Kongo – Das schon empörend simple Kruzifix

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L 29,5 cm, Br. 14,5 cm; Holmen längs: 5 cm, breit: 4 cm; Dicke 3,5 cm.

neben altrussischem Bronzekreuz

neben einem altrussischen Bronzekreuz

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froment-art-conversion-figAus: The Art of Conversion

brooklynmuseum.org - 34,3x15.2x2.5 cm 17th c. Lower Congo or Angola

brooklynmuseum.org – 34,3×15.2×2.5 cm 17th c.
Lower Congo or Angola

Aufs Gesicht gelegt, enthüllt es seine Dienstjahre. Obwohl zwei ausgefüllte Wurmlöcher sagen: ich bin andersherum gelagert worden. Nicht nur Schweiß hat sich hinten und an den Seiten eingetränkt, auch Abdrücke etwa der greifenden Hand meint man zu erkennen. Das Stück ist übrigens aus komfortablen leichtem hellen Holz gemacht.

Auf der Vorderseite fällt der sorgsam gearbeitete schmale Rand auf. Die beiden Figuren im Innern sind viel lässiger in Angriff genommen worden: der Gekreuzigte und der Beter.

Es ist vom ersten Moment an klar, dass Bronzekruzifixe das Vorbild waren.

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Und die Aufteilung der Szene in zwei frontal nach vorn schauende Figurenreliefs findet sich auch bei einer Tür der Hungana in Tom Phillips (Hrsg.) : AFRIKA – die Kunst eines Kontinents 4.23 p.256 – Hier werden allerdings auch noch die zum Mund geführten Hände erwähnt, die sich auch bei heilkräftigen Statuetten finden.

Heinz war zu Recht beeindruckt von der üppigen Dicke des Kruzifix. Sie gibt zusammen mit den starken Gebrauchsspuren eine Würde, die den antiken bronzenen Modellen etwas entgegensetzt. Die unbeholfen eingeschnitzten Gestalten sind Zeichen, die den Eingeweihten ohnehin vertraut sind.

Nicht bloß aus ästhetischen Gründen und des niedrigen Marktwerts wegen konnte ich dem Kreuz nicht widerstehen. Ich wusste auch bereits zu viel darüber, etwa durch Alisa Lagamma und Robert L. Wannyn (Santu Toni). Da tauchten kupferne oder bronzene Kruzifixe aus früheren Jahrhunderten im Bereich des ehemaligen Kongo- oder Loangoreichs in Familienschätzen auf, oder als Insignien von Chiefs, weniger von einheimischen christlichen Priestern (aber das waren ja auch Chefs). Dies Holzkreuz hat sein heutiges Maß an Würde erst mit langem Gebrauch erworben, es eignete sich auch von daher nicht, als Prestige-Objekt in Familienschätzen zu fungieren. Eher hat ein Klanchef den Kirchenleuten erlaubt, sein ‚authentisches’ Exemplar zu kopieren, vielleicht erst nach Aufklärung über seine genaue Bedeutung.

Zu sehen, wie die alteuropäische Tradition, Wichtiges (der Gottessohn am Kreuz) vom relativ Unwichtigen (der anbetende Gläubige) durch seine relative Größe zu unterscheiden, mit der afrikanischen Bildtradition harmoniert, beeindruckt mich! Ebenso die Auflösung einer Szene in zwei Elemente, die vom Betrachter und Verwender problemlos integriert werden. Der erhabene Rand sorgt dafür, dass keine störenden Faktoren von außen sich einmischen.

Meine ‚russischen’ Metallikonen – ebenfalls Teil einer randständigen Subkultur – haben Zuwachs bekommen, von der Kongomündung!

APRIL 2017

Prof. Josef Thiel, der pensionierte Museumschef und Ethnologe mit langer Kongo-Erfahrung, hat das Kreuz bei der ersten Begegnung gleich ins Herz geschlossen. Das hat mich überrascht. Ich habe mehr Respekt vor dem Holz.

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