Männer und Frauen bei den Yanzi (RDC, Bandundu) – Lesenotizen zu J.F. Thiel

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Josef Franz Thiel: Jahre im Kongo – Missionar und Ethnologe bei den Bayansi, Otto Lembeck Verlag, Frankfurt/M 2001

 

Vorbemerkung

So bescheiden das Buch auftritt, so wertvoll ist es für einen Leser, der keine vergleichbare Erfahrung gemacht hat. Der Begriff „Feldforschung“ deckt ja vieles ab, doch in diesem Fall greift er zu kurz.

Der Verlag der Erstauflage existiert nicht mehr.  JustBooks.de listet im November 2018 nicht einmal zehn Exemplare, Preise nicht unter 100 €. Vielleicht wird es ja neu verlegt, wenn der Markt leergefegt ist, und sei es als E-Book.

Ich las das Buch vor einem Jahr und verfasste ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit einem thematischen Schwerpunkt, der nicht der des Verfassers ist: Männer und Frauen bei den Bayansi. Und doch ist er in der Darstellung wie in der Erfahrung des Missionars Thiel angelegt.

Im Unterkapitel „Initiation in die Buscharbeit“ fällt der Satz: „Einen festen Vorsatz habe ich aus meinem Buschbesuch mit Paul in Kindongo mitgenommen: Fragen der Ehe und der Sexualität dürfen nicht die Leitidee meiner Arbeit im Kongo werden! Moralisches verhalten gehört zwar zum Christsein, aber viel wichtiger ist es, die Kernsätze des Evangeliums zu verkünden, und die handeln, weiß Gott, nicht von der Region des Unterleibs!“ (1.Kapitel, S.41)

‚Jahre im Kongo‘ Foto18

Toleranz und Freimut kennzeichnen das ganze Buch. Ich war beim Lesen öfters irritiert über Themenvielfalt und einen unsystematischen Wechsel der Themen, Schauplätze und Ebenen. In keiner akademischen Studie käme der Verfasser damit durch. Auf eigene Art war das Buch bereits bei seinem Erscheinen 2001 ‚unmodern’ und ‚populär’, oder sollte ich sagen: zeitlos und persönlich?

Bisher kam ich noch nicht auf die Idee, nach den Adressaten von „Jahre im Kongo – Missionar und Ethnologe im Kongo“ zu fragen. Ich möchte wetten, dass er es vor allem für Studenten und Absolventen der Missionshäuser geschrieben hat, wie St.Gabriel der Steyrer Missionare in Mödling bei Wien, wo er damals in den fünfziger Jahren nur einen einzigen ‚felderfahrenen’ Ausbilder hatte: Paul Schebesta (Link).

Thiel wurde Chefredakteur des ‚Anthropos’, hatte in seiner akademischen Phase erfolgreiche Schüler, er war ein ruhiger Chef im (damals noch) Völkerkundemuseum Frankfurt. Noch heute wird er um Vorträge gebeten, besuchen ihn Kollegen und kommen junge Akademiker, um Rat einzuholen. (Der Buchumschlag mit Informationen und Daten ist am Ende des Beitrags abgebildet!)

Ich bin gespannt auf seine inzwischen abgeschlossene Monographie, auf die Vertreter der Bayansi ungeduldig warten.‚Anthropos’ wird dieses Buch nicht mit Schweigen übergehen wie damals 2001 seine Autobiographie „Jahre im Kongo“, denn die Kirchenorganisation ist diesmal außen vor. Thiel ist ein geborener Erzähler. Dass diese Fähigkeit in der Wissenschaft momentan nicht so hoch angesehen ist, kümmert ihn nicht. Er hat, wie er sagt, „so viele Ethnologien erlebt“. Mit seiner Monographie über die Yansi will er diesen Menschen etwas von dem zurückgeben, was er bei ihnen an erfüllter Zeit erfahren hat. Er arbeitet an einer französischen Übersetzung, die er in einem kongolesischen Verlag herausbringen möchte, denn „europäische Bücher können sich die Kongolesen nicht leisten“. Er hätte das Buch gern „erlebte Monographie“ betitelt, da er alles selbst erlebt oder erzählt bekommen hat, aber der Wunsch war wohl unkorrekt. Die Kapitel, die ich bisher kenne, erinnern mich an das – leider erst posthume – Alterswerk „The Congo“ des schwedischen Missionars und Ethnologen Karl Laman, mehr kann ich noch nicht sagen.

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MEIN THEMATISCHES INHALTSVERZEICHNIS mit Seitenangaben (rot)

 

1.Kap.    „Sonntagnachmittag in Manzasay“

23 Emmanuel, 45 Jahre und Songo, seine kinderlose Ehefrau; die jüngere Verwandte im Haushalt wird immer mal schwanger, eifrige Christen, Frauengeschichten, Ehefrau: „soll er sich bei anderen austoben“

31/32  Sägewerker Pacinelli   Väter bringen halbwüchsige Töchter, er will wegen der Klan-Probleme nicht heiraten, „und sie altern schnell“.

 

2. Kap.    „“Ein abwechslungsreicher Beruf“

37   Klanälteste wollen Christin als Zweitfrau an einen Verheirateten verschachern.

39   Pater Paul agierte rabiat gegen „wilde Ehe“; Ehe in Afrika ein langwieriger Prozess

41   Vorsatz Thiels: Ehe und Sexualität dürfen nicht Leitidee seiner Arbeit werden

44   Mangrete mit gut 40 hatte sie 11 Kinder (7 leben noch); sie ist „eine ältere Frau“

55   Frauenarbeit: Maniok und Raupen zuzubereiten

55-57   Die polygyne Ehe des Loso (einer von 15% der Männer): 4 Frauen in 2 Dörfern reihum eine Woche zu besuchen ist institutionalisiert > 20 Kinder, Pflichten des Ehemanns, Geschenk für Geburt auch an ihre Eltern, die nicht häufiger als alle drei Jahre eintreten darf, sonst Strafe, – alle Frauen und Kinder haben legalen Status,

57   kleine Prostitution unverheirateter abgeschobener oder verwitweter Frauen für vor allem jüngeren Ehemänner während der Babypause ihrer Frau(en)

57-58  Erste Frau rät ihrem Mann zu einer vierten Frau, auch zum Austoben, sie habe oft Rückenschmerzen.    58    legale Polygamie ist ein Auslaufmodell in einer Übergangszeit

 

3. Kap.    „Die Buschpfarrei Manzasay“

60 Klanexogamie und virilokale Wohnfolge: Ehefrau bleibt Fremde im Dorf ihres Mannes, Kinder gehören zu ihrem Klan, sind also auch Fremde.

60/61 Land-Stadt-Fluktuation bis 50% der jungen Männer; weniger Töchter gehen in die Stadt, aber die landen in der Prostitution, auch die Frau eines Lehrerpaares in Kinshasa

65   Frauenüberhang 8% in den Dörfern, unter der Jugend höher, Nebenfrauen, die Älterer nicht heiratet, aber mit der Klankasse finanziert, daher führen jetzt oft ältere Frauen die Kasse

66   Die matrilinearen Bayansi pflegen ihre Töchter besser: denn sie bringen neue Sippenmitglieder zur Welt und bringen Brautpreis, sind auch als Arbeitskräfte wertvoller.

65/66   Knaben ziehen bereits mit 8-12 Jahren in ein Knabenhaus, sind dort ziemlich sich selbst überlassen, Mädchenbesuch oder auch Mädchenhaus sind erlaubt, schon weil Eltern im ehelichen Verkehr freier sein wollen.

67  Kampf von Missionaren dagegen, auch Trommeln zerschlagen, Kichern über ihre alten Missionare. Und die Schwester des Häuptlings: „Lass die jungen Leute! …“ Doch das außerschulische Programm der Nonnen in ihren reinen Mädchenschulen ist in den Augen der Eltern attraktiv. Ein Fehler der Kolonialmacht, die Mädchen zu unterschätzen: Der Mann ist in traditionellen Pflanzerkulturen ist Nestflüchter. Die Frau gibt die Bildung weiter, nicht der Mann.

68  Das traditionelle getrennt Essen in der Ehe wird von Frauen nach Schulbesuch aufgegeben, führt zu anderem Familienbild, schwächt die Abstammungsgruppe (Zum, Lineage). Doch sie ist Rückversicherung, seelische Heimat und bleibende Größe gegenüber einer zerbrechlichen Ehe (Tod, Scheidung, Unfruchtbarkeit 69). Die Ahnen reinkarnieren sich in den Enkeln, die Ehe ist nur ein transistorisches Mittel für die Sippe.

69   Unter den „liebsten Personen“ rangiert Ehepartner an letzter Stelle

69/70   Im Prinzip gibt es keine Waisen, in der Praxis werden Unterschiede gemacht, verwaiste Kinder weitergereicht. Irrtum von Mission und Kolonialherr, „Waisen“ einzusammeln

70 Die 200 Kinder des Häuptlings Bay? Erwachsene Söhne schliefen heimlich mit seinen jungen Frauen (125 Bay selber war der Sohn einer Teke-Frau – vom aussterbenden Klan geholt)

71-74   Hexerei im Dorf   auch merkantile Vorgänge um das Ndoki (‚Hexerkraft’), wenn sie von einem Spezialisten (Ganga) genutzt wird; Bewertung nach Position des Inhabers, in niederen Menschen ihr Wirken negativ gesehen

74-76 Fallgeschichte: falsche Anklage gegen fleißigen Tampwo verbunden mit Vergiftung seines Enkels, um an seine Herde zu kommen

 

4. Kap.    „Palmsonntag im Busch“

79   Die Menschen wollen Religion erleben in Wort, Musik und Tanz (>88) und sie muss im Alltagsleben nützlich sein

82 Die einfachen Leute hören es gern, wenn ihre Oberen an ihre Pflichten erinnert werden. Wichtig für gute Redner: Verwende viele Sprichwörter und Redensarten der Alten, das überzeugt sie.

83  Auch Blitzeinschlag wird auf Hexer zurückgeführt  (> 90f.)

85-87   aufmüpfiger Jugendlicher fast vergiftet, früher als Sklave verkauft oder als Höriger abgegeben, sich entziehen durch Landflucht früher „horteten die Alten die fruchtbaren , die jungen Frauen“

89 Ehestreit über pflichtvergessene Kimbangistin (Link ‚1921‘), die in ihre Kirche geht, statt zu kochen

89-92 Der Secteur und Mumpe José sind für die Ordnung verantwortlich

90 – 92 Thiels Predigt gegen Blitzschlag als Verhexung

 

5. Kap.    „Literatur ohne Schrift“

98    Reigentanz älterer Mädchen mit selbst gedichteten Liedern

100-103   Lied der Antoinette Bukibi  (zitiert und erläutert in (LInk „Polio-Puppe“)

103-106 Lieder der Mädchen über soziale Verfehlungen:

104    Sein Mund will mein Huhn essen: älterer Bruder will unter Ausnutzung der Altershierarchie seinen jüngeren Brüder mit der Braut betrügen; der Jüngere darf sich um die Frau des Älteren kümmern, auch mit ihr schlafen, besser als ein Fremder; ‚Vater’ wird immer der legitime Ehemann sein. Unfruchtbare Ehemänner nutzen jüngere Brüder und Cousins. Deshalb herrscht aber ein Inzesttabu zwischen dem jüngerem Bruder und den Töchtern des älteren.  105 Das gilt auch für Töchter des Bruders der Mutter (‚Mutteronkel’) eines jungen Mannes, den der ja ‚in allen Belangen beerbt’, während die Tochter der Tochter des Mutterbruders sogar die ‚präferentielle Ehefrau’ (kityul) ist.

106      Lied über Art der Vergütung einer schlauen Gelegenheitsprostituierten

111-112    Das Mädchen, das zu viele Verehrer abwies – ein Märchen

114-117   Das Kind und (der zerbrochene) Wassertopf

117 Kinderlosigkeit als Strafe wegen Vergehen an Ahnen; wegen derSehnsucht des Yansi, Ahne zu werden, ist es ‚Hauptpflicht eines jeden, Kinder in die Welt zu setzen’

117-120 Tragischer Fall versäumter Ahnenverehrung durch den alten gewissenhaften Christen Petelo.

 

6. Kap. „Macht und Machthaber“

125 Eigentum des Häuptlings rührt man am besten nicht an, auch um seine Ehefrau Bogen machen

125  Häuptling Bay (wörtlich ‚Lepra’) ist Sohn einer vom aussterbenden Klan geholten Teke-Frau, darüber schwieg man zu seinen Lebzeiten, so etwas ist aber gängige Praxis; Sohn des Sohns des Häuptlings gilt als Reinkarnation.

126  Häuptling und Leopard – Fabeln

128  Alle hören abends am Feuer zu

127  Ratschläge der Ehefrau

 

7. Kapitel   „Mächten unterworfen“

142 – 163     Die Mächte : Nzambi – der‚Schöpfergott’, Bakwi – die Totengeister, Nkisi – die Fetische, die Präferenzehe mit der Kityul

144 „wenn ich hier in Bonn sitze…“

151 „eine Religion ohne Theologen“

158-159    Präferenzehe von Häuptlingen mit der Kityul. „Ich bin der Mann aller Frauen“ (Mfumu Bay) Missachtung der offiziellen Abschaffung des Sklavenstatus im Kongo, aber ein Defizit kann man nicht ‚abschaffen’: Sklaven hießen „Kinder des Hauses“ oder „Menschen des Geldes“ D.v.G.: Vgl. McGaffey über Klan und Frauenkauf! (Link)

160 Häuptlinge gaben den Missionaren gern Kinder von ‚Sklaven’ oder Niederen für ihre Schule, ihre eigenen Kinder hielten sie gern zurück. Damit kalkulierten sie, noch in den 1960er Jahren, doppelten Vorteil einzuheimsen. Ein Fall: Amélie, die Tochter eines ‚Sklaven’ drohte zu den Nonnen ‚zu entwischen’, wo sie doch nach der Schule so viel wert war – Bildung steigert den Brautpreis. Hätte die Kirche sie nicht freikaufen müssen? 162 ja, die Ordensschwestern taten es)

160-61  Verwandtschaftssystem. Mehrere pityul möglich, alle eine Generation jünger als der Bräutigam, matrilineare Erbfolge nach der Altershierarchie. Kityul bedeutet, dass kein echter Brautpreis bezahlt wird, die Frau zu einem sehr treuen Eheleben verpflichtet ist und niemals außerhalb des Häuptlingsklans heiraten darf, auch wenn sie in ihr Dorf zurückgeschickt wird. Vergiftung als Strafe. Enges Verhältnis zwischen pityuls und Kandidaten. Niemand soll ohne Ehepartner bleiben. Ist an sich immer noch gut, aber ….

162   Wir Europäer glauben, eine Ehe beginnt mit dem Jawort vor dem Altar oder der Unterschrift im Standesamt. Die Ehe einer pityul kann bereits im Mutterleib beginnen163   Wir Missionare ‚transplantierten’ auch in Sachen Ehe unbesehen europäische Vorstellungen nach Afrika.

163 Fortsetzung von Amélies Geschichte: 1971 Heirat, 1991 acht lebende Kinder. Unter ihnen, die im modernen städtischen Milieu lebten, gab es 1998 keine pityul mehr.

 

9. Kap. „Alltag im Dorf“

188-190 Grenze für Außenstehende: „Du bist ein Weißer – bei dir funktioniert mein Fetisch nicht“ – Wer dem System der Bayansi nicht unterworfen ist, kann davon auch keine Hilfe erwarten

190   Ansprüche an die Beobachtung, vor allem das Faktische, nicht so sehr Aussagen berücksichtigen, die mehr Idealvorstellungen widerspiegeln; das gelinge nicht im Interview, auch nicht in wenigen Wochen oder Monaten ‚teilnehmender Beobachtung’.

191 der Fall der lange Kreißenden: man ruft alle greifbaren Heiler (um Segen). Ist das schon „Pendeln zwischen den Religionen“ – D.v.G.: Vgl.  Strother zu Pende (Link) oder China.

192   Forderung des alten Fischers nach Segen erweist Rolle des Missionars als alternativen Heiler, (Vgl. Strother-Artikel über ‚Skeptizismus’ unter den Pende, Link. Vgl. auch Zweitgutachten und –therapien als rationales Verhalten in unsicherer Situation D.v.G.) Man ist immer auf der Suche nach stärkeren Mächten und Kräften

192   Defizite in der Kenntnis der Frauen, weites Feld für Ethnologinnen (Noch aktuell? D.v.G.)

193,202, 204-208 Ein Vaterschaftsprozess in Kikior: Hintergrund war der durch Schulbildung der Braut für einen Dörfler zu hohe Brautpreis; der von ihr benannte ‚Vater’ ihres eben geborenen Kindes sollte sich durch Entschädigung daran beteiligen. Die Kityul lebte in Bandundu, aber sie gehört dem Klan! (>160f.)

207, 209 Die Mär von der „Pflege des Bauches“: Fötus müsse durch Samen des Mannes ernährt werden, Geburtskanal erweitert durch gestandene Männer; ‚Behandlung’ Unfruchtbarer im Auftrag des Klans durch die potentesten Männer des Dorfes

194-95 Frauen fischen gemeinsam, Atmosphäre dann erotisch aufgeladen, Pantomimen und Lieder über Phantasien und Männer „zwei bis drei Nächte ohne männlichen Umgang“

196 Männer vermeiden es, mit einem chief in einem Haus zu übernachten, auch nicht mit einem Missionar, wegen deren Hexermacht, hingegen erwerben sogar Nsaan-Frauen – aus einem nicht-regierenden Klan – durch den Beischlaf mit dem chief angeblich etwas von seinem Ndoki  (Zauberkraft).

197/98    Jagdbeute – Wenig bleibt bei der üblichen Verteilung für den Jäger

199    Was nützt den Leuten im Wald die Schulbildung?

199-201   Eheschließung:   Mutter treibt die Hühner der Liebhaber ihrer Tochter ein, damit sie ‚in ihrem Bauch keine Liebhaber’ mehr hat, wenn sie von den Klanfetischen entbunden werden soll, sonst droht Bestrafung durch die neuen Fetische; Unterstellung unter die Fetische des Mannes ist der Akt der Eheschließung. Die Erfüllung des Vertrages der Familien dauert Jahre.

In diesem Kontext noch einmal ‚kleine Prostitution’- oben 57🙂 Die Ehefrauen sollen froh sein, dass sie den ‚Job’ für sie während ihrer Stillzeit übernommen hat; alte Frauen sind billiger. Praktische Frage: Soll der Arbeitgeber (die Missionsstation) für seinen Lehrer zahlen? Thiel zahlte einen symbolischen Preis.

Eherecht: Entschädigungen bei Fremdgehen der Frau und Verweigerung ‚der ehelichen Pflichten’ des Mannes (vgl. Sprichwort der Lega! D.v.G.).

201 Fetischzeremonien wurden bereits in den Siebziger Jahren schon nicht mehr richtig durchgeführt, sagt man Thiehl.

203 Bei Menstruation Rückzug aus der Küche. Der Missionar begreift nicht gleich. Die Vertreterin lacht.

204   Leprakranke – Es herrscht große Angst vor Lepra: „wenn es offenkundig ist, will niemand mehr etwas mit einem zu tun haben

211   Sterben unbedingt in Gemeinschaft. Man umringt und umfasst den Sterbenden. Dessen Segensspendung. Für Thiel die gewünschte Taufe auf dem Sterbebett: „Solche dichten Stunden, wie ich sie Loso und seiner Familie erlebt habe, gab es in meiner Missionarszeit nicht viele.“

 

10. Kapitel „Maurer, Bauherr, Architekt“

214 Gemeinden möchten ausländische Priester aus einem reichen Land. Problem des Nepotismus: In Bandundu hat man gegen einen kongolesischen Pfarrer protestiert, weil er erstens kein Geld beibringen und zweitens alle Posten in der Pfarrei mit Klan- und Stammesgenossen besetzen würde.

221   Der dem Klan entlaufene Mann ist bei einem anderen untergeschlupft und tabuiert nun Termiten als deren Erdtiere.

222   Das Übernachtungshaus der Mission (gite d’étape) wurde, kaum warThiel ausgezogen, bis auf die Grundmauern geplündert, so wie alle anderen schon.

223  Hoffnungen des Missionars Thiel auf ‚religiöse’ Begründung auch nur einer Konversion werden enttäuscht.

224  Traditionelle Religionen waren auf die Alltagsprobleme zugeschnitten. Wachsendes Ungenügen an traditionellen Stammesreligionen durch die Veränderung der Lebenswelt, etwa durch Schulen. Der solidarische Zusammenhalt der Klanstrukturen schwand dahin. Und für viele Phänomene benötigte man neue Erklärungen.

224Ich musste Führungspersönlichkeiten in den Dörfen bestellen und sie wenn es ging zu Katecheten bestellen. Sie sollten in den Dörfern nach dem Rechten sehen und darauf achten, daß die christlichen Grundsätze im Dorf von christen nicht schlechter befolgt wurden als von den Heiden, wenn möglich eben besser.“ 225 „Es gab viele viele Fehlversuche!“

228   …da mir die Afrikanisierung der Riten, der Kunst wie auch der christlichen Inhalte am Herzen lag

225   selbstbewusste Katechetinnen (spricht sonst nicht von solchen) oder doch nur Schwestern?

229   Thiel war ausgezogen, eine kongolesische Kirche aufzubauen 231-235

 

11.Kap.   „Unterwegs nach Afrika“

 247   Thiels Lehrer Paul Schebesta resignierte im Alter:

In Afrika haben alle versagt: die Kolonialmächte, die Missionen und jetzt auch noch die Afrikaner. Lass Afrika den Afrikanern und wende dich einer anderen Arbeit zu, z. B. der Wissenschaft … Unser Christentum ist nicht flexibel genug, um in Afrika bodenständig zu werden.

 

12. Kap. „Fortschritte und Rückschläge“

261 die hübsche Chantal und die Tücken des Erbrechts (die Kinder des im staatlichen Kerker verschollenen Vaters gehören seinem Klan)

266-67 Thiels vergebliche Suche nach unverfälschten Traditionen (Buluku-Fabeln)

268   Die von Jüngeren gut geführte Kooperative wurde durch das Klandenken der Mitmenschen (> 214 ‚Nepotismus’)

Schwestern müssen die Dorffrauen aktiv besuchen, damit die etwas lernen können, die Männer geben ihr Wissen nicht weiter.

270   Hohe Sterblichkeit der Erstgebärenden, frühe Schwängerung der Kityul, kein Arzt im Krankenhaus

273   Menschen in Zentralafrika sehr religiös: wissen ihr Leben und Tun von übermächtigen Mächten abhängig    Eigenarten der Christen im Busch // in Notzeiten auf die Ahnen besonnen, dann erst Opfer 275 das Erlebnis vermitteln, dass sie einer großen Gemeinschaft angehören (eine Art Kirchentagserfahrung D.v.G.)

277  … dass oft Katecheten Beziehungen zu ihren Taufschülerinnen haben sollen, ist ein oft gehörter Topos. Das Vorexamen führte angeblich nicht selten durchs Bett.

277-279  Die Geschichte vom Katecheten mit seiner siebzehnjährigen Kityul. Er vergiftete seine Frau vermutlich und versuchte anschließend mit einer Anzeige ihren Tod dem ‚Arzt’  in die Schuhe zu schieben.

271-272  Die Gefahr unter Mobutu, dass Pierre Mulele und seine Rebellenmiliz im Gebiet erscheinen würde. Unrühmliches Verhalten der Nationalarmee in Mai-Ndombe.

Missionarische Perspektiven? 280-82 vom Kult des eigenen Ahnen sich entwickeln zu einer unlimitierten, generellen Heiligenverehrung:

Ohnehin haben Urahnen mit moralischer Integrität Heiligenstatus verlangen von ihren Nachkommen ethisches Verhalten.  Hinweis auf den katholischen Heiligen Karl den Großen, den Sachsenschlächter.

282  Die blutigen Opfer für die Ahnen sind in weiteres Hindernis für die Integration des Kultes – Thiel sah eine Lösung analog zu  den unblutigen Opfern für den lebenden Ältesten.

283   Die problematische Konkurrenz der Fetische, die eben kein ethisches Verhalten wie die ahnen verlangen.

289 Bilanz für das eigene Leben – keine Abrechnung, keine Distanzierung!

 

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Nachbemerkung

Ich bin nachdenklich geworden und zugegebenermaßen dieser Leute nach dreihundert Seiten Lektüre auch etwas überdrüssig.

Fragen: Was an den geschilderten Verhältnissen waren wohl die Folgen von drei Generationen kolonialer Unterdrückung – und wie war das mit dem Sklavenhandel davor? Waren die Yansi eher Opfer oder Zwischenhändler des Sklavenhandels?

Hier erscheinen sie – Verzeihung! – vor allem als ärmliche und ungebildete Hilfsempfänger, die nach dem Vorteil vor den Augen greifen. Ähnliches habe ich über die Situation der Yaka in den letzten Jahrzehnten gelesen (Link ‚Landeskunde‘, Link ‚Niedergang einer Provinz‘).

Mir haben die vielen Details, Geschichten und Informationen gefallen, die sonst durch diverse Siebe fallen, zensiert werden. Schlüsselinformationen. Kein ‚Whistleblower’. Thiel wollte nie mit der Organisation brechen, spricht vom „Abdriften“. Er ist Zeitzeuge einer früheren und zwischenzeitlich weniger katastrophalen Phase der endlosen Leidensgeschichte der Kongolesen.             D.v.G.

Ein kommentierender Beitrag zu den Yansi findet sich unter dem folgenden Link : „Kongolesen Grau in Grau“

Thiel. Jahre im Kongo. Klappentext

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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