Werner Muensterberger – Mit Masken durch das Jahrhundert

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nach der Lektüre von:  Lisa Zeitz – Der Mann mit den Masken – Das Jahrhundertleben des Werner Muensterberger, Berlin Verlag 2013, 25 €   

Hinter großspurigen Masken erscheint der Mensch, der durch das  Pathologisieren des Sammlers und Sammelns populär geworden ist,  übrigens ein Sammler.

Lisa Zeitz ist Expertin auf dem Gebiet des internationalen Kunstmarkts und hat Muensterberger seit 2005 bis zu seinem Tod 2012 immer wieder besucht. Sein unvollendetes Manuskript über „Fälscher auf der Couch“ veröffentlicht sie im Anschluss an den biografischen Teil des Buches, das übrigens verführerisch schön illustriert und ausgestattet ist.

Ein pralles mondänes Leben bis ins biblische Alter, ein Großbürger (Industriellensohn und Erbe), Lebemann, Schlitzohr – wie eben die Leute, die die Stammeskunst seit den zwanziger Jahren in den Klauen haben. Und ebenso die Kunst der Klassischen Moderne, in gewissem Sinn eine verschworene Gemeinde.

Er erscheint als unkreativer Theoretiker, ob nun als Psychoanalytiker oder Ethnologe, schnell mit dem Urteil, wurschtig doktrinär aus Bequemlichkeit, das Wissen und die Konzepte aus der Sekundärliteratur gezogen. Er fotografierte nicht. Feldforschung? Genuss, auch auf Bali. Die Dissertation ohnehin zusammenzitiert. Opportunistisch und flexibel. Sein Lehranalytiker arisierte die Analytikerorganisation und diente später dem Regime als Gutachter für Simulanten, sein erster kunstethnologischer (!) Mentor arrangierte sich mit den Nazis, ohne dass Muensterberger etwas mitbekommen haben soll. Der Bankier-Kollaborateur von der Heydt hat ihn nach Kriegsende nicht angewidert. Eine Frau hat ihn über Jahre buchstäblich gerettet in Amsterdam. Er verlässt sie mit Aussicht auf Amerika.

Vital und dickfellig, umtriebig Beziehungen knüpfend und nutzend. Bemerkenswert, wie er sich jahrelang im Dritten Reich in der Balance gehalten hatte, immer einen Gönner in Reichweite. Und ohne erkennbares soziales Gewissen. Er folgte dem Geld, dem Geschäft mit den Klienten und generell dem Genuss. Die Autorin schmeckt den genießerisch nach und ist sich für Prominentenklatsch nicht zu schade. Dem alten Draufgänger, der kein privates persönliches Archiv hatte, war natürlich auch kaum mehr als name-dropping und Heldentaten zu entlocken. Die leichte Hand beim Schreiben kann eine Lösung sein bei so unsicherer, >disparater< Quellenlage. Muss ich mich fragen, ob das Buch ihm überhaupt gerecht wird?

Was sagen die Rezensionen zur Biografie? Verrisse seines „Sammeln, eine unbändige Leidenschaft“ werden dokumentiert, vor allem der unbestechliche Verriss durch Louise Bourgeois.

Die FAZ-Kunstmarkt-Redaktion ist begeistert. Die Autorin ist sowieso eine Geistesverwandte. Eine Biographie mit exklusivem Zugang im Grunde für einen exklusiven Kreis, der sich von dieser flotten Jahrhundertbiografie einer schillernden Persönlichkeit blendend repräsentiert fühlen kann.

16. Mai 2013, Kreta

 

 

Muss das schon wieder ein Abschied werden?

Muensterberg war mir ein Begriff durch sein Buch: Sammeln, eine unbändige Leidenschaft – Psychologische Perspektiven, Berlin Verlag 1995. Ich hatte es im April 2004 auf dem Land gelesen. Es hinterließ einen bleibenden, etwas einschüchternden Eindruck, weil schließlich auch in mir als Sammler ein schlechtes Gewissen wohnt. Der Analytiker bediente es diffus mit seinem psychoanalytisch souveränen Griff in die Kiste der Leidenschaften, wenn ich mich auch kaum in seinen exzentrischen ‚Psychobiographien’ der Oberklasse wiederfand. – Deren Styling wird nun in Zeitz’ Biografie klar. Nicht ins Schema zu passen, war für Muensterberg schlichtweg Ausschlusskriterium. Überdies war er selber Kunstsammler und Kunsthändler, alles zusammen eine trübe Mischung! Das sah man der Studie von 1995 nicht an.

‚Erlöst’ hat mich viel später Manfred Sommers phänomenologische Studie Sammeln – ein philosophischer Versuch, Suhrkamp 1999, worauf ich zufällig 2011 stieß. Er bezeichnet als eine der vielen Enttäuschungen , die dieses Buch parat hält: keine neue Theorie darüber, warum wir eigentlich sammeln, sondern eine Verteidigung des Sammlers gegen die Unterstellungen, die in dieser Frage enthalten sind. (ebd.: 16)

21.2.2014