schlaf zu verscheuchen. (59)

 

Reprint

Das originale Bibliotheksexemplar konnte ich bloß vor Ort konsultieren – und entsprechende Seiten fotografieren. Man kann heute ein Reprint von www.Forgotten Books.com käuflich erwerben. Das Versprechen “Read Online“ oder “Download PDF“ erfüllt sich nur für Abonnenten dieser britischen Plattform. Wer braucht aber „1,000,000Books“? (Das nebenbei bemerkt. )

 

II

 

Ein anderer prominenter Teilnehmer der Expedition, Eduard Pechuel-Loesche, hat Tagebücher verfasst, die von Beatrix Heintze herausgegeben und gut eingeleitet wurde und als freies pdf vom Frobenius-Institut 2011 ins Netz gestellt worden ist. Ich konnte es über http://bibliothek.frobenius-katalog.de/ herunterladen, oder direkt über https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/22980/file/Pechuel-Loesche.pdf

 Anekdote aus dem Tagebuch 5 (24. Februar – 30. April 1875) S.111-112

Seit Wochen fehlten Ph[illips] zwei graue Papageien; vor einigen Tagen ein dritter. Er schickte nach dem berühmtesten, mächtigen und gefürchtetsten Diebesfetisch, s Mandemba von Mahala. Er kam nicht, weil Neger hier das nicht wünschten. Ph[illips] sagt seinen Leuten: Keine Löhnung mehr, bis Fetisch hier gewesen. Heute kam derselbe. Ca. 2 1⁄2 Fuß hoch, Oberkörper mit hunderten, vielleicht Tausenden von eingeschlagenen Nägeln, einzelnen verstreuten Messern, Meisseln, Nagelbohrern und anderem spitzen Eisenzeug bedeckt. (Jedes eingeschlagene Eisenstück = einem Zauberakt, oder einer Schamanen-Vorstellung [eingefügt:] (und, nach Glauben der Neger[,] einem gestorbenen Diebe). Fetisch ohne Ehrerbietung behandelt, vor Haus auf Erde gestellt. Zauber soll beginnen. Da! Zeichen der Macht des Fetisches! oder wie sehr er gefürchtet. Prinz nächsten Dorfes bittet: nicht zu zaubern (verursacht Tod des Diebes) wolle Palaver halten für Diebe. Lange Verhandlung, endlich: Diebe zahlen Strafe an Ph[illips]: = 4 schöne Papageien und 60 Gallonen Oel (à 1 s 4–8 d). Ich hätte nicht so viel Einfluß eines Fetisches erwartet; die Diebe haben vor Angst das 40fache des gestohlenen Vogels ersetzt.

Ich aber habe das Beste von der Sache. Während dem Palaver habe ich, auf der Verandah des Hauses (1 Tr[eppe] hoch) gedeckt sitzend, den berühmten Fetisch in aller Seelenruhe aquarellirt. Wenn die Zauberer das gemerkt, wären sie sofort sammt ihrem Rummel davongelaufen. Falkenstein hat den Fetisch vor einem Jahre photographiren wollen, da sind die Prinzen alle viele stundenweit hergekommen, haben nach langem Palaver verlangt: 60 Cortados, 5 Gallonen Rum. Der unerhörten Forderung ist natürlich nicht Folge geleistet worden. Nun habe ich den Kerl umsonst, und ein sehr treues Bildnis ist es auch geworden.

Pechuel-Loesche Tagebuch Loango S.112 Mabiala mu ndemba

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