DAS DUALA-PROJEKT – ZWEITE STAFFEL :Â Geschichte und Schicksal der Bootsmodelle und ihrer Sammler
Field Museum of Natural History â Jan Kleyman â Baron v.d. Heydt â J.F.G.Umlauff â Weltmarkt fĂŒr Ethnographica
 Vorwort
Die Geschichte meines Kanu-Modells ist Ihnen aus Blog zwei (LINK) bekannt. Ich habe noch einen Schnappschuss von der Ăbergabe anzubieten. Zur Legende des VerkĂ€ufers wird ganz am Schluss noch etwas anzumerken sein.
Auf der Spur der siebenundzwanzig Boote, die Leo Frobenius 1897 dokumentierte, hatten meine Anfragen in ganz Europa und den USA gute Resonanz und ich wusste erst einmal nicht, wie ich die ĂŒber dreiĂig dokumentierten Modelle miteinander in Beziehung setzen und vergleichen sollte.
Inzwischen sind mir sogar drei weitere Bootsmodelle mit demselben schmĂŒckenden Bugaufsatz meines Bootsmodells begegnet. Zwei sind in amerikanischen Museen gelandet, eins auch bei einem modernen Privatsammler . Ich nahm mir vor, alle vier zusammen zu behandeln, aber schon die erste âObjektbiografieâ kommt anderswo an als geplant. Sie hat sich in eine Milieuschilderung verwandelt und schlĂ€gt einen Bogen vom Field-Museum of Natural History in Chicago ĂŒber einen transatlantischen Deal aus zu zwei GroĂakteuren im Deutschen Reich: J.F.G. Umlauff in Hamburg und Baron von der Heydt. Und sie lĂ€sst sich nicht wirklich auf das betreffende Objekt fokussieren. â Auf vergleichende Betrachtungen mĂŒssen Sie noch warten.
Das Field Museum of Natural History in Chicago (LINK)
Das Field Museum of Natural History in Chicago wurde als Nachfolger  des Publikumsmagneten World’s Columbian Exposition von 1892-93 geplant – der Weltausstellung zum 400. Jahr der „Entdeckung Amerikas“. Nach dem ersten GroĂspender, dem Kaufhauskönig Marshall Field, wurde es benannnt. Der erste (nur inoffizielle) Kurator fĂŒr Anthropologie war Franz Boas, der Amerikas Anthropologie professionalisierte. Ăbrigens eine interessante deutsch-amerikanische Biografie! (LINK) Das Museum verfĂŒgt ĂŒber bedeutende Sammlungen.
Ende Februar 2021 wies mich der angeschriebene Museumskurator auf ein imposantes Bootsmodell von weit ĂŒber zwei Metern LĂ€nge hin (Zugangs-Karte A no. 1608). Er beantwortete mir Fragen, gab wertvolle Hinweise und und stellte ein paar aufschlussreiche Dokumente zur VerfĂŒgung.
Das groĂe Bootsmodell gelangte als Teil einer fast zweitausend Objekte umfassenden Sammlung von Kamerun-Kunst 1925 in den Besitz des Field–Museums Ăber diesen groĂen Ankauf schickt mir der Kurator Christopher Philipp aussagekrĂ€ftige Dokumente. SelbstverstĂ€ndlich wĂ€re diese Transaktion allein schon ein unerschöpfliches Forschungsfeld und ist bisher unbefriedigend dokumentiert.
Der Ankauf im Sommer 1925 geht zĂŒgig vonstatten.
Ich ĂŒbersetze aus dem Brief von Jan Kleykamp Galleries, New York vom 16. Juni 1925 an Stanley Field:
Heute habe ich den Transport der Kamerun-Sammlung veranlasst, die Fracht ist bezahlt. Herr Laufer teilte mir mit, dass Sie die Sammlung in Ihrem Institut prĂŒfen wollen, unter der Bedingung, im Fall einer etwaigen RĂŒcksendung deren Kosten zu ĂŒbernehmen.
Ich musste mit meinem Partner in Holland die Sammlung kaufen, zusammen mit einer sehr schönen Kollektion chinesischer und japanischer Malereien, und da ich mich auf frĂŒhe chinesische Kunst spezialisiere, bin ich daran interessiert, die Sammlung so rasch wie möglich wegzugeben, weswegen ich Ihrem Institut die niedrige Angebot von dreiĂigtausend Dollar fĂŒr fast zweitausend StĂŒcken mache. Das deckt kaum meinen Einkaufspreis und die bisher entstandenen Unkosten. Kleykamp bietet Ratenzahlung an und bittet um eine möglichst rasche Entscheidung, da andere Institute interessiert sein könnten, auch wenn er bisher keinem Fotos gezeigt habe.
Der damalige Curator of Anthropology Dr. B. Laufer schreibt bereits am 23. Juni (jpg 4785) am Kleykamp (in Ăbersetzung) :
Ich bemerke, dass acht Bildtafeln der Original-Alben Umlauffs mit diversen Objektfotografien in den beiden Alben ausgeschnitten sind, die Ihre Kamerun-Sammlung illustrieren. Er zĂ€hlt 14 fehlende Nummern auf – zwischen Tafel 36 und 109 – und fĂ€hrt fort: Es sieht so aus, dass der ursprĂŒngliche EigentĂŒmer ausgerechnet die besten Exemplare herausgepickt und behalten hat. Ob das Umlauff oder Baron von der Heydt oder sonst wer getan hat, weiĂ ich natĂŒrlich nicht. Ich bitte Sie, das herauszufinden und und auf die RĂŒckgabe dieser 14 Objekte zu dringen. Es wĂ€re doch schade, wenn die Sammlung auf diese Art verdorben wĂŒrde.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf ein anderes Thema lenken. Im Vorwort zu seinem Album erklĂ€rt Umlauff, dass die sehr detaillierte Originalliste der Sammlung und 600 Fotografien, die vom Sammler (collector) Schroeder in Afrika aufgenommen wurden, dem Erwerber der Sammlung kostenfrei ĂŒbergeben wĂŒrden. Sie sollten darauf sehen, dass Sie beides erhalten, weil es mir beim Katalogisieren und Etikettieren der Sammlung von unschĂ€tzbarem Wert sein wĂŒrde. Yours very sincerely B. Laufferâ
Am 14. Juli antwortet J.C.F. Umlauff, der Sohn des Inhabers Heinrich Umlauff aus Hamburg:
Sehr geehrter Herr Doctor ! Im Auftrage des Herrn von der Heydt, Zandvoort, sandte ich Ihnen heute per D.Deutschland eine Kiste enthaltend 540 photographische Platten. Liste ĂŒber die einzelnen Aufnahmen liegt bei. Mit vorzĂŒglicher Hochachtung
He is sending a box with 540 photographic plates. These are sent at the request of Baron v. Heydt, Zandvoort. A list is with them  signed J.G.F.Umlauff
Am 27.Juli adressiert der Kurator B. Laufer eine Empfehlung an den leitenden Direktor des Field-Museum D.C.Davies. Er rĂŒhmt den Kulturraum Kamerun, der die höchste Entwicklung der Negro art reprĂ€sentiere und manche AffinitĂ€t zur Kunst des alten Benin und der des Sudan aufweise, die im Museum gut vertreten seien. Die BronzegĂŒsse dieser Gruppe rivalisieren mit denen von Benin und ihre Holzschnitzereien sind wahrscheinlich die besten in Afrika. Viele von ihnen sind Bauteile der HĂ€user von HĂ€uptlingen wie TĂŒr- und Fensterrahmen… Die einzelnen Objekte sind alle gut definiert nach Ort und tribe und zweifellos wurden sie mit Intelligenz und gutem Urteilsvermögen gesammelt. Es ist eine sehr feine Sammlung von groĂem wissenschaftlichen Interesse und kĂŒnstlerischem Wert. (S.2) Anders als die eher zufĂ€llig zusammengekommenen Erwerbungen bietet sie das akkurate und vollstĂ€ndige Bild einer wohldefinierten Kulturprovinz und illustriert lebendig die kunstwerblichen (industrial arts) Errungenschaften des Negers. AuĂerhalb Berlins gibt es wohl keine zweite Sammlung dieser Art.
Am 7. August 1925 ist bereits der Zugang der etwa 1950 Objekte eingetragen. Der Kaufpreis betrÀgt $ 27.000 ; die Fotos sind noch nicht eingetroffen und werden angemahnt.
Unbeachtet, unbemerkt
In der FĂŒlle aufgezĂ€hlter Dinge fehlt ĂŒberraschenderweise das groĂe, mit zweimeterneunzig eigentlich unĂŒbersehbare Bootsmodell der Duala, das heute als Attraktion gilt. Damals war es wohl nicht âauthentischâ genug, als Kameruner Exportprodukt anrĂŒchig.
Auch auf der mir vorliegenden Zugangskarte No.1608 vom Aug.7 1925, signed B. Laufer â ist das Boot nicht erwĂ€hnt, auch nicht in deren summarisch verkĂŒrzten Objektliste. … musical instruments, tobacco pipes, baskets…. ja! Bootmodell? Nein! Es ist bloĂ eine Nummer irgendwo zwischen den Catalogue Numbers 174051 und 175823. Die mitgeschickte fast leere Objektkarte datiert aus den 1950er Jahren.
Dann geht es aufwÀrts:
1968 wird die No. 175469 laut Konservatorenbericht vier Wochen lang aufwendig restauriert.
Das geschieht auf Veranlassung von Leon Siroto, 1965-70 Assistant Curator African ethnology (Fieldiana anthropology 2003, p.260.
Vor allem der Bug hat es nötig: Alle OberflĂ€chen sehr schmutzig, Bug gebrochen und schlecht repariert (Kleber, NĂ€gel, zusammengeschraubt, ĂŒbermalt), Holz durch HolzkĂ€fer beschĂ€digt…. fehlende Elemente mĂŒssen ersetzt, Fremdstoffe entfernt,ein Bereich rekonstruiert und Bugelemente gesichert werden. (in Auswahl ĂŒbersetzt). – Ich sehe nun die faszinierende Fernwirkung des langen Bootskörpers und seiner Figuren mit anderen Augen und kann mir den weniger ‚frischen‘ Zustand des Bootsschmucks erklĂ€ren. Vielleicht gehören die beiden Teile ursprĂŒnglich gar nicht zusammen. Sie sind wie ĂŒblich ja bloĂ durch Riemen und Stift verbunden. Â
Bei der groĂen Ausstellung „The Art of Cameroon“ schafft es das Boot zwar nicht auf den Titel, aber u.a. auf die Seite Drei des Katalogs.
Die Reizworte âBenin Bronzenâ und âBerlinâ
Bei der ErwĂ€hnung von Berlin und von Benin im Zusammenhang mit Bauteilen aus HĂ€uptlingsresidenzen der Königreiche im Kameruner Grasland regt sich bei mir zum ersten Mal in der bisher so âcleanenâ internationalen SphĂ€re wieder die Frage nach den konkreten ErwerbsaktivitĂ€ten der Firmen Umlauff, Hagenbeck u.a. in der Kolonialzeit.
Field-Museumskurator Philipp hat zu einem zweiten Bootsmodell (Catalog number 28504), das von Rosalinde Wilcox erwĂ€hnt wird (2002, African Arts t.35, p.49) die Information, es sei Teil der Hagenbeck-Sammlung gewesen, welche direkt nach der SchlieĂung der Columbus gewidmeten Weltausstellung 1893 (in Chicago) in das Museum gekommen sei. (Mail am 27.2.21) Und in seiner Mail vom 1.3.21 ergĂ€nzt er: Das Museum verfĂŒgt ĂŒber umfangreiche BestĂ€nde sowohl an Hagenbeck-Material (entstanden aus der Weltausstellung 1893 – wie das andere Kanumodell) als auch umfangreiche nicht mit Kleykamp verbundene Beziehungen zu J.F.C. Umlauff. (Ăbersetzungen)
Â
âJan Kleyman Asian Collectionâ und Dr. Berthold Laufer
Jan Kleymans in derselben Transaktion erworbene chinesische und japanische Malereien gehen an das Art Institute of Chicago(AIC), das seit der World’s Columbian Exposition von 1892-93 ĂŒber ein reprĂ€sentatives AusstellungsgebĂ€ude verfĂŒgt- (LINK) . Die Kleyman Collection wird bereits ab 15. Dezember 1925 einen Monat lang gezeigt, eingeleitet von Berthold Laufer (1874-1934). (LINK)
Kurator Philipp (Mail 1.3.21): Laufer war ein langjĂ€hriger Kurator fĂŒr das Field Museum, der fast seine ganze Karriere hier arbeitete. Er war spezialisiert auf Asiatica und das ist wahrscheinlich seine Verbindung zu Kleykamps Sammlung von Malereien im AIC. Er ist verantwortlich fĂŒr die groĂen China-BestĂ€nde , um die wir uns in Chicago kĂŒmmern.(Ăbersetzt)
8.4.24 Dr. Berthold Laufer taucht in einem en-wikipedia-Beitrag ĂŒber den international operierenden Asiatica-KunsthĂ€ndler C.T.Loo als einer von dessen Katalogautoren auf. Er hat auch einen eigenen en.wiki-Beitrag mit FotoportrĂ€t.
Baron Eduard von der Heydt (1882 â 1964)
 AuszĂŒge aus dem Wikipedia-Beitrag (Stand 24.12.2020, abgerufen 13.7.2021, LINK)
Er war Bankier vor 1914 in New York und London, Diplomat, Kunstsammler und MĂ€zen, kaufte1926 den Monte VeritĂ bei Ascona im Schweizer Kanton Tessin und machte ihn zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt, begann in den zwanziger Jahren asiatische und afrikanische Kunst zu sammeln, ausgehend vom Gedanken der ars una: Kunst sei nicht national oder regional beschrĂ€nkt, sondern bilde ein grundsĂ€tzlich einheitliches menschliches Gesamtwerk. Er baute eine der weltweit gröĂten Privatsammlungen chinesischer und indischer Kunst auf, wobei er zahlreiche Werke als Leihgaben Museen ĂŒberlieĂ. Als Monarchist und Nationalkonservativer wurde er 1933 Mitglied der NSDAP, Er erwarb die Schweizer StaatsbĂŒrgerschaft 1937, diente im Zweiten Weltkrieg in der Schweiz als Banker Hitlerdeutschland. Die US-Regierung konfiszierte 1948 alle amerikanischen Bankguthaben und Vermögenswerte von der Heydts in den USA. 1946 ĂŒbergab von der Heydt seine ostasiatische Kunstsammlung der Stadt ZĂŒrich als Grundstock fĂŒr das Museum Rietberg. Das Museum Rietberg hat seit 2008 die 1600 Objekte der Sammlung von der Heydt auf ihre Provenienz ĂŒberprĂŒft, um NS-Raubkunst ausfindig zu machen. Als Ergebnis dieser ĂberprĂŒfung wurden 2010 fĂŒr vier Kunstwerke EntschĂ€digungen an die Erben gezahlt.
Ăbrigens trat Baron Heydt in frĂŒheren Blog-BeitrĂ€gen einmal als privilegierter Kunde von Charles Ratton auf (Link) ein anderes Mal als Mentor von Werner Muensterberger (Link).
Die Firma J.F.G.Umlauff in Hamburg
Eine sorgfĂ€ltige Literatur- und Akten-Studie von Hilke Thode-Aurora unter dem Titel âDie Familie Umlauff und ihre Firmen â Ethnographica-HĂ€ndler in Hamburgâ (mitteilungen aus dem museum fĂŒr völkerkunde hamburg, neue folge band 22, 1992, 143-158) bringt Licht in die komplizierten familiĂ€ren und unternehmerischen Verbindungen und erlĂ€utert die GeschĂ€ftspolitik. Ich zitiere zusammenfassend daraus. Zur Veranschaulichung ĂŒbernehme ich vier Reproduktionen aus der Studie von Britta Lange: Echt, Unecht, Lebensecht. Menschenbilder im Umlauf (Kadmos Verlag, Berlin 2006). Britta Lange durchleuchtet die damals herrschenden Vorstellungen von „AuthentizitĂ€t“, die Darstellung von Mensch und Tier, die Museologie, Feindbilder und die Filmindustrie.
Wir sehen nun den Deal mit Galerie und Museum in Amerika im gröĂeren Zusammenhang, der GeschĂ€ftspartner in Hamburg, der Firma, die wenigstens bis 1914 wie eine Spinne im Zentrum des Welthandelsnetzes mit Ethnographica saĂ. Zugleich wird die damalige Symbiose von wissenschaftlichen, schaustellergewerblischen und propagandistischen BedĂŒrfnissen spĂŒrbar.
Firmengeschichte
GrĂŒnder der ersten Firma unter dem Namen Umlauff, die mit Ethnographica handelte, war Johann Friedrich Gustav (J.F.G.) Umlauff (1833-1889), der als junger Mann zur See fuhr, 1863 eine Schwester des TierhĂ€ndlers Carl Hagenbeck heiratete und 1868 in Hamburg eine Firma mit dem Namen âNaturalienhandlung, Muschelwaaren-Fabrik, verbunden mit einem Zoologisch-Ethnographischen Museumâ grĂŒndete. Das Familienunternehmen wuchs und zog wiederholt um. Hatte die Firma bisher ihre BestĂ€nde anscheinend hauptsĂ€chlich von den Hamburg anlaufenden Schiffen bezogen, so ging man jetzt (1873) dazu ĂŒber, ausreisende Seeleute, Sammler, HĂ€ndler usw. gezielt zu beauftragen. (S.145) Nach seinem Tod ende 1889 fĂŒhrte seine Witwe die Firma unter Mithilfe Carl Hagenbeck und ihres Ă€ltesten Sohnes Heinrich (1869-1925) weiter. Die mitarbeitenden Kinder spezialisierten sich, der junge Heinrich auf Ethnologica, aber er war auch der eigentliche Chef. In âUmlauffâs Weltmuseumâ entwickelte er eine besondere SpezialitĂ€t der Firma: sogenannte zoologische-biologische oder auch ethnographische Gruppen, d.h. aus lebensgroĂen Puppen, Ethnographica und ausgestopften Tieren zusammengestellte Szenen; die Figuren wurden anhand von Fotos und GipsabgĂŒssen modelliert. AuĂerdem gab es vom GrĂŒndungsjahr an Völkerschauen zu sehen. (147) Nach den GeschĂ€ftsbĂŒchern reichte die Bandbreite der gehandelten Artikel von den erwĂ€hnten Zoologica, Konchilien und Ethnographica in verschiedenster GröĂe, Beschaffenheit und Anzahl bis zu Anthropologica aller Art (SchĂ€del, Knochen, Gehirne und Föten in Spiritus). Das bedeutet, daĂ auĂer Pflanzen einfach alles, was ein Reisender aus einem fernen Land mitbrachte, von der Firma Umlauff aufgekauft und weiterverĂ€uĂert werden konnte; hĂ€ufig auch lebende Tiere, die dann an die Firma Hagenbeck weitergegeben wurden oder, wenn sie wie in vielen FĂ€llen eine Reise nicht ĂŒberlebten, sowieso von der zoologischen Abteilung verwertet wurden. Die Abnehmer dieser diversen Dinge waren Museen und wissenschaftlichen Institute der entsprechenden Fachrichtungen sowie Privatsammler in aller Welt, bis hin zum damaligen Dalai Lama. Ein weiterer Reklame- und Erwerbszweig der Firma war das Ausrichten oder mindestens Beschicken von Ausstellungen zu den verschiedensten Themen.(147/8)
Thode-Arora zitiert einen Brief von Heinrich Umlauff an Graf Linden in Stuttgart 1897:
âDas Museum Umlauff … lĂ€sst die Ethnographica theils durch eigene Reisende unter groĂen Kosten sammeln, theils erwirbt es dieselbenvon glegentlichen Sammlern, oder auf Auctionen im In- und Auslande, oder durch Ankauf von Privatsammlungenâ (148)
 GeschÀftsgrundsÀtze
Sammlungen wurden zwar vorzugsweise nicht auseinandergerissen, sondern nur geschlossen abgegeben, denn gut dokumentierte StĂŒcke erhöhten natĂŒrlich ihren Wert. Bei Objekten, die in groĂer Menge vorhanden waren, nahm man es allerdings nicht so genau;so entfernte man von einer Reihe von Mumien die SchmuckstĂŒcke, bevor sie an Museen oder auch Schausteller weiterverkauft wurden. Einige von ihnen wurden auch von den PrĂ€paratoren mit AffenhĂ€nden und Fischhaut versehen, ĂŒbermodelliert und als âSeejungfrauenâ ebenfalls an Schausteller verkauft. (150) Heinrich Umlauff stellte auch leihweise in Museen ethnographische Gruppen auf, die er spĂ€ter an diese oder andere Interessenten zu verkaufen hoffte. (149)
Eine wichtige Aktion war der Verkauf von zwei Maori-VersammlungshĂ€usern. Das erste bot Umlauff zwischen 1902 bis 1905 wiederholt dem Linden-Museum in Stuttgart an, zuerst fĂŒr 30.000 Mark, spĂ€ter fĂŒr 22.000 Mark. Obwohl er schlieĂlich dem Leipziger Museum dafĂŒr zugestand, scheint es sich um das Versammlungshaus zu handeln, das heute im Field Museum in Chicago steht. (150) (Sidney M.) Mead zitiert ein 1902 veröffentlichtes Heft, das offenbar das Haus in Chicago beschreibt. (151) FĂŒr das zweite, das vom Hamburgischen Museum fĂŒr Völkerkunde im MĂ€rz 1907 erworben wurde, verlangte Heinrich Umlauff 35.000 Mark. WĂ€hrend der monatelangen Verhandlungen â auch ĂŒber die Ratenzahlungen – lag es im Hamburger Freihafen.
 Aus der Korrespondenz (zwischen Umlauff und dem Hamburger Museums fĂŒr Völkerkunde) geht hervor, daĂ die Herausgabe von Dubletten von Seiten des Museums oft dazu diente, fĂ€llige Rechnungen bei der Firma Umlauff zu begleichen. Vor 1914 knĂŒpfte (Direktor) Thilenius die Bedingung daran, solche StĂŒcke auĂerhalb Europas oder zumindest Deutschlands zu verkaufen, auf jeden Fall aber nicht an das Berliner Museum, sicherlich vor dem Hintergrund seiner Bevorzugung beim Erwerb ethnologischer Objekte von Kolonialbeamten. (151)
Anpassung an die Krise
Der erste Weltkrieg brachte Absatzschwierigkeiten. Heinrich Umlauff beschickte jetzt âKriegs- und Beuteausstellungenâ; seine modellierten Gruppen zeigten keine fremden Völker mehr, sondern Soldaten mit Waffen. (151)
Als weiteres GeschĂ€ftsfeld kam ab 1918 die Ausstattung von exotischen Spielfilmen vor allem der Ufa Film-A.G. hinzu. Sein Bruder Johannes stattete 1921 ebenfalls Filme wie Joe Mays Das indische Grabmal nach dem Roman von Thea v. Harbou aus, ĂŒbrigens mit 395 Leihgaben, die er vom Hamburgischen Museum fĂŒr Völkerkunde erbat. (152) Museumsdirektor Hellwig argumentierte: âWir halten es unsererseits fĂŒr erfreulich, wenn die Filmgesellschaften um eine sorgfĂ€ltige originalgetreue Ausstattung ihrer VorfĂŒhrungen bemĂŒht sind …. auf der anderen Seite aber mĂŒssen wir das Risiko bedenken, welches unsere BestĂ€nde laufen, da die ausgeliehenen GegenstĂ€nde nach monatelanger Abwesenheit und öfterem Gebrauch unmöglich wieder im gleichen, jetzigen Zustande uns zurĂŒckgeliefert werden können...â Er schlieĂt die Bitte um eine Extra-Anweisung an, falls der Film Erfolg haben sollte. Koch-GrĂŒnberg vom Linden-Museum lehnte 1917 Umlauff gegenĂŒber eine entsprechende Bitte ab: âEin Film wird aber noch lange nicht dadurch wissenschaftlich, daĂ man etwa Filmschauspieler oder Hamburger Hafenarbeiter mit echten KostĂŒmen behĂ€ngt. Damit wird man â100 tausendenâ nicht eine âBelehrungâ geben, sondern wird sie nur tĂ€uschen und falsche EindrĂŒcke erwecken. â Freilich gehen unsere Begriffe bezĂŒglich âKitschâ weit auseinander.â(153)
Das Jahr 1925 fĂŒr die Firma J.F.G Umlauf
Heinrich Umlaufs plötzlicher Tod am 22. Dezember 1925 (LINK) markiert den Niedergang der Firma, die bald darauf verschuldet war. Ihr Objektbestand umfaĂte damals ca. 24.900 Nummern im Wert von 202.293 Mark, wie aus einer SchĂ€tzung von (Museumsdirektor) Thilenius hervorgeht. (12.2.1926). Thilenius beurteilte die Sammlungen als von meist durchschnittlicher bis zum Teil sehr guter und im Wert steigender Art…. Auf Grund der Geldknappheit habe er Herrn Umlauff geraten, sein Prinzip, nur geschlossene Sammlungen zu verkaufen, aufzugeben, denn so könnten zunĂ€chst âDublettenâ verĂ€uĂert und eine gröĂere Klientel erschlossen werden; auĂerdem schaffe es Platz in den LagerrĂ€umen…. Man soll Umlauff Zeit lassen und mögliche KĂ€ufer direkt anschreiben. Er sei bereit, auch seine persönlichen Beziehungen dafĂŒr einzusetzen. (15.2.1926)
Obwohl laut Briefkopf Umlauffs Witwe (Anita) die EigentĂŒmerin des Unternehmens geworden war, sind die Briefe in dieser Zeit fast alle an ihren Ă€ltesten Sohn gerichtet, der â passend zum Firmennamen â wieder auf Johann Friedrich Gustav getauft worden war. (154) Er machte sich irgendwann zwischen 1928 und 1930 selbstĂ€ndig. Bis zu seinem Tode 1942 gehörte das Hamburger Museum fĂŒr Völkerkunde zu seinen Kunden, wegen der angespannten Finanzlage der Stadt oft wieder durch Tausch. (154)….
Wie eingangs schon erwĂ€hnt, lĂ€sst die Quellensituation zu den fĂŒr die Völkerkunde interessanten AktivitĂ€ten der verschiedenen Umlauff-Firmen durchaus zu wĂŒnschen ĂŒbrig, besonders was die âBlĂŒtezeitâ unter Heinrich Umlauffs Leitung betrifft. (155)
–Â Ende des ersten Teils –
Was diese Recherchen in meinem Kopf verĂ€ndert haben, kann ich noch nicht absehen, bis auf die Einsicht, wie trĂŒb die Quellen wohl aller um die Jahrhundertwende anschwellenden Museumssammlungen waren. Die Firma Umlauff akzentuiert dabei die gewerbliche, die kommerzielle Seite ihrer Erwerbungen. Zu erkennen, dass Dinge voller Bedeutung als Waren in groĂen Sammeltanks gelandet sind – vielleicht mit einem Etikett um den Hals – und ganz nach Kalkulation des HĂ€ndlers oder Bedarf der KĂ€ufer neu zusammengestellt wurden, nimmt der Provenienzforschung jede hoffnungsvolle Perspektive. Es geht ja nicht nur um Carl Hagenbeck oder J.F.G. Umlauff; dasselbe machte ja in den zwanziger Jahren Paul Guillaume in Paris (LINK – dort der lohnende Verweis auf die Analyse der Sammlung Coray von Andreas Schlothauer in âKunst & kontextâ 1/2016 (LINK). Und wer sonst alles noch?
Stand die ‚moderne‘ Produktion von anonymer ‚Handelsware‘ etwa moralisch höher als die staatlich veranlasste Wegnahme von autochtonen KulturgĂŒtern?Â