“Tempa” – Das Geheimnis der “Pseudo-Tetela Masken” (Luc de Heusch)

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aktualisiert am 1.8.23

18. Mai 2023 – Auch der dritte Blog zum Thema “Tetela  und Nachbarn” –  gerät wieder länger, aber Sie können ja scrollen und angebotene LINKS übergehen.

Doch die Ausbeute lohnt sich: Ich selber kann vier eigene Masken im Thema einordnen. Und de Lucs Diskussion einer größeren Zahl von Belegstücke ist eine seltene Gelegenheit, in die ethnografische Recherche-Arbeit Einblick zu gewinnen. Dass sie auf so schmaler Informationsbasis geführt werden muss, war mich selbst eine Überraschung. Doch auch die Polemik des Autors (de Heusch) ist schärfer als gewohnt.

Das Verständnis dieses Blogs ist leider auch nicht ganz voraussetzungslos: Personen, Örtlichkeiten, Institutionen und genealogisch verknüpfte Gruppennamen müssen Sie vielleicht  im ersten Beitrag nachschlagen, so wie ich das das auch manchmal tue (LINK 1, LINK 2) 

Die Vergleichsabbildungen übernehme ich direkt aus seiner Studie und weiteren Publikationen. Die Übersichtskarte von 1911 ist noch nicht ideal. Die RDC ist eben kartografisch eine Wüste, als ob die Dörfer immer noch ruhelos wandern würden.

 

Grenzdörfer am Sankuru werden Anlass zu einem Richtungsstreit

Ob die umstrittene Zuordnung „Sungu“ oder „Tempa“ überhaupt den  Eifer wert war, kann man bezweifeln. So wie de Heusch 1995 die politisch extrem aufgespaltenen „Tetela“ mit ihren zahlreichen Außenkontakten schildert, ist die ‘richtige’ Zuordnung von ein paar Masken, die in ein paar  Dörfern um 1910 unter nicht näher geklärten Umständen erworben wurden, weder sehr wichtig, noch erfolgversprechend.

Bereits die Erwähnung der für ihre Nkishi-Fetische und Kifwebe-Masken weltberühmten „Songye“ ist für Sammler eine kleine Sensation. Doch die Masken, um die es geht, passen nicht ins Stilschema, und die Hersteller waren eben „Tempa“, eine geografisch und sozial unbedeutende Randgruppe der „Songye“.

Für zwei meiner frisch erworbenen „Tetela“ finde ich sofort eine schöne Vergleichsabbildung, kommentiert von Luc de Heusch in „Afrika – Die Kunst eines Kontinents“ (Ed. Tom Phillips) . Der eindrucksvolle und unkonventionelle Ausstellungskatalog erregte bereits 1995 (London) und 1996 (Berlin) Aufsehen. Sein hochkarätiges Team bewies Interesse an wissenschaftlichen Kontroversen und gab so de Heusch die Chance, seine brandaktuellen Studienergebnisse auf großer Bühne vorzustellen (no. 4.53, S.281).

Doch ihm fehlte bei aller gebotenen Kürze der nötige Abstand zur eigenen Studie. Ihn interessierte vor allem das Mitschleppen  einer fehlerhaften Recherche über achtzig Jahre Ethnologie und der eigene Nachweis der Fehladressierung.

De Heusch war auch als Cinéast und linker Freigeist Außenseiter, vielleicht deshalb strenger mit der Zunft. Insbesondere lieferte er sich eine persönliche Fehde mit dem Stilpapst Francois Neyt. Wen außer Fachkollegen würden solche Beweisführungen  interessieren?

 

 

KATALOGTEXT  UND  OBJEKTABBILDUNG

Phillips: Afrika – Die Kunst eines Kontinents   Prestel Berlin 1996   no.4.53  Höhe 160, The Trusties of the British Museum, London, 1979  no. AF.1.2397 (Text der deutschen Ausgabe)

„Die Tetela-Hamba aus dem nördlichen Kasai (bei denen ich mich 1953 und 1954 aufgehalten habe) verwenden keine Masken – weder die Gruppen, die in der Savanne leben, noch die Waldbewohner – trotz der von Kunsthistorikern hartnäckig vertretenen gegenteiligen Überzeugung.

Dieses Mißverständnis ist vor allem auf den ungarischen Ethnographen Emil Torday zurückzuführen. Die Sungu – genealogisch zu den Ndjovou-Tetela gehörend, vgl. Stammbaum (LINK) – bei denen er sich (1911)aufhielt, siedelten an der äußersten südlichen Peripherie der Gebiete der Tetela-Hamba, in Nachbarschaft der Songye. Es bestehen kaum Zweifel, dass die sogenannten Sungu-Objekte, die Torday zu Beginn dieses Jahrhunderts sammelte, ausnahmslos der Songye-Kultur zuzuordnen sind. Eine Maske fand sich in Kasongo, „der nächstgelegenen Sungu-Siedlung zu den Songye in Tempa am Sankuru-Fluss“ (Mack 1990, S.62f.). Zufällig war es ebenfalls Kasongo, wo ‚Major’ John Noble White, der sich von 1923 bis 1926 in der methodistischen Mission Minga  (LINK) aufhielt, eine Maske erwarb, die er einem Medizinmann der Tetela zuschrieb.”

Hilton-Simpson Land and Peoples of the Kasai London 1911. “Tempa” und “Lubefu” unten rechts

“Es kommt somit entscheidend auf die geografische Lage von Kasongo an. Auf einer 1953 vor Ort erworbenen Landkarte des Territoriums Lubefu erscheint dieser Name als Kilolo Kasongo am fünften Breitengrad wenige Kilometer westlich des Luedi-Flusses. Diese Lage entspricht genau der eines von Frobenius Mona Kassongo genannten Außenpostens (Karte Nr.8, 1907). Mona Kassongo und Kilolo Kasongo sind sicher nahezu identisch. Das Dorf liegt genaugenommen nicht auf Sungu- sondern auf Songye-Gebiet. Kilolo ist ein Name, der in der Songye-Sprache (nicht jedoch in der der Tetela) ,>hervorragend< bedeutet, und Kasongo ist ein Eigenname, der nur im Songye-Gebiet weit verbreitet ist. Darüber hinaus stammt auch der Begriff moadi (mwadi), den Torday den von ihm in Kasongo gesammelten Masken zuwies, nachweislich aus der Songye-Sprache.”

“Diese außergewöhnlich schöne Maske mit drei pelzüberzogenen Hörnern ist ebenfalls mit Sicherheit eine Songye-Arbeit, obgleich sie bei Torday als ein Werk der Tetela bezeichnet wird. Tatsächlich findet sich das Motiv der drei Hörner bei einem völlig anderen Maskentyp wieder, den Torday ohne zu zögern den Songye zuschreibt. Eine weitere den Tetela zugeschriebene Maske mit drei Hörnern findet sich im Musée Barbier Mueller in Genf. Neyt hat vergeblich versucht, diese Zuschreibung zu rechtfertigen, indem er einen Zusammenhang zwischen dem Drei-Hörner-Motiv und bestimmten Anschauungen der Tetela herzustellen bemüht war.”         (rechte Abbildung)

Phillips Afrika p.281 4.53 Songye.

TempaSongye Barbier-Mueller 1997  p.89, 1996 bei de Heusch als Foto 10 publ.

 

 

 

 

 

TempaSongye Barbier-Müller 1997 p.88 Text Der angegebene pdf-Link öffnet den Begleittext des entsprechenden Katalogs!

 

Fortsetzung de Heusch:

 Alles deutet darauf hin, dass diese Maske wie die anderen von den südlichen Nachbarn der Sungu, den Tempa Songye aus 
dem ehemaligen Territorium Lubefu, gefertigt wurde, einer Volksgruppe,
die bis heute der Erforschung harrt. Drei Masken, die 1910 vom Koninklijk Museum voor Midden-Afrika in Tervuren envorben wurden, werden offiziell den Tempa Songye zugeschrieben. Diese unterscheiden sich zwar deutlich von der hier gezeigten Maske aus dem British Museum, doch die Kunst der Songye, die man hauptsächlich durch die Werke aus den östlichen Gebieten kennt, richtet sich nicht nach einem strengen Kanon. Die Sage von den Tetela-Masken sollte nunmehr ad acta gelegt werden. LdeH”

“Literatur: Frobenius 1907; Torday und Joyce 1922, S.29,77; Hersak 1986; Mack 1990; Neyt 1992; Hersak 1995; de Heusch 1995”

 

Auftritt meiner Neuerwerbungen im MÄRZ 2023.

BERICHT VOM MARKT

“18. März 2023 VON W. UND VOM FRÜHLINGSWETTER ZUM MARKT GELOCKT – IM LETZTEN MOMENT.

Es half eine buchstäblich ‚authentisch’ riechende Rückgabe und die Mitnahme von nur einer Tasche. Ich brachte zwei Opfer: einen abstrakten Minihocker der Kete und eine einsame Kwele Gabun-Maske mit Griff –  Befreiung der Sammlung von Objekten ohne Perspektive bei mir.

Im letzten Moment bemerke ich noch eine zweite auffällige „Tetela“-Maske, diesmal mit (drei) Hörnern. Zuhause gerate ich damit in eine wissenschaftliche Kontroverse über den Maskentyp. Ich kann sie mit Luc de Heusch im revolutionären Buch „Objects – Signs of Africa“ bis 1995 verfolgen, in dem auch Hersak und Petit schreiben, übrigens gegen Neyt. Die behandelten Objekte sind sogar hundert oder mehr Jahre alt. Außer den vermeintlichen „Tetela“-Masken – der Händler ist selber Tetela – wird auch eine Djonga-Statuette einbezogen. Dabei erfährt die „Songye“-Identität’  eine Erweiterung. Leider steht die teure Monografie “Songye” von F. Neyt auf der falschen Seite, ignoriert sie also.

Die Kulturgeografie der Region differenziert sich weiter aus. Dabei hat W. hat seine Ansicht und Quellen noch nicht dargelegt. Ich bekomme die Objekte aus seiner Garage HEUTE, nicht 1900 oder 1928 ! Der Maskengebrauch ist weiter gegangen. Seine Bemerkung, die kleinere Maske sei “mit Respekt geschnitzt”, sehe ich in diesem Zusammenhang. Ihm gegenüber hat ein Informant die Dreizahl eingeschnittener Kreise und der Hörnern als Krallen von Raubvögeln gedeutet. W. sagt: “Vögel ja, aber” den Rest gibt er mit aller Vorsicht weiter. Federn finden in der Ausrüstung der hölzernen Maskenköpfe immerhin eine Rolle, was Abbildungen belegen.

 

BESCHREIBUNGEN AM 19. März.    EINS

„TEMPA“ MASKE MIT HÖRNERN etwa 35 cm hoch , davon machen die starken „Krallen“ 10 cm aus, Tiefe 16 cm an der Stirn und 13cm am Kinn, Breite 22,5 cm

Proportionen: Hörner 10cm,  Stirn rechts und links der Nasenwurzel 7cm , Augenbrauenbogen bis Nasen’spitze’ 10cm,  Mund und Kinn 10 cm. Kurz: Ein menschlicher Kopf ungleich der größeren „Tetela“-Maske.

Die berühmte üppige Körperlichkeit der „Tetela“ Gesichtsmaske. Bis auf die kantige Dreiecksnase ist Alles konvex. Die drei Hörner sind eigentlich keine, sondern starke Finger.

Die sorgfältig gezogenen und weiß gefüllten Linien in klar durch Rot abgeteilten Feldern (Pigmentreste) unter dem Kinn und an den Seiten besser geschützt. ; Rot wohl auch gänzlich im Bartbereich gleiche parallele aber doch frei gezogene Rillen. Wie kann ich sie virtuell rekonstruieren?

W: „Mit Respekt geschnitzt“

Bis auf die niedrige Stirn, die drei Hörner und die drei Vertiefungen, sowie den glatten, durch ein Dreieck verzierten geraden Nasenrücken herrscht überall das Dekor. Parallele Linien und die Frisur in kleinen Quadraten. Geheimratsecken ähnlich denen der Kuba-Bushong oder Dengese trotz des flachgedrückten Schädels. Auch die vorstehende Stirn passt!

Gleichmäßige Dicke des dichten mittelschweren Holzes, dem Arbeitsaufwand nur angemessen.

Kanten und Ränder der Rillen zeigen glänzenden Abrieb, an Mund und Nase sorgfältig; die kurzen senkrechten Rillen unten an den Augenlidern könnten Wimpern andeuten.

Komfortabler Innenraum, keine scharfen Kanten, gute Sicht unter den schweren Augenlidern hindurch und durch kleine Öffnungen am Nasenende auch nach unten. Von ihnen geht ein Bündel paralleler Linien aus, das anderswo Tränen bedeuten soll.

Glanz innen im Nasenbereich. Sorgfältige Reparatur des ausgebrochenen mittleren Horns, die Bruchlinie ist erkennbar, innen an einer Seite ein Harzfleck

17 Bohrlöcher in etwa gleichen Abständen

Dezenter Harzgeruch

Ein in sich gekehrter Ausdruck gerade durch Augen und Mund. Unheimliche Ansammlung von Symbolen!”

 

ZWEI BESCHREIBUNGEN  :  ZWEI m  + ZWEI w

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der überlebensgroße ‚korpulente’ Maskenkörper beeindruckt mich am stärksten. Vierzig Zentimeter max. Höhe bei 22 cm Breite und 18 cm Tiefe. Er verkörpert Macht. Vielleicht versteckten sich unter dem weiten Maskenkleid auch Plateausohlen. Für de Heusch gehören solche Masken zur Ausstattung von Heilern in der Region. Zur Deutung der  Maskentypen lassen wir ihn anschließend selber zu Wort kommen.

Die Zierkerben sind in diesem Fall breiter und flacher und mit Resten mehrerer Kaolinschichten gefüllt. Hörner fehlen, aber in die Frisur sind drei kreisrunde Vertiefungen eingeschnitten. Auch wenn die andere Maske Hörner plus Vertiefungen hat, könnten diese für Hörner stehen. W. hat keine andere Idee. Der gute Zustand fällt auf. Auch diese Maske wurde mit Respekt gehauen und dekorativ ausgestattet. Das Dekor ist schlichter, aber auch diese Maske hat ihre physische Integrität bewahrt. Nur geringe Spuren von Holzschwächen, Fraß, alle durch Pflege ausgebügelt.

 

Am 27.7. erlebe ich eine Überraschung: eine zweite Maske desselben Typs.

Ich nehme sie zur Probe mit. Der genaue Vergleich zeigt mancherlei  Unterschiede, die schließlich in der Vermutung resultieren, dass es sich um Mann (die erste) und Frau (die zweite) handelt. Zunächst zwei Fotos:

Tempa Paar Aufsicht IMG_0812

Tempa Paar Kinnpartie IMG_0817

w ist 37 lang, durch den breiten schrägen Rand, in den umlaufen große Löcher gebohrt 24,5 cm breit, das Gesicht aber nur 21 cm breit, schmaler und gewölbter als das der Maske m.

Die Grundform ist von w ist oval, sowohl auf dem Rand wie in der Gesichtsform. Das Oval von w wird durch die umlaufenden Linien in der Kinnpartie und – unterbrochen- in der Wangenpartie betont, im Gegensatz zu vertikal und diagonal gezogenen kurzen Rillen auf der Vergleichsmaske.

Von der Seite wirken die Gesichtsproportionen von w natürlicher, bei m mächtiger, in der Untersicht noch stärker.

Die Stirnpartie und die Frisur von w sind ruhiger und höher – etwa 17 w (zu 12 cm) m bis zur Augenbrauenmitte, wovon zwei majestätische Augenbrauenbögen ausgehen. An m ist die lange Partie (24,5cm) kissenförmig unter den Augenschlitzen, auch wegen der kurzen Nase. Und mittendrin ist der leichte smiley-Schlitz des Mundes eingebettet. Abstand zur Nase ist 6 cm m statt 4,5 cm bei w.

Die Mundpartie steht mehr vor, das Loch des Mundes ist vorgewölbt wie beim Sprechen, ein rechteckiger Schlitz. Zusätzlich moduliert stilisierend die Schraffur die Mundmuskulatur, sie erinnert an anatomische Zeichnungen im Lexikon!

Die Rillen-Ornamentik erlaubt unterschiedliche Andeutung von Mimik. Übrigens kann ich in w einen Halbkreis kurzer Rillen als Kinnbart lesen; das ist auch bei m möglich. Bei w führen zehn Rillen von der Nase nach unten zur Oberlippe wie ein moustache (Schnauzbart). Bei m führen fünf senkrechte Rillen auf die Mundwinkel, ähnlich den öfter vorkommenden „Tränen“, aber es sind keine.

Nicht voreilig überinterpretieren!  Vielleicht doch kein Paar, sondern bloß individuelle Unterschiede?

Die drei runden Vertiefungen auf dem Schädel sind bei beiden gleich

 

ANSATZPUNKTE FÜR EINEN DIALOG MIT ARGUMENTEN UND ABBILDUNGEN DE HEUSCHS!

Auf S. 191 geht de Heusch auf die Maske im Katalog folgendermaßen ein:

Objects p.192 Tetela 13. LdH

Und schließlich präsentiert Torday als „Sungu“ einen Maskentyp von unbestreitbarem ästhetischen Wert. Diesmal handelt es sich um eine Maske mit drei Fellhörnern, die zusammen mit ihrem Faserkostüm an das British Museum geliefert wurde (Foto 13). Torday und Joyce geben es in ihrem Buch (1922, S. 77) wieder und John Mack widmet ihm aus gutem Grund eine ganze Farbseite seines Katalogs. Wir wissen nicht, wo dieses Hauptwerk gesammelt wurde. John Mack sagt dazu, dass das Stück so beeindruckend war, dass es sofort nach dem Empfang ausgestellt wurde, noch bevor es in das Repertoire des Museums aufgenommen wurde.

Objects-p.191-Tetela – 14 – LdH

Zufällig schreibt Torday den Songye eine weitere gehörnte Maske zu, allerdings ein viel gröberes Exemplar: Die Linien auf dem Gesicht sind in Rot und Weiß bemalt und nicht graviert, und die drei Hörner sind in Holz geschnitzt (Torday & Joyce, 1922, S.29, F.14). Radikale Unterschiede in der Anordnung der Merkmale würden darauf hindeuten, dass die beiden Objekte nicht von der gleichen Handwerkskunst waren. Aber ihre Verwandtschaft lässt sich nicht leugnen. Der Songye-Ursprung der zweiten Maske ist unbestreitbar: Dunja Hersak hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass wir sie in der unteren rechten Ecke eines von Torday und Joyce veröffentlichten Fotos mit dem Titel „Basonge-Flötentanz“ erkennen (Torday & Joyce, 1922, S.20, Abbildung 6).

Dennoch besteht Félix darauf, es als eine Schöpfung von Tetela zu betrachten (Félix, 1987,p. 175:8). John Mack erkennt zwar den Zusammenhang zwischen den beiden, zieht aber nicht die logische Schlussfolgerung: Er glaubt weiterhin, dass es tatsächlich eine Tetela-Kunst gibt, diese aber auf die Sungu beschränkt ist. Er vertritt mit Bedacht die Hypothese, dass „die Assoziationen/Bünde der Sungu-Kunst“ bei den Menschen von Ober-Sankuru (in diesem Fall den Songye) zu finden sind und nicht bei den nördlichen Tetela, die laut Torday die Verwahrer einer älteren sind Kultur (Mack, n.d., S.63). Aber man muss sich fragen, wie eine Innovation, die der Nkutshu-Kultur so fremd ist, überhaupt entstehen und sich zweitens durchsetzen konnte.”

 

de Heuschs Vorschlag für die Verwendung solcher Masken.

Die Funktionen, die Torday dieser vermeintlichen Sungu-Maske zuschreibt, sind dürftig. Die Geschichte laut Torday besagt, dass die Maske von dem Magie-Heiler Wichi, einem „Medizin“-Hersteller, verwendet wird, der sie dazu verwendet, „um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen“ (Torday & Joyce, 1922, S. 74). Ein bisschen dünn, muss man zugeben. Der Begriff „wichi“ sollte in „weetshi“ umgeschrieben werden. Er bezieht sich tatsächlich auf die zentrale Figur im Tetela-Hamba-Ritualleben, der sowohl Wahrsager als auch Heiler ist. Seine Hauptaufgabe besteht darin, dieses höchste Übel, den Schadenszauber (black magic) , zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang ist es schwer zu erkennen, was den Weetshi dazu motivieren würde, seine Klienten zu terrorisieren.

1954 schickte ich einen meiner Informanten zu den Sungu, um ihren magisch-religiösen Glauben zu studieren. Seine Notizen zeigen eindeutig, dass die Rolle des Weetshi genau die gleiche ist wie die seiner Kollegen unter den Ngandu und Watambulu. Der Beruf umfasst zwei Arten von Praktikern. Der Weetshi wa Shakasaka ist im Wesentlichen ein Kräuterkundiger. Der Weetshi wa Diwulu nutzt unter anderem eine Wahrsager-Kalebasse, um die Quelle eines Übels aufzuspüren. Wenn er eine böse Tat aufdeckt, die vom Geist eines Verstorbenen (odimu) begangen wurde, wird er seinen Klienten exorzieren.

Keiner von ihnen verwendet Masken oder geschnitzte Figuren.

In der gesamten Nkutshu-Zone interveniert der weetshi um den siebten Schwangerschaftsmonat als Beschützer des Lebens : Dann führt er das oselo-Ritual durch, dessen Zweck es ist, den Embryo zu stärken. Gibt es einen besseren Beweis dafür, dass dieser Heiler eine positive magische Wirkung ausübt, die mit der Anwendung von Terror unvereinbar ist?

Im Gegensatz dazu wissen wir, dass bei den Zentralen Songye die Masken der männlichen Kifwebe-Vereinigung mit einer ambivalenten magisch-religiösen Ladung versehen sind, die oft für politische Zwecke eingesetzt werden (Hersak, 1986). Diese Auffassung von Autorität steht völlig im Widerspruch zur Tetela-Ideologie die ihren Anführern die Pflicht zur Großzügigkeit auferlegt und alle Formen von Zwang ablehnt.

Bei den Pseudo-Tetela-Masken handelt es sich also aller Wahrscheinlichkeit nach um Songye-Objekte, die Torday an der Grenze des Sungu-Landes gesammelt hat. Wir wissen, dass Objekte unabhängig von den Institutionen reisen können, in denen sie als symbolische Requisiten dienen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein einsamer Weetshi es auf sich genommen hätte, das Machtsymbol der Kifwebe-Vereinigung zu nutzen, um diejenigen zu erschrecken, die sich auf seine Heiltalente berufen. Das wäre ein Widerspruch in sich.

Im Gegensatz dazu haben wir kein Problem damit, dass ein Tetela-Weetshi sich eine magische Songye-Statuette hätte besorgen sollen, um sie als Wächter seines Hauses zu verwenden. Eine solche Figur erwarb White unter dem Songye-Namen „dikixi“ von einem„Hexendoktor“ (witch doctor) der Tetela, der sie in Lubefu vor seine Tür stellte. Diese Figur, eindeutig im Songye-Stil, befindet sich jetzt im Museum von der University of Pennsylvania (Ratner, n.d., S. 17). Aber solche Objekte existieren nicht –  wie die Masken – soweit es um den Beweis der Existenz einer bestimmten Tetela-Bildhauertradition geht.

TempaSongye Barbier-Mueller  ( Foto 15  , siehe oben)

Eine weitere der Tetela zugeschriebene gehörnte Maske befindet sich in der Barbier-Mueller-Sammlung in Genf (Foto 15). Diesmal ist es ein belgischer Spezialist für afrikanische Kunst, der die Verteidigung der Tetela-Kunst übernimmt (Neyt, 1992). Frangois Neyt schließt sich zunächst den Argumenten von John Mack an. Er glaubt mit diesem Autor, dass die Sungu „die am weitesten von der Tetela-Waldkultur entfernten Vertreter darstellen“ (Neyt, 1992, S. 9). Wie dieser Autor weiß er genau, dass die Waldbevölkerung der Region keine Masken herstellt. Anschließend greift er Macks Hypothese auf, wonach die Sungu diese Art von Objekten für ihre eigenen Zwecke erfanden und sich dabei von ihren südlichen Nachbarn, den Songye, inspirieren ließen. (….)” 

 

 

 

FUNDSTÜCK ZUM “KIFWEBE”-KONTEXT:

“Tetela Nkisi “liveauctionneers bildschirmfoto 2023-05-15 um 21.44

Am 15.  April probiere ich wieder eine formal eigenwillige und mit den folgenden Masken verwandte Maskenform aus:   DREI

AnaWaKasongo

W. versichert: Die Maske AnaWaKasongo = Kinder von Kasongo , Gruppe Tela (Tele?) , sie leben etwas nördlich auf der Höhe von Lubefu und sprechen Ikela, eine Mischung von Tetela, Songye u.s.w.

47 cm hoch, 18,5 breit und knapp 15 cm tief (am Hutrand und am )Fuß

Altes aber stabiles Holz, kleiner Insektenfraß oberhalb des linken Augenlochs mit Harz geflickt

2 bis 2,5 cm breite von oben nach unten abgesetzte Streifen/Schuppen*, als bildeten sie ein Dach; auf dem Hut rechts und links abfallend, im Gesicht von der Stirn bis ans gerade Kinn rechts und links aufsteigend, abwechselnd das glänzende Schwarz des geölten roten Holzes und ein vergilbtes Weiß. Die Kaolinschichten geben an den Kanten den dunklen Holzton frei.

* Erinnerung an einen Pangolin-Panzer

Mittelkante in zwei Stufen: Hut und Nase, die über die – in die Rundung eingeschnittene rechteckige Mundöffnung ein Dreieck bildet. Zwei solide Schneidezähne leicht zurückgesetzt mit quadratischem Grundriss, zwischen ihnen eine bewusste Lücke.

Gepflegt. Leichter Harzgeruch. Wände innen mit geglätteten Hackspuren, durchgehend etwa 1 cm dick. Im Abstand von 5 -6 cm individuelle geschlagene 26 Löcher rundum (bis auf die Spitze der Kappe), die seitliche Fortsätze (de Heusch S. 189, Abb. 8 Torday („Tetela“ aber Songye) und ein Netz für seinen Bart aus Stroh unten ermöglicht haben. An  der Maske “Objects…” Abb. 10 (Siehe unten)zähle ich darüber hinaus 27 Federn.

AnawaKasongo 15.4.2023

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Form ist mit der von Songye-Masken , genannt „Buadi“ aus Tempa (de Heusch 190f. Abb. 10-12 Müller 1910) und Abb. 7 und 8 (S.189 Torday Tempa) verwandt, soweit Vorder- bzw. Dreiviertelansichten ein Urteil erlauben. Eine durchgehende mittlere Kante bis zur Nasenspitze ist gemeinsam.

Die Augen bilden bei anderen meist Röhren, Mundlöcher sind kleiner und die Muster bloß aufgemalt. Generell sind die Länge unterschiedlich. ‚Auch’ die schwarzweiße Farbgebung herrscht überall. Die Befunde sind nicht überraschend, sondern bestätigen meine Erwartungen an ein durchmischtes Siedlungsgebiet. Eigenart, aber Familienähnlichkeit.

de Heusch widmet dem Typ im Aufsatz Aufmerksamkeit und reichlich Abbildungen. Hier pp. 190/191 :

Objects p.190 Tetela 10  LdH genannt Buadi, gesammelt von Administrator Müller 1910. Tervuren

 

 

 

Objects p.191 Tetela 11-12. LdH

 

 

 

 

 

 

 

.

Drei Masken, die zur gleichen morphologischen Klasse gehören wie die, die ich gerade beschrieben habe, wurden 1910 vom Museum de Tervuren erworben (Fotos 1O, 1 1, 12). Sie wurden von Administrator Müller geschickt, der sie mit demselben Namen wie die vorhergehenden Figuren (bwadi) identifizierte und ihre Herkunft eindeutig als Songye (und genauer als Tempa, die eine Songye-Enklave im Lubefu-Gebiet bilden) angab. Wir bemerken, dass diese drei Masken röhrenförmige Augen aufweisen, die stärker betont sind als die der Maske, die John White in Kasongo fotografiert hat.” (S.191)

unten pp. 188/189

9   deHeusch-S.189 John-Noble-White in Kasongo-1924

 

 

 

Mehrere Arten von Masken wurden von Torday gesammelt in der Grenzregion Sungu-Songye. Ein erster Typ, relativ summarisch in seiner Ausführung, weist einen großen, mit Federn geschmückten Kamm auf, der über ein Gesicht mit röhrenförmige Augen hinaus ragt. Die stark entwickelte Stirn und die Schläfen sind mit roten und weißen Streifen gefurcht. (….)  Torday und Joyce schreiben den Tetela (Sungu) noch eine andere Art von Maske zu. Sie veröffentlichen ein Exemplar neben der vorangehenden Maske in ihrem Werk (Torday & Joyce, 1922, S.76; Foto 8). Es handelt sich offensichtlich um eine stilistische Variante : Diesmal sind die gemalten weißen Linien, die das Gesicht, die Stirn und den gefiederten Kamm schmücken, deutlich krumm, und die Augen werden nicht durch Röhren gebildet. Dies ist die Maske, die von der angeblichen Sungu-Tänzerin getragen wird, die von den Autoren in demselben Werk veröffentlicht wurde (S. 75).

Eine wirklich bemerkenswerte Maske, die es verdient, als eine Transformation derselben Stilformel betrachtet zu werden, erscheint auf einem Foto, das von “Major” John White aufgenommen wurde, der von 1923 bis 1926 in der methodistischen Mission von Minga blieb. (…) Auf dieser spektakulären Maske wird eine lange konische Struktur, die die Stirn überproportional verlängert, wiederum von einem halbmondförmigen Kamm gekrönt (Foto 9). J, A. Ratners begleitender Kommentar erwähnt, dass das Foto 1924 von White aufgenommen wurde, während er von einem “Tetela-Hexendoktor” getragen wurde. Eine Notiz von White gibt weiter an, dass diese Maske Mwadi heißt, dass sie jetzt zu einer Londoner Privatsammlung gehört und in Kasongo gefunden wurde. Es scheint also, dass Kasongo für einige Zeit der privilegierte Ort war, an dem die Tempa Songye, deren Kultur uns völlig unbekannt ist, diese sogenannten Tetela-Masken an Torday und White lieferten. Sie unterscheiden sich zwar bis zu einem gewissen Grad von den klassischen Songye-Werken, die Dunja Hersak unter den westlichen Songye studiert hat. Aber die Familienähnlichkeit ist bei alledem nicht weniger offensichtlich.(….) ” (p. 188)

Eine frühere Erwerbung aus dem Raum “Tetela” gehört ebenso in den Kreis.                                                  VIER

 

ID 2.191 Tetela 21.12.19

Beobachtungen: 21. Dezember 2019

  • Das trockene Holz
  • (Verblasste) Farben Schwarz-weiß-rot
  • Das auffällig sauber verarbeitete Innere, überhaupt dünne Stege
  • Zwei kombinierte ‚Parabel’spitzen: Oben ein 26,5 cm breiter Halbkreis von 19 cm Höhe (rechts und links), in den ist ein 18,5 cm schmales und 31 cm hohes Gewölbe eingeschnitten. Gesamthöhe 50 cm, das Gewicht dank dünner Wände eher gering.
  • Die stechenden runden Tuben-Augen über einem schmalen kleinen Mund – die Metoko sind Nachbarn! Aber die Streifen sind stark verbreitert, unterschiedlich gefärbt und ‚in Reih und Glied’ gebracht. Anders als in den zwei Masken auf der Webseite von Bruno Mignot. Es ist aber eine mir aus einem Buch bekanntes Muster.
  • Die doppelten Augen – Anders als an der ‚Präsentationsmaske’„Lengola/Songola“ (LINK) sind die unteren Augen nicht dominant, sie sind auch nicht schräg, aber sie bilden Dreiecke wie die Augen bei der linken der von Bruno Mignot präsentierten Masken. Durch diese Augen kann man blicken.
  • Bohrlöcher hat bloß der Aufsatz, und gleich sechzehn davon. –       Befestigung? Federn kann man in diese sechzehn senkrechten Bohrlöcher nicht stecken. Wie sah das Kostüm aus?
  • Ohren hat die Maske keine, der Nasensteg ist dünn wie bei der einen Metoko, die abgeschnittene Herzform findet sich wieder bei der anderen.

 

Am 14. August fand ich im digitalisierten Katalog “The Arts of Africa” des Dallas Museum of Arts folgendes schöne Exemplar dieser Art kifwebe mit einer knappen Erklärung des Kontextes.

dma-295647 museum dallas of (p.89-162)

 

Dieser Blog ist eine kommentierte Materialsammlung, die weiter lagern und ‘reifen’ muss.   Die Nr. 5 habe ich gelöscht, da sie keine kifwebe ist, sondern einen Maskentyp der Waldvölker verkörpert. Stand: 6.9.2023

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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