Die drei Berichte korrespondieren miteinander auf überraschende Weise. . Sie fordern zum Zusammendenken auf. Nehmen Sie sich vielleicht mit Ausdrucken (10 S.) Zeit.
- Jan Vansina: Paths in the Rainforests (1990) chapter 8 (Überblick)
- Pierre Petit: Power and Alienation among the Luba of Katanga (1996)
- Zoé S. Strother: Suspected in sorcery (1996)
Hier ist der Link zur englischen Fassung, der Sprache der Originale: „The Whites hold our Spirits“
I
Eine historische Einführung von Jan Vansina in die zentralafrikanische Tragödie in den Jahrzehnten zwischen 1865 und den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts:
Jan Vansina ( in “Paths in the Rainforests – Toward a History of Political Tradition in Equatorial Africa”, London 1990) hebt die Kontinuität zwischen Eroberungs- und Kolonialgeschichte hervor, die gewöhnlich übersehen wird. Ich fasse zentrale Passagen aus dem 8. Kapitel zusammen: “Death of a Tradition” (239 – 247)
Das Wachstum der industriellen Weltwirtschaft förderte bereits im 19. Jahrhundert eine starke kommerzielle Expansion in das äquatoriale Afrika. (239) Die meisten Geschichtsbücher verschleiern die Tatsache, dass die Eroberung 40 Jahre dauerte. Eine Kombination aus Krieg, Zerstörung durch Feuer, Krankheit und Hunger tötete in diesen Jahrzehnten schätzungsweise die Hälfte der Gesamtbevölkerung.
1865 tauchten räuberische Milizen aus dem Sudan auf und setzten sich bis 1885 fest. 1869 gründeten Zanzibari die Station Nyangwe am Lualaba River. Unter dem legendären Tibbu Tip erreichte ihre Eroberung 1887 die Täler Uele, Ituri, Upper Lopori und Upper Tshuapa. Sie zwangen die Bevölkerung, sich in großen Dörfern niederzulassen und verhalfen dort den “Sultani“, jungen ehrgeizigen Männern zu Macht, denen die traditionellen Eliten wenig entgegenzusetzen hatten, um ein kollektives Gegengewicht zu bewahren. (242) Nach 1890 begannen bedeutende europäische Militäreinsätze und systematische Eroberungen im Regenwald. Vom unbarmherzigen Terror der Gummiunternehmen ging der stärkste Impuls zur Gewalt aus. Sie spannten auch die Armee des Staates ein, um den Widerstand der lokalen Bevölkerung zu unterdrücken. Manchmal wurden beträchtliche Truppenkontingente eingesetzt. Die Gummikriege dauerten im kongolesischen Teil der Regenwälder von 1893 bis etwa 1910. (244)
„Die Gewalt und völlige Zerstörungskraft solcher Kolonialkriege werden oft noch immer nicht richtig eingeschätzt“, schreibt Vansina. „Routinemäßig wurde Dorf für Dorf niedergebrannt, die Menschen flohen, manchmal jahrelang, in tiefe Wälder, in denen sie nur die elementarste Schutzhütten bauten und in hohem Maße von dem abhingen, was sie zum Essen sammeln konnten. Während der Kämpfe und unmittelbar danach waren die Verluste unter den Afrikanern hoch, jedoch starben später noch mehr an den kombinierten Folgen von Unterernährung, Überlastung und Epidemien wie Pocken, Masern, Ruhr und vor allem der Schlafkrankheit. In einigen Bezirken dauerte die Phase der Eroberung Jahre. Der daraus resultierende Tribut an Krieg, Hunger und Krankheit war furchterregend. Die vertrauten alten Lebensweisen kollabierten unter den neuartigen Katastrophen. (244)
Vansina ist aber die Verknüpfung zur nächsten Phase der Kolonisation genau so wichtig:
„Die Völker in und um den Regenwald hatten die politische Kontrolle und damit die Initiative verloren, Institutionen zur Bewältigung der neuen Ordnung zu schaffen. Darüber hinaus öffneten die bisher unerwarteten Ereignisse und Katastrophen auch eine tragische Kluft zwischen der physischen und der kognitiven Realität, die neue Erklärungen und größere Anpassungen der äquatorialen Tradition erforderte.“ (245) Die sich unmittelbar anschließende administrative Unterwerfung nahm den Afrikanern die Möglichkeit, eine auf den eigenen Traditionen fußende Antwort zu finden, wie das vorher möglich gewesen war.
Vansina führt als Beispiel ein Treffen der Kwa an, „um genau zu prüfen, ob die Epidemie gestoppt werden kann, indem ein berühmter Hexenfinder geschickt wird. Der Missionar (…) riet ihnen stattdessen, sich auf Gott zu verlassen. Aber das war 1891 und die Leute konnten immer noch einen Wahrsager rufen (…). Schon 1920 (…) waren solche Wahrsager Gesetzlose („outlawed“9 und wurden als Vertrauensmänner und gefährliche Agitatoren verfolgt. “(245)
Von Anfang an arbeiteten alle Kolonialisten wie selbstverständlich daran, die fremden bürokratischen Praktiken aus Europa im Regenwald zu implementieren, ob es sich nun um die Erbfolge von Chiefs, den gleichen Rechtsstatus unter Dörflern, Ehegesetz und öffentliche Moral oder die Aushöhlung traditioneller Rechtsverfahren und -grundsätze handelte, die danach als ‚Gewohnheitsrecht’ etikettiert wurden.
Die Mission griff entschlossen zu allen ihr verfügbaren Mitteln, um die überkommene soziale Hierarchie und ihre Sanktionsgewalt zu schwächen oder abzuschaffen, sie trieb die Spaltung der Gemeinschaften voran, insbesondere die Entfremdung der jungen Generation.
Die Völker des Regenwalds fingen an, ihr eigenes kulturelles Erbe anzuzweifeln und Teile der fremden Tradition anzunehmen. Nur an ihren Sprachen hielten sie fest und damit an manchem älteren Inhalt, den die Sprache mit sich schleppte. „So wurden sie zu kulturellen Schizophrenen und strebten nach einer neuen Synthese, die nicht erreicht werden konnte, solange ihnen die Handlungsfreiheit verweigert wurde. “(247)
Für Vansina waren die Traditionen der äquatorialen Gesellschaften Ende der 1920er Jahre nicht mehr als eine konservierte leere Hülle. (246-247)
II
Pierre Petit skizziert den Prozess der Unterwerfung und Kolonisierung sowie den Beitrag ’schwarzer Magie‘ im spirituellen Horizont der Luba.
« Power and Alienation among the Luba of Katanga (Congo R.D.C.) » – communication presented at the 40th African Studies Association meeting (1997, Columbus, Ohio
Ich übertrage längere Textauszüge ins Deutsche, weil zum Verständnis etwas Vorwissen nötig ist. Quelle für das Original (Englisch): academia.edu-Profil von Pierre Petit.
Politische Ämter sind in Afrika oft mit unsichtbaren oder übermenschlichen Kräften verbunden. Die Quellen politischer Macht werden in Afrika stärker außerhalb der Menschheit und im Westen mehr innerhalb der Menschheit gesehen. Dieser Unterschied führt zu gegensätzlichen Konsequenzen, da jemand sich eine Macht außerhalb der Menschheit leichter aneignen kann als eine Macht, die in den sozialen Akteuren selbst verkörpert ist. Eine solche Hypothese könnte das tiefe Gefühl der Entfremdung erklären, das viele afrikanische Völker – darunter die Luba – seit den frühen Stadien der Kolonialisierung verspüren.
Die Luba von Katanga siedeln im Südosten des Kongo und werden auf zwei Millionen geschätzt. Ihr uraltes Königreich begann um 1870 zu schwächeln und die belgische Kolonialherrschaft beschleunigte später seine Auflösung. Die Mythen und Rituale des Königtums sind jedoch nicht verschwunden: Sie leben und entwickeln sich weiter in den neuen Verwaltungseinheiten.
Die Luba-Gesellschaft kann als eine dreischichtige gesellschaftspolitische Organisation beschrieben werden:
Die Macht der Luba-Herrscher – seien es (früher) Könige oder (derzeit) Häuptlinge – ist
eng verbunden mit ihren starken Bindungen an die Geisterwelt. Nach dem Gründungsepos verdankt der Gründer der Dynastie, Ilunga Mbidi Kiluwe, seinen Ruhm in erster Linie nicht dem militärischen oder politischen Talent, sondern der Einführung der Luba in die rituelle Küche. Das Essen unter Beachtung ritueller Vorschriften ermöglicht es jedem Luba, seine Schutzgeister zu kontaktieren, wer auch immer sie sind. Diese mystische Gemeinschaft wird auf jeder Ebene der Luba-Gesellschaft, von den Familienältesten bis zum König selbst, bezeugt.
Die zweite Schicht der Luba-Gesellschaft ist der Erdherr („Landchief“), der im Namen seiner gesamten Linie handelt. Jedes Anwesen steht unter der Kontrolle eines Wächtergeistes, der mit einem Merkmal der Landschaft verbunden ist – normalerweise einem Teich oder einem Felsen – wo der Ritualspezialist der Eigentümerlinie Gebete spricht und im Rahmen seiner Verehrung Essen anbietet. Im Gegenzug liefern die Schutzgeister alle territorialen Ressourcen, die der Mensch benötigt, sei es Wild, Fisch, Salz, Lehm, Eisen oder Edelsteine.
Auch hier wurzelt die Macht im Ritual. Es wird berichtet, dass jede Usurpation entweder zum Tod des Usurpators führt oder zum Verschwinden der Güter des Landes.
Familienälteste bilden die dritte und letzte Ebene. Der Kopf eines Haushalts ist verantwortlich für den Kult der Familienvorfahren. Diese Vorfahren bieten ihren lebenden Verwandten viele Vorteile: Sie sind die Spender der technischen Meisterschaft, die Bildhauer und Töpfer benötigen, sie können ihren Nachkommen bei ihren Jagdausflügen helfen. Die Schwangerschaft steht immer unter dem Schutz eines Vorfahren der Familie, der der „Pate“ des Ungeborenen ist.
Der Respekt, den Kinder ihrem Vater schulden, ist zum Teil eine Folge seiner Rolle als Familienpriester: Nur er ist in der Lage die Ahnen zu kontaktieren und sie im Krankheitsfall oder Unglück um Hilfe zu bitten.
Betrachten wir die jüngste Geschichte der Luba. Ab Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde das Luba-Reich wiederholt von Fremden angegriffen, zuletzt von den Europäern. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern ist es den Europäern – den Belgiern – tatsächlich gelungen, sich unter den Luba niederzulassen und ihr Gesetz gegen die Luba im ganzen Königreich durchzusetzen.
Aus der Perspektive der Luba hatten diese Fremden offensichtlich Erfolg, den Luba-Führern die Quellen der drei verschiedenen Machtstufen (Oberhaupt, Land, Familie) wegzunehmen. So redet man üblicherweise unter den Luba über das Thema.
Die katholischen Missionare waren solchen Berichten zufolge sehr feindlich gegenüber Praktiken, die für die Familienvorfahren bestimmt waren. Ihren Konvertiten war es verboten, Mahlzeiten mit diesen Geistern zu teilen, die verbreiteste rituelle Praxis, um sie zu ehren. Wer den Religionslehrern (Katecheten) denunziert wurde, konnte ausgepeitscht oder sogar an die Zivilbehörden übergeben werden.
Nach Angaben der Luba gingen weiße Missionare aber selber nachts auf Friedhöfe, um mit den Toten zu sprechen und ihre Kraft zu erlangen („bukomo“, „Stärke“). Sie monopolisierten so die Toten. In dieser perfiden Absicht errichteten sie sogar christliche Friedhöfe, auf Kosten der Luba-Ritualisten, die die Hilfe der Toten für ihre eigenen Aktivitäten brauchten, etwa um Kranke zu heilen. Ein Ältester der Luba sagte P. Petit: „Die Ahnen antworten nicht mehr, seit wir von der Stimme Gottes aus Übersee von ihnen abgelenkt worden sind“.
Eine ähnliche Feindseligkeit richtete sich gegen die territorialen Schutzgeister. Missionare haben absichtlich heilige Plätze geschändet, indem sie sich dem Verbot widersetzten, zu ihnen zu gehen oder indem sie in heiligen Becken badeten.
Erdherren, die für den Schutzgeistkult zuständig sind, sind heutzutage mit der Feindseligkeit der Kirchen konfrontiert. Ein Häuptling beklagte sich über die Flucht der Geister wegen der Vermehrung von Kirchen. Ein anderer behauptete, wenn er seinen Schutzgeist wie früher verehre, werde er von den Dorfbewohnern ausgebuht und „Satano“ genannt.
Tatsächlich werden Weisse nicht nur beschuldigt, die Schutzgeister zu zerstören oder zu vertreiben, sondern auch, sie für ihre eigene Zwecke zu versklaven. Im Jahr 1991 brachten Plünderungen der kongolesischen Armee ein wichtiges USAID Road Project zu einem plötzlichen Ende. Die evakuierten Ausländer ließen ihre gesamte Ausrüstung zurück. Dieser abrupte Aufbruch bestätigte den früheren Verdacht, dass die amerikanischen Helfer mit Hilfe der örtlichen Schutzgeister reich geworden waren. Angeblich streiften die Amerikaner jede Nacht durch den Busch und stellten mit den Schutzgeistern Autos oder Wellblech her. Nach dem Abzug der Amerikaner erhoben die Erdherren Anspruch auf die gesamte Ausrüstung und argumentierten sehr logisch, dass diese Waren, die von Schutzgeistern hergestellt wurden, zu Recht ihnen gehörten.
Neben der Unterwerfung dieser Geister für ihre eigene Bereicherung vor Ort unterstellt man den Ausländern, sie nach Europa und Amerika mitgenommen zu haben, um sie in ihrem Namen arbeiten zu lassen. Einem Luba-Oberhäuptling wird sogar nachgesagt, er habe mit den Amerikanern einen Vertrag abgeschlossen, um ihnen einen der berühmtesten Schutzgeister zu verkaufen. Es wird angenommen, dass der gefangen genommen und dank der Wissenschaft der Weißen in einer Flasche transportiert wurde. Der Chef soll ihn in die USA gebracht haben, als er dorthin reiste.
P. Petit selbst war auf diesem Gebiet oft mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Zum Beispiel, als er Nachforschungen über die Herstellung von Salz oder Töpferwaren anstellte, wurde ihm der Zugang zu wichtigen Ton- oder Salzlagern verweigert, da einige befürchteten, er würde die Dorfbewohner dieser wertvollsten Ressource berauben.
Die Macht des Königtums gilt ebenfalls als gefährdet. Sowohl das Gründungsepos als auch die königlichen Rituale betonen eine strikte Kontinuität zwischen dem gegenwärtigen Herrscher und dem Gründungshelden Ilunga Mbidi Kiluwe. Gerüchtweise ist jedoch zu hören, dass Ilunga Mbidi Kiluwe in den ersten Jahren der Kolonialisierung von Weissen gefangen genommen wurde. Sie sperrten ihn dann bis 1960, dem Jahr der Unabhängigkeit, in ein mysteriöses Denkmal in Belgien. Andere Versionen behaupten, dass Ilunga Mbidi Kiluwe immer noch im Gefängnis schmachtet, nicht in Belgien, sondern in den Kellern des Vatikans. (Im Netz finden sich übrigens youtube-Predigten, die Päpste als Agenten ‚Luzifers‘ angreifen; LINK)
Man darf nicht annehmen, dass der Kampf um die Macht in der Luba-Gesellschaft nur im Rahmen einer festgelegten Zahl von Kräften (Vorfahren, territorialen Geistern, Ilunga Mbidi Kiluwe) stattfände. Die Dinge sind komplexer, da neue Formen der Macht entstehen können. Zum Beispiel wurden Weisse Mitte des Jahrhunderts eines Hexerei-ähnlichen Kannibalismus beschuldigt. Angeblich fingen sie Schwarze ein, sperrten sie in Keller, fütterten sie mit Salz und verwandelten sie in Schweine, um sie bei wichtigen Gelegenheiten zu essen, vor allem an Silvester. Solche Praktiken erinnern an das, was Luba von Hexen erzählen, die sich zum Sabbat versammeln, um menschliches Fleisch zu essen.
Während Hexerei von den Luba als zentrales Merkmal der Weissen angesehen wird, sind die politischen Amtsinhaber der Luba nur am Rande mit der Hexerei verbunden,
Eine neue Machtform ist in der vorkolonialen Gesellschaft ohne Vorbild, da ein allmächtiger Schöpfergott erst von den Missionaren eingeführt wurde. Dieser „fremde“ Gott, so glauben die Luba, bringe vor allem den Weissen, seinen Lieblingen, Vorteile. Afrikanische Pastoren fördern die Glaubwürdigkeit dieser Überzeugung, wenn sie predigen, dass der Reichtum der Weissen keinen anderen Ursprung habe als ihren christlichen Glauben. Einige Luba kehren diese Erklärung um: Er sei eine Folge ihres Bündnisses mit Satan. In beiden Fällen sollen die Weissen die Hauptnutznießer eines allmächtigen Wesens sein, sei es Gott oder Satan.
Man könnte diese nerue Machtform das auch mit Ritualen demonstrieren, in welche viele Elemente der westlichen Kultur wie Fernseher, Radio oder Bibel aufgenommen worden sind.
Die politische Unabhängigkeit des Kongo von 1960 hat dieses Gefühl der Entfremdung nur geringfügig gemindert: Drei Generationen der Unfreiheit haben bleibende Erinnerungen hinterlassen. Weit davon entfernt, verschwunden zu sein, wird dieses Gefühl der Entfremdung immer wieder deutlich, verstärkt durch den Reichtum der Weißen, der ein Rätsel für die Luba bleibt, die ihn nicht als einfache Konsequenz der historischen Bewegung des Kapitalismus sehen.
Um mit den Worten eines Luba-Ältesten zu schließen, der sein Gefühl der Entfremdung zusammengefasst hat, sind die großen Taten der Luba-Vorfahren „nur schöne Geschichten. Wir sind Waisen, Verlorene, von anderen in die Irre geleitet, und wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen“.
*
Pierre Petit formulierte seine Rede nüchtern und fokussierte sie auf das nostalgische Milieu eines längst zerfallenen ruhmreichen Königreichs, aber die Lektüre ist erschreckend und hinterlässt ein Gefühl der Hilflosigkeit. Wie bei Frantz Fanon und noch mehr Albert Memmi („Der Kolonisator und der Kolonisierte: zwei Porträts.“ 1957, 1988 dt.) scheint sich eine unüberwindliche Kluft aufzutun. Alles Reden endet an diesem Punkt. Mehr Verständigung scheint nicht möglich.
III
Der sehr persönliche Forschungsbericht von Zoé S. Strother erweist sich als Fallstudie mit überraschend vielen Bezügen zum vorigen Text.
SUSPECTED OF SORCERY, Beitrag 6 in „In Pursuit of History – Fieldwork in Africa“ 1996 pp.57-74, Carolyn Keyes Adenaike & Jan Vansina, Eds.
Zoé S. Strother hat den Bericht acht Jahre nach ihrer Feldforschung in einem Dorf der östlichen Pende verfasst, dessen Bewohner für die Doktorantin zwei Jahre lang Gastgeber, Informanten und Forschungsgegenstand gewesen waren. Sie schildert ihren Aufenthalt in seinen verschiedenen Phasen, sie analysiert freimütig im Nachhinein das Konfliktpotential der jeweiligen Situationen und zieht eine ernüchterte Bilanz.
Vom Konflikt „How a picnic led to a trial“ , dessen Anlass sie bereits zu Beginn schildert, bis zu den „Repercussions“ (Konsequenzen) spürt man das ehrliche Bemühen, aber auch die Überforderung der jungen Feldforscherin, die sich für ihre Dissertation auf eine recht zufällig ausgewählte Dorfgemeinschaft eingelassen hat und zunächst geradezu perfekte Arbeitsbedingungen vorfindet, durch die Protektion des langjährigen – seit 1942! – Oberhäuptlings (paramount chief, 65), bis sie mit seinem Tod in der Mitte ihres Aufenthalts in den Strudel einer längst fälligen Neuordnung der Machtverhältnisse gerät und schließlich schleunigst abreisen muss. Der Konflikt, um den es in dem genannten Prozess geht, ist im Grunde ein Nebenaspekt.
Auch für sie ist der Anlass keinen Konflikt wert; doch sie macht damit eine existentielle Erfahrung, die in der bisher höchst erfolgreichen konventionellen Datensammlung nicht möglich war.
Bevor Strother die Region verlässt, will sie nämlich die archäologischen Möglichkeiten eines besonderen Ortes, „Manda“, untersuchen, der zweieinhalb Meilen vom Dorf entfernt ist und unter dem Druck der Invasionen der Chokwe in den späten 1880er und 1890er Jahren aufgegeben wurde. Da die Belgier es 1934 nicht zuließen, sich an diesem abgelegenen Ort wieder niederzulassen, sondern alle zwangen, entlang der Straße zu bauen, wurde „Manda“ zum Thema der Nostalgie. Strother will sehen, wo und wie die Menschen vor dem Kolonialsystem gebaut hatten. (57/58)
Mit einem befreundeten Unterhäuptling wandert sie in zwei Stunden dorthin. Unterwegs begegnen sie einem Katecheten der ansässigen Kirche. Man grüßt sich. Zu ihrer beider Überraschung wird das Land aktuell von einem rivalisierenden Klan bewirtschaftet, und zu ihrer Enttäuschung ist der gesamte Boden von Erdnussfeldern überzogen. Tonscherben und Abfall einer Schmiede liegen verstreut herum, einiges Kuriose löst sie mit der Hacke vom Boden und steckt es ein. Dann ziehen sie sich zurück und halten Picknick.
Am nächsten Tag trifft vom rivalisierenden Klanchef im Dorf eine Klage folgenden Inhalts ein: „Ich sei mit einer Schaufel nach Manda gegangen, um die Knochen seiner Vorgänger für meine Zauberei (Wanga) auszugraben. Ich hätte den Pastor angeworben, um den Geist des Toten, der die Stätte bewachte, zu vertreiben, und dann ein Huhn geopfert und an Ort und Stelle gegessen.“ (59)
Weil der Kläger es nicht wagt – das Erbe des belgischen Kolonialismus – die Weisse anzuklagen, wird der Begleiter verklagt auf die Zahlung von sieben Ziegen, damals immerhin fünfhundert Dollar. (59). Noch wildere Gerüchte laufen im Dorf um, aber ihr gegenüber tun die Bekannten so, als nehme man die Angelegenheit nicht ernst. Ein paar Tage später fällt die Quelle im Nachbardorf trocken. Man hält das für eine Warnung der weissen Frau; viele raten dem Kläger, die Klage lieber zurückzuziehen.
Zwar hat Strother früher bei jeder Gelegenheit beteuert, dass Westler kein wanga, keine Hexenmacht besäßen, aber davon ist niemand zu überzeugen. Wenn eine Gruppe in solch einem Luxus lebt und solche Macht über das tägliche Leben so vieler Menschen ausübt wie die Weissen, muss sie einiges vom Hexenzauber verstehen.
Die junge Frau hat das Thema bisher nur nicht auf sich persönlich bezogen(60, Anm. 6). Sie fällt aus allen Wolken und fiebert auf den Prozesstag hin, wo sie alle Missverständnisse aufklären will. Der für sie zuständige Chief und Mentor aber lenkt am Termin die Verteidigung auf ein unverfängliches Gleis: Er behauptet, sie sei in seinem Auftrag unterwegs gewesen. Und an seiner Berechtigung Aufträge zu erteilen, ist kein Zweifel erlaubt. Er hat gewiss kein Interesse daran, das schlechte Verhältnis der Klans und der Dörfer durch einen Hexenprozess weiter zu belasten.
Die junge Frau erkennt, dass auch die Dorfbewohnerer scharfe Beobachter sind und dass sie nach ortsüblichen Kriterien beobachten, ihre Dorfgenossen ein Leben lang und sie eben für eine gewisse Zeit.
Eine ganze Indizienkette beweist ihre Fähigkeit zur Hexerei:
- Wer immer ihr auf den ermüdenden Wegen zwischen den Dörfern zu Fuß begegnete, war überzeugt, sie würde wieder fliegen, sobald man wieder außer Sichtweite war. Der junge Mann, den sie einmal ausgeschimpft hatte, weil er ohne zu fragen ihr Fahrrad ausgeliehen hatte, womit sie zu einer Versammlung fahren wollte, nahm gewiss an, sie könne stattdessen fliegen.
- Ein neuer Assistent aus einer anderen Region fiel ihr mit der wiederholten Frage lästig, wie sie Hexer erkennen könne, wenn sie in ein fremdes Dorf käme. Er verwies auf die vom Schulleiter geäußerte und mit Fallbeispielen belegte Überzeugung (65/66). Das ist eine Autorität im Dorf.
- Spiegelnde Oberflächen in ihrer Umgebung konnten als magische Spiegel wahrgenommen werden. (66)
- Manche kleine Episode sieht sie nun in anderem Licht, etwa, dass Anhänger der heimischen Fußballmannschaft ihren Namen rufen, sobald die Spieler den Ball führen. (66)
- Gerüchte gibt es wegen ihrer Brille, die sie immer trägt, sogar nachts. In dieser Gemeinschaft müssen Güter (einschließlich Männerhemden) ununterbrochen zirkulieren. Etwas, das Tag für Tag in den Händen einer Person gesehen wird, wird auffällig und verdächtig. (67) Und dann ist unglücklicherweise die Sehkraft ohnehin eine wichtige Metapher in der Diskussion um Zauberei. Zauberer haben „vier Augen“.(68)
- Weil manche Pflanzen in Ritualen immer wieder auftauchen, die mit Kunstobjekten zu tun haben, hat sie begonnen, Proben von Blättern, Rinde, Wurzeln und Stengeln zu sammeln, in der Hoffnung, ein paar davon später in den USA identifizieren zu können. Sie glaubt die Bewohner hinreichend über ihr Forschungsprojekt aufgeklärt zu haben, aber wie ein Chief ihr erklärt, lässt sich die Tatsache nicht leugnen: „Alle Blätter, die du siehst, sind ‚Hexenmacht’.“ (All the leaves that you see, this is ‚wanga’“) (67)
Der designierte Nachfolger des verstorbenen Häuptlings bittet sie während der für ihn hochgefährlichen Übergangszeit flehentlich um ein starkes Amulett. Dass sie es ihm verweigert, nimmt er ihr sehr übel. Später fordert er plötzlich ein Motorrad von ihr. Erinnert das nicht an die angebliche Zwangsarbeit örtlicher Schutzgeister der Luba für die amerikanischen NGOs, von der Petit berichtet?
Man hatte die junge Frau als Studentin akzeptiert, weil mancher in der weiteren Verwandtschaft auch Studenten kannte (62). Konnte sie nicht eigensüchtigen Ehrgeiz entwickelt haben, der die dörfliche Gesellschaft bedrohte? (60) Die stärksten Ambitionen, wie das Erwerben von Wohlstand oder das Übertreffen anderer in der Praxis von wanga, erfordern die Kontrolle über Geister auf der anderen Seite. (61) Ein selbstbewusster Zauberer mit dem Ruf eines Killers (hit-man) verriet ihr sogar einmal, was er über den Reichtum der Weissen herausgefunden hatte: Die Weissen hatten Jesus Christus getötet, den mächtigsten Geist überhaupt. So konnten sie ihn zwingen, Flugzeuge voller Güter von der anderen Seite zu ihrem gefälligen Gebrauch zu schicken. (61)
Man muss wissen, dass Zoé Strother nach der Entscheidung des alten paramount chief als junge Frau mit den höchsten Geheimnisträgern Umgang hat – selbstverständlich alles erfahrene Zauberer – und als Frau mit Sondererlaubnis an exklusiven Zeremonien teilnehmen darf, bei denen die meisten Männer nur Zaungäste sind. Klar, dass sie auch damit Verdacht erregt. (63) Ihr Interesse an „Kunst“ beginnt man als als bloßen Vorwand („Politik“) zu betrachten, um ihre metaphysischen Kräfte zu stärken. Wie eine alte Frau ihr sagt: „Kein Student arbeitet so hart!“ Wenn sie auch zur persönlichen Bedrohung – weil ohne Blutsverwandten unter den Pende – nicht in der Lage ist, so kann doch ihre Suche nach wanga auf gemeinschaftlicher Ebene in der Kontrolle über die Toten münden, die die allgemeine Existenzgrundlage des Dorfes schützen. (73)
Wie Petit spricht auch Strother von Gerüchten, Tratsch, mit dem sich einfache Dorfgenossen, auch Frauen, untereinander wichtig machen. Bei den Männern der Hierarchie vermutet man eher durchsichtiges Taktieren und Rhetorik. Die Spitzen der Hierarchie halten sich bedeckt. Was sie wirklich denken, erfahren wir im Aufsatz nicht. Eins ist klar: Die paramount chiefs und chiefs müssen alle Zauberer und anderen Unruhestifter im Griff haben, und wenn es nicht gelingt, so müssen sie den sozialen Frieden wiederherstellen, und das mit und gegen rivalisierende Ansprüche in der Hierarchie. Der Aufsatz zeigt einige Vertreter in Aktion.
Strother spricht gegen Ende des Aufsatzes ihre Anerkennung für die von ‚ihrem‘ Dorf bewiesene Toleranz eigens aus: „Die Anwesenheit des Außenstehenden erfordert Verständnis, Kodifizierung, Interpretation. Mit der Zeit genügt es nicht mehr, das Verhalten des Ausländers als allgemeine Ekzentrik abzutun; sie oder er sollte es besser wissen. Die anfängliche Nachsicht, die ein ignoranter Besucher erfährt, beginnt zu schwinden, während die Person – auf welch exzentrische Weise auch immer – zum Teil der Gemeinschaft wird.“ (73)
Was die Autorin nicht direkt ausspricht, ist, dass der fremde Gast nie wirklich „Teil der Gemeinschaft“ werden kann und nach gewisser Zeit schlicht untragbar wird, egal woran sich das zeigt. Nur Regierungsvertreter, Militärs und Missionare kann man nicht wegschicken!
Dass es mit Zoé Strother während des anschließenden Aufenthalts unter Maskenschnitzern im Westen des Pende-Gebiets nicht so weit gekommen ist (BLOG „MATALA, schöner Tänzer …“ LINK) , führt sie auch darauf zurück, „dass die Maskerade vollständig aus ihrem ursprünglichen rituellen Kontext entfernt wurde und die Skulptur tot ist.“ (73)
Harte, aber klare Worte. Hier betreibt die Doktorantin Feldforschung für eine bereits sehr begrenzte Zeit und vor allem mit freundlicher Zustimmung der modernen afrikanischen Handwerker. Vergessen wir nicht: Die ‚Behelfsbrücke‘ säkularisierter und kommerzieller Geschäftsbeziehungen zwischen Afrikanern und Weissen funktioniert schon lange. Etwaige Ahnen, Geister und andere Familiengeheimnisse bleiben ungestört und unsichtbar im Boden und können ihr Störpotenzial nicht entfalten. (Vergessen Sie für einen Moment das Thema ‚Provenienz‘ !)
Zurück zum Konfliktherd:
Außerhalb ihres Dorfes steigert sich der Hass auf die junge weiße Forscherin und ihre Aktivitäten noch einmal durch den Schock, dass weitere Quellen im Nachbardorf austrocknen. (72) Wenn der Klanchef durch die öffentliche Anzeige die Hexerei der Weißen nicht sanktionieren und beenden kann, was tun? War vielleicht wirklich jemand anderes schuld?
Zoé Strother erhält später in Kinshasa eine naturwissenschafliche Erklärung für das Versiegen der Quellen: Entwaldung. Sie erinnert sich: Auch in ihrem Dorf erschien im Jahr zuvor ein Lkw, finanziert von einer Schweizer ökumenischen Gruppe, um von nun an zweimal im Jahr Mais (US: corn) aufzukaufen. Damit soll für junge Familienväter eine Alternative zur Arbeit auf den wilden Diamantenfeldern der Gegend geboten werden. Unglücklicherweise verlangt Mais frisch gerodeten reichen Boden und trägt entsprechend auch nur eins bis zwei Jahre. Enthusiastisch zerstörte man die wenigen schmalen Galeriewälder an den Flüssen und damit die Quellen für sauberes Trinkwasser in der Region. (72 Anm.19)
Ich habe in zwei Beiträgen die ökononomische und ökogische Entwicklung in der Provinz Bandundu nach offiziellen Quellen geschildert. Die Menschen sehe ich in derselben Armutsfalle. („Auf der Suche nach einer Adresse am Kwango“ LINK )
Die Antwort, die Zoé Strother erhält, hat auf dem Dorf kaum Chance auf Akzeptanz.
- Es sind Weisse der ökumenischen Gruppe in ihrer ganzen postkolonialen Autorität und fachlichen Inkompetenz, die diesen zerstörerischen Prozess angestoßen haben. Welche Sekte oder fromme Wohltätigkeitsgemeinde ist da am Werk!
- Die dörfliche Führungsebene hat ihren jungen Männern (und deren Familien) etwas zu bieten. Auch behalten die Alten sie lieber unter ihrer Kontrolle im Dorf.
- Ökologische Zusammenhänge wären ein Thema für eine gezielte Bildung – ebenso wie Fragen gesunder Ernährung ( vgl. Maniok im Kwango-Dossier). Wer sollte die vermitteln? Die Medien westlicher Länder beklagen tagtäglich unsere eigenen Defizite. Auf der anderen Seite scheint die Bevölkerung auf dem kongolesischen Dorf inzwischen ihre traditionellen Einsichten und Regeln vergessen zu haben, sie greift in ihrem Elend nach dem dem schnellen Vorteil, ohne Gedanken an Morgen, und lädt die Nachteile rücksichtslos beim Nächsten ab. Der Nächste, die Nächste kann auch die Frau oder Tochter sein, welche Wasser, egal woher und welcher Qualität beschaffen muss.
Zurück auf Anfang!
Nun sind wir vom „Tod der Traditionen des äquatorialen Afrika“ (J. Vansina) über die Schwarze Magie (P. Petit und Z.S.Strother) in einer aufgeheizten, mehr oder weniger aussichtslosen Situation gelandet, in der eine Frau aus dem betroffenen Dorf jedem der’s hören will zuruft: „Be careful! That woman blighted our crops and dried up all our springs for use in her sorcery!“
„Gebt acht! Diese Frau hat unsere Ernte verdorben und all unsere Quellen ausgetrocknet für die Verwendung in ihrer Zauberei! “ (73)
Erschütternd zu sehen, was passiert, wenn Obskurantismen aller Couleur und Herkunft aufeinandertreffen. Das gilt nicht nur für Afrika. Leider ist der Krieg der Götter und Zauberer noch lange nicht zu Ende, im Gegenteil, er erhält durch die wuchernden religiösen Fundamentalismen immer neue Nahrung. „Mein Gott (Zauber) ist stärker/größer/mächtiger als deiner. Meine Wahrheit ist wahrer als deine. Ich bin besser als du.“ So lange solches Denken andauert, befindet sich die Vernunft im Sinkflug. Wenn darüber hinaus Machtfragen und Verteilungskonflikte an magisches Denken und Zaubereien geknüpft werden, gibt es Mörder und Opfer aller Art.
Tut mir leid, dass dieser Kommentar aus aufklärerischer Sicht so allgemein und so pessimistisch ausfällt. Das Dumme ist: Die Götter, Geister und Dämonen existieren ja wirklich, und zwar in den Köpfen der Gläubigen, und sie werden dort immer neu geboren. Kommen Aufklärung und Wissen dagegen an?
Lieber Paul,
ich möchte lieber nicht so rasch ‚global‘ und ‚allgemein‘ werden, sondern die Aufmerksamkeit der Leser lieber noch ein Zeitlang auf das richten, was Europäer unter den afrikanischen Kolonialvölkern angerichtet haben.
„Wissen“?
Was in den Kolonien wirklich geschah, haben damals höchstens ein Handvoll Menschen bekannt gemacht oder überhaupt begri en. Das bleibt sogar heute hinter den Mauern wissenschaftlicher Bibliotheken und Archive verborgen. Selten sind sogar moderne Analysen wie die hier vorgestellten, die die Sicht der Kolonisierten endlich auf Augenhöhe mit der westlichen scheinbar ‚aufgeklärten‘ Perspektive bringen.
„Aufklärung“?
Die ‚magische‘ Sicht sollten wir als weiteres Denksystem in unser Repertoire aufnehmen, damit wir sie wiederzuerkennen vermögen, wo immer sie sich auswirkt. Immerhin leben bereits Millionen Abkömmlinge unserer Kolonisierten mitten unter uns in Europa und Amerika. Sie tragen ihre Heimat mit sich im Kopf.
Was gibt es zu bewerten?
Und wenn es ums Bewerten geht, dann stehen für mich erst einmal historische Gier und Ignoranz der angeblich zivilisierten Kolonialisten auf dem Prüfstand, sowie Gier und Ignoranz heutiger Akteure in den afrikanischen Ländern. Die Konzerne stehen noch am ehesten in der Kritik durch Qualitätsmedien, weniger bereits eine verlogene staatliche Entwicklungshilfe über ein halbes Jahrhundert lang. Den Tunnelblick der christlichen Missionswerke wagen die Medien gar nicht anzugehen, nicht einmal das zerstörerische Wirken ‚bibeltreuer‘ Evangelikaler unter den von ihren Regierungen vernachlässigten Hinterweltlern überall in der Dritten Welt. Und schon gar nicht die saisonabhängige Spendenbereitschaft saturierter Speckbürger, die von einem undurchsichtigen Netz von ‚Hilfswerken‘ abgeschöpft wird ….. Halt! Ich werde auch schon ‚global und allgemein‘.
Jemand, der seinen existentiellen Probleme hilflos und ‚dumm‘ gegenübersteht, der kein erfolgreiches Rezept vorzuweisen hat, verliert den Respekt der Außenstehenden, wird zum „Opfer“, bei den sentimentalen Gemütern im karitativen Sinn, bei den übrigen auf ‚Kraftdeutsch‘: „Du Opfer!“
Es war lange Mode unter Ethnologen und feinsinnigen Intellektuellen, ‚spirituellen‘ Systemen ‚traditioneller Kulturen‘ nachzuspüren, so wie Künstler und andere Ästheten in Europas Metropolen von der ‚künstlerischen Inspiration‘ durch ‚Primitive‘ profitierten.
In der total säkularisierten westlichen Zivilisation Zentraleuropas ist es aber kaum möglich, eine für uns ‚mittelalterlich‘ anmutende Einheit von Religion, Künsten, Überlebenskampf, Schicksalsschlägen und Konkurrenz nachzuvollziehen und als mit realen Menschen funktionierend vorzustellen, nicht als idealisierendes Modell, sondern als unbefriedigender, ‚ungerechter‘, harter menschlicher Alltag.
Jene Welt ist eine für die soziale Archäologie geworden, sie lebt inmitten von Trümmern kümmerlich weiter, was man dank Wyatt MacGaffey, Jan Vansina, Kejsa E. Friedman oder Filip de Boeck in Äquatorial-Afrika nachverfolgen kann (Alle als Links im Blog unter der Funktion „Suche“). Natürlich macht es auch Spaß, von Zoé S. Strother so viele starke Indizien für ihren mühelos erworbenen Hexenstatus serviert zu bekommen!
Doch so viel anders wird bei uns die Zukunft auch nicht funktionieren, wenn – wie anderswo bereits – die uns tragende atemberaubende technische Infrastruktur kollabiert und die verzweifelten Gruppen orientierungslos erst richtig aufeinander losgehen – so wie du es in deinem Kommentar ja schon angedeutet hast.