Zwei Gesichtsmasken der Mitoko (Metoko)

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  Erste Annäherung, nicht mehr

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Die erste Gesichtsmaske (August 2016)  –  eine Meerkatze?

 

Ein Kasten mit Griff, den sich der Tänzer vor das Gesicht hielt. Aus einem Stück. Höhe: 37 cm (Korpus 29), Breite 35 Br.(Ohren je 3cm) Tiefe bis 17 cm

Routinierte handwerkliche Arbeit: Innen ist der Kasten gleichmäßig als Wanne mit sicheren Axt-Hieben (an den Spuren erkennbar) ausgehöhlt , gleichstarke dünne Wände, leichte Verdickung oben und unten, saubere Übergänge bis an einer kleinen Stelle rechts, wo vielleicht die Nähe zur Schläfe eine Korrektur nicht empfohlen hat.

Perfekt sind Linienführung, Bögen, Proportionen, Absätze und konkave Flächen um die Augen.

Freihändige Linien, z.B. unter den Augen rechts 12 Schraffuren, links 15, am Unterkiefer 6 und 7 – Ich vermute dahinter Leute, die sich sorgfältig tätowierten und in sich mit den speziellen Mustern identifizierten. Kupfer umhüllter Eisendraht schmückt das rechte Ohrläppchen

Gebrauchsspuren: Der gedunkelte Schweiß am Griff, die gerundeten und etwas abgewetzten Kanten an Gesicht, Ohren, Augentuben und am Rand. Leicht glänzende dunkelbraune Patina, helle Pigmentreste (wohl ursprünglich rot und weiß)

Zweifellos ein klassischer Maskentyp, obwohl in Marc L. Felix,100 Peoples of Zaire and their Sculpture (1987) nicht bei den drei Beispielen vertreten, aber bei Figuren unverkennbar.

Bei den Mustern der Metoko vermutet Marc L.Felix stilistische Orientierung an den nördlichen Nachbarn. Der schwache Harzgeruch der Maske – in warmer Luft – ist übrigens eben der meiner knochentrockenen und leichten Figur aus dem Ituri-Gebiet.

Vielleicht eine Meerkatze? Dafür spricht die Tiefe der Maske, aber auch der affenartig gerundete Schädel. Ganz kleine Augen – der Tubus verjüngt sich nach vorn sehr stark – und großer meerkatzenartiger Augenbereich, darin integrierte Nase, gezähntes Mündchen, auffällig abstehende fleischige Ohren, nach vorn aufgestellt. Haben die dekorativen Muster etwas mit dem Affenpelz zu tun? Etwa bei Bärtchen und Backenbart? Seitwärts lange Haare? Vielleicht keine menschliche Frisur, keine Tätowierung? Die Muster auf dem Gesicht setzen sich an den Seiten fort. Händler W. bestätigt, dass solche ‚Makaken‘ dort, in den Wäldern des Siedlungsgebiets der nördlichen Tetela und der Mitoko sehr häufig sind.

 

Die zweite Gesichtsmaske (Dez.) – Missionar Ambrosius?

 

mitoko-2-frontal-img_7780Höhe Kasten 23 cm, Griff 8 cm; größte Breite mit abstehenden Ohren 28 cm, Gesichtsfront 13 cm   490g

Eine Figur der Mitoko habe ich wieder weggelegt. Generell gefällt mir an Figuren der Buckel nicht. Ich preise vor W. die aufrechten Figuren der benachbarten Tetela. Er berichtet erfreut, das sei deren Eigenheit gegenüber allen ihren Nachbarn. Selbst beim Tanz hielten die Tetela sich ganz aufrecht. Er macht mir zum Vergleich Schlangenbewegungen vor. Auf meine Nachfrage verweist er auf die starke Rivalität unter den chiefs.

Das spielt bei der Mitoko-Maske, diesmal mit ovalem Gesichtsschnitt, alles keine Rolle. Zuhause vergleiche ich sie mit der ersten. Sie ist weniger radikal stilisiert, die Ränder abgerundet. Ihr fehlen die scharfen Kanten an Kinn und Gesichtsumrandung, an den Ohren,  am breiteren Nasensteg. Die Partie zwischen Nasensteg und Wangen bildet  auch keine so aufregende Kurve. Die ovale Herzform ist jedoch perfekt. Und Stirnpartie, Augenpartie und Kieferbereich sind durch harmonische Einbuchtungen außerhalb des Ovals gegeneinander abgesetzt.  Sie bilden Felder von 9, 8 und 7 cm Höhe. Unter dem kleinen Mund werden allein dem Kinn volle 7 cm gegeben. Es ist durch eine Art Backenbart hervorgehoben.

Man kann die Proportionen aber auch anders betrachten: Die weiß gestreifte Stirn- und Augenpartie erhält 13 cm, Mund und Kinn 9 cm. Jedenfalls ist der kleine waagrechte Mund so dicht an die waagrechte Trennlinie gesetzt, dass er mit den Augen etwa ein gleichseitiges Dreieck bildet. Das Kraftzentrum des Gesichts ist sehr klein und damit intensiv.

mitoko-1-seitlich_img_5111_2mitoko-2-seitlich_img_7788

Der Vergleich zwischen den beiden Masken …

… kann eine Vorstellung geben von dem gestalterischen Spielraum des Künstlers innerhalb des vorgegebenen Rahmens.

Zum Durchschauen sind die ordentlich von außen nach innen, aber schief gebohrten Augenlöcher nicht geeignet. Sie geben aber den durchbohrten runden Augenkuppeln einen intensiven, leicht schielenden Ausdruck. Bei längerem Hinschauen meine ich den Herrn Missionar Pater Ambrosius mit weißem Backenbart zu erkennen mit seiner mittig gescheitelten Frisur. Blicken seine Augen nicht oft durchdringend auf die Menschen, und hält er nicht dann doch den fälligen Tadel  hinter schmalen Lippen zurück?

Oder ist es doch  ein würdevoll anzuschauender Meerkatz, wie ich bei der ersten Maske lomami-meerkatze-ma%cc%88nnl-wikipediavermutet habe, so eine wie die nach dem Fluss Lomami benannte Art? ( > rechts)

Vertreten die beiden Masken zwei unterschiedliche Typen?

Die Maske ist so gepflegt und alt wie die erste. Auch ihr Kasten ist sorgfältig gearbeitet, die Kanten sind abgerundet und glänzen vom Gebrauch. Die Nasenlöcher reichen nicht sehr tief, ohne deswegen vernachlässigt worden zu sein. Ungleich ist auch die Höhe der beiden Befestigungslöcher für die Aufhängung – bei der Aufbewahrung? Die zahlreichen mit Kaolin gefüllten Rillen sind freihändig breit eingeschnitten und sind planvoll Feldern zugeordnet. Zum Beispiel vollenden zwei Halbmonde über den Augenbrauenbogen die ovale Gesichtsfront. Das Weiß der Rillen leuchtet stärker als bei der ersten Maske. Die Muster lassen sich gewiss deuten, mit mehr Informationen!

Auch diese Maske wurde in der Hand gehalten. In den hell gewordenen matt glänzenden Griff habe ich mich gleich verliebt.

Ein interessantes Vergleichsobjekt

mitoko-ffm_img_6967_2Zwischenzeitlich traf ich in einer Sammlung auf ein Galerieexemplar, das seine Karriere wahrlich nicht verdient hatte, so wenig inspiriert und so grobschlächtig war es geschnitzt. Dem Typ nach entspricht es Figuren, die ich gesehen habe, als Maske aber irgendwo zwischen den beiden hier vorgestellten Exemplaren, unentschieden zwischen dem ‚tierischen‘ und dem menschlichen Gesicht. Die Herzform ist  spannungslos, Nase, Knopfaugen und Mund weder groß noch klein genug. Die Nasenlöcher scheinen ungezielt unter die Nasenspitze gebohrt, der klobige Griff – störend – vorn an die Kinnspitze gepflanzt, immerhin glatt und leicht  glänzend. Von hinten betrachtet, sind die Wandstärken ziemlich dick und ungleich, das fiel mir gleich unangenehm auf. Wegen ihrer massiven eisernen Montierung  konnte ich das Gewicht der Maske nicht prüfen. Dabei ist eine solche bei den Gesichtsmasken der Mitoko ganz überflüssig, ein kleiner Nagel reicht. Reichliche Pigmentspuren zeugen von wiederholtem nachlässigem Farbauftrag. Die Schraffuren ziehen sich über den ganzen Kasten, sind aber schematisch…..

Sie werden sich fragen, was ich denn daran noch interessant finde, wo ich doch zuvor ästhetische Schwärmereien ausgebreitet habe. Oder Sie erinnern sich zu Recht an Beträge wie ‚Das schon empörend simple Kruzifix‚, ‚Hässliches Entlein‘,Asyl für ein himmlisches Huhn‚ oder ‚Schmuckloser Ikenga‚, wo ich schließlich ‚eine Lanze brach‘ für Beispiele von art brut, arte povera oder schlicht für naives Gestalten.

Dies Objekt verdeutlicht ex negativo die im Text angewandten ästhetischen Kriterien. Es öffnet die Augen für große Qualitätsunterschiede innerhalb konventioneller Vorgaben, für eine  individuelle   Meisterschaft,  auch wenn die für uns mit keinem Künstlernamen verbunden sein kann.

Die Frage des kultischen Gebrauchs ist mit der ästhetischen Qualität nicht automatisch verbunden. Es gibt zweifellos Gründe, wenn authentisches  ‚kultisches Gerät‘ zusammengeschustert worden ist  Die ständigen Erschütterungen Zentralafrikas haben den Menschen dort Elend gebracht und ihre kulturellen Traditionen vernichtet oder verunstaltet. Die Maske könnte gerade in ihren Unzulänglichkeiten für diese traurige Geschichte Zeugnis ablegen. Man darf auch nicht vergessen, dass sie bloß ein ‚Gerät‘ war, das in den Händen begabter Tänzer und Tänzerinnen über sich hinaus wachsen und seine Hässlichkeit vergessen machen konnte. Doch gehört es danach nicht eher in ein wissenschaftliches Depot als in die Galerie- und ‚Kunst’sphäre? Wer kann das heute sagen?

                                            

Bereits 29 x aufgerufen. Danke!           16.01.2017

Mit dem neuen Jahr eine neue BegegnungMetoko-14.1!

Unverkennbar der Typ und frisch in den Farben! Wohl etwas jünger und wohl aus einer anderen Werkstatt. Der Bogen von Nase zu Wangen ist größer, der Mund sitzt tiefer und mitten in einem Rhombus. Auch diese Kinnpartie könnte einen Bart signalisieren. Die Schmuckkerben sind weniger gegliedert, aber mit der gleichen entspannten Souveränität geschnitten, sie scheinen sogar enger zu stehen. Auch hier haben die Ohrläppchen ein Loch für Ohrschmuck. Die Einbuchtung auf der Höhe der Nasenspitze ist flacher. Die auf der Stirn zieht sich als Ring um den Schädel herum und könnte so die Kopfbedeckung eines Honoratioren andeuten. Die Stege (z.B. Nase) und Bänder der Maske sind breiter, die Wandstärke dicker, soweit ich feststellen konnte. Auf dem Nasenrücken ist eine senkrechte Kerbe dazugekommen. Fehlt etwas? Wo ist der Griff? Revolution? Ein alter Zopf, den man schon lange abschneiden wollte?

8.5.17

Tetela Äffchen-IMG_0360

Zwei weiteren Masken aus derselben Familie begegnet, noch etwas kleiner. Der Händler sagt, es gebe noch viel kleinere. Was ich als ‚menschlich‘ auffasse, sieht er als Äffchen, eine Meerkatzenart mit langem Schwanz, die als Haustier beliebt sei. So spielten die Kinder immer mit dem Liebling des Hausvaters, wenn der außer Haus sei.

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