Ensemble abstrakter Tiermasken der KELA (Regenwald RDC)

|

Ein paar Handicaps

Kela Antilope IMG_0739 – am 30.7.23 leider nur fotografiert (auch eine Zwergantilope)

Das kleine Volk ist kaum dokumentiert. Die „Kela“ haben auch bei Felix „100 Peoples…“ keinen eigenen Beitrag , aber werden p.44 für die „Jonga“ als eins der ‚relevanten Völker‘ genannt. Auch sie leben im dichten Regenwald auf 300 bis 500 m Höhe im Kongobogen.

Die Masken müssen für sich sprechen, tun das aber auch. Sparsam verwendete optische Erkennungszeichen unterscheiden sie nach Tierarten und -geistern, sagt W.. Wie diese repräsentiert werden, ist faszinierend.

Das Ensemble in meiner  Sammlung besteht seit August 2023 aus sechs stilisierten Gesichtsmasken desselben Grundtyps, drei ohne Hinzufügungen und drei weiteren mit umlaufenden geflochtenen Ring. Darüber hinaus habe ich mehrere Exemplare nur fotografisch dokumentiert, weil ich sie nicht mochte, zu spät kam oder zu lange zögerte. Der Erwerb zog sich über ein Dreivierteljahr hin.

 

22.11.22. : W. sagt mit Bestimmtheit, dass die Kela – nördlich der Yela und südlich der (westlichen) Mbole – diese Masken machten. Die anderen Händler wüssten das nicht. Er selber stammt aus der Region. Das soll für alle fünf gestreiften Masken gelten, die er vor zwei Wochen vom Zoll geholt habe und nicht recht anschauen konnte.

< Karte aus „Kilengi“ (Kestner-Gesellschaft 1997, S. 403 (Anklicken) „Kela“ sind violett unterlegt.

Wenn, was ich bei Felix (?) gelesen habe, Kela und Yela mit Jonga und ‚Wald‘-Tetela aus dem Ubangi-Gebiet über das Ituri eingewandert sind, brauchen wir uns über die gemeinsame flache Maskenform nicht zu wundern, die typisch für die Waldvölker des Ost-Kongo ist.

 

Die Grundform – abgewandelte Kugelausschnitte mit Furchen versehen

no.1 IMG_7722 Zwergantilope

 

no.2 IMG_7709  Meerkatze

 

 

 

 

 

 

 

 

no.3 IMG_7714 Schaf.

Die Maskenkörper bilden mehr oder minder abgeflachte Halbkugeln. Sie erinnern mich aber auch an mein Einmannzelt ‚Moonlight’ mit einer durchgehenden Alustange. Die halbkreisförmig gebogene Furchen in großzügiger Daumesbreite erscheinen wie mit dem Daumen (Rundung!) in weiche Tonerde gezogen, vom Gehörn oder Kamm bis zum Kinn. Dabei musste das Holz ausgekehlt werden!  – Zehn Furchen bei der ZWERGANTILOPE (no.1), zwölf bei der MEERKATZE (no. 2), vierzehn bei der puren Helmform des LAMMS (no.3). Die sich abwechselnden Erdfarben sind Schwarz, Rot oder Ocker und Weiss.

Die drei entscheidenden Öffnungen – Augen und Mund – wurden harmonisch eingeschnitten. Die (bis auf no.3) bohnenförmigen Augen sind – für die Gegend typisch – schräg eingesetzt und so umrandet, dass jeweils der Kamm zweier Furchen verbunden ist. Der kleine spitze Mund – ein Schnäuzchen oder Schnabel – unterbricht sehr weit unten den langen schmalen Bogen des Nasenrückens.

ZWERGANTILOPE (water chevrotain) MBOLOKO

Im Kontext der Rennboote der Duala entstand 2022 auch ein Beitrag zu den Festen der Ijebu-Yoruba zu Ehren der Wassergeister. In ihrer Tiersymbolik spielt die Zwergantilope als Verkörperung eine zentrale Rolle (LINK). Ihre Zoologie war für einen Laien unübersichtlich und passende Abbildungen fanden sich kaum; aber wesentlich waren die ihr übereinstimmend zugeschriebenen erstaunlichen Fähigkeiten, die auch unter den Mongo-Völkern Zentralafrikas  anerkannt waren.

Wenn W. als Jugendlicher die Erwachsenen fragte: Warum sind die Mongo (LINK Wiki) in viele Stämme zerfallen? Warum haben sie Streit auf vielen Gebieten, von der Jagd bis zu den gesellschaftlichen Regeln (gouvernance)?  Da habe man ihm bei verschiedenen Gelegenheiten mit dem Spruch geantwortet: „der Kopf der Antilope“. Sollte heißen: Um das zu verstehen, müsste man den klugen Kopf des chevrotain besitzen. Das Tier repräsentiere aber auch Reichtum, Fruchtbarkeit und Respekt vor den Vorfahren (Mail 18.11.22). Wieso ist diese Vielfalt ein Problem? Auch für W.? Er hat öfters den Satz „Sie essen aus demselben Topf“ zitiert. Und das Wort „gouvernance“ stammt aus der politischen Diskussion und ist in westlichen NGOs als „good governance“ populär.

Ich las im Bd. 4 von THE KONGO des schwedischen Missionars und Ethnografen Karl Laman (wiki LINK; Blog: LINK) über die Sundi im Mayombe (Kongomündung). Im Kapitel „Erzählungen, Fabeln“ kommt eine gewitzte Zwerggazelle vor, Nsesi : Laman schreibt S.117:“ Und so gewann er, Nsesi,  durch seine Gerissenheit und Intelligenz die allseits begehrte Jungfrau, was beweist, dass diese Qualitäten mehr zählen als Körpergröße.“ (p.117, übersetzt). Bei einer der Prüfungen kam aber auch seine Kletterkunst zu Geltung: Mit Leichtigkeit hatte er mehrfach die Spitze des mfuma-Baums bestiegen. Auch rühmte er sich, „mit seinen Füßen Wasser zu trinken“. Dann bewältigt Nsesi die unmögliche Aufgabe, „einen Kochtopf mit seinen Tränen zu füllen“. Damit nimmt er eine zweite attraktive und eifersüchtig gehütete Frau dem Brautvater ab.

Tragulus_javanicus

Nach dem Anschauen von ein paar Youtubes muss es sich auch hier um die berühmte Zwergantilope handeln, die nicht größer als vierzig Zentimeter wird, geschickt klettert, bei Gefahr bis zu zehn Minuten abtauchen und unter Wasser laufen kann. – Die Abbildung eines „bushbock“ (aus dem oben genannten Beitrag) weist W. sofort zurück. Nun ’sehe‘ ich in dem „Ypsilon“ über der Stirn kein Gehörn mehr, sondern die großen transparenten Ohren. Und finde eine Deutung für eine aufwendigere Maske aus diesem Sommer (no.4).

IMG_0886 (no.4) mit Ohrring!

IMG_7725- (no.1) 14.Nov.2022

 

 

 

.

Am 18. August 2023 fotografierte ich auch am Stand zwei andere Exemplare, die mir – ich muss es eingestehen – überhaupt nicht gefielen.

IMG_0965- fotografiert am 19.8.2023

Gruppenbild am 18. 8. 2023. Auf die Linke achten!

 

Äffchen – Meerkatze (Cercopide)

Das Tier wird charakterisiert durch seinen eingebogenen Nasengrat in der Mitte der breiten ovalen Augenumgebung und seinen runden Ohren. Bei Wikipedia findet sich sogar eine spezielle „Lomami-Meerkatze“ (LINK wiki). Der Fluss Lomami durchfließt parallel zum Lualaba  (Oberlauf des Kongo) die Region.

 

IMG_7713 KELA no.2

K. mag diese Maske sehr, was mich verwundert.  Mich stört zunächst der ‚Bruch‘ zwischen Augenpartie und Mundpartie. Die Maske wurde vielleicht auf dem Kopf getragen. Die Geschlossenheit der Form zeigt sich von der Seite her und bei ausgeglichener Beleuchtung.

Der Typ Halbkugel mit dem starken konkaven Einschnitt ist formal anspruchsvoll. Wenn die Augenpartie zu eng ist, vielleicht noch mit (hier fehlendenPerlchen dekoriert, lehne ich die Skulptur spontan ab, wie zum Beispiel diese:

IMG_0725 Kela fotografiert am 29. Juli 2023

 

 

 

 

 

 

 

.

Damals erwarb ich eine zweite „Meerkatze“  zusammen mit zwei anderen aufwendiger gestalteten KELA-Masken (ab August 2023)

KELA nos. 5  (Meerkatze) – 4 ( Antilope)  – 6  (Vogel Eule?)

IMG_0912 KELA 18.8.2023

 

no. 5

Aufwendig gearbeiteter, kühn durchkonstruierter Helm voller genialer Bögen. Die herausgepulten Keramikperlchen lassen sich in der Vorstellung leicht ergänzen

Die Bögen sind diesmal nicht unterbrochen durch die konkave Augenpartie. Sie erscheint eng eingezwängt in einen Helm, dafür aber mit markanter Stirn versehen und unterschiedlich gefärbt.Noch einmal andere Augen

Die klaren Einschnitte von offenem Mund und Oberlippenrinne sind in der Komposition ganz nach unten gerutscht.

Die sinnliche Breite und Tiefe der Rillen und die freien aber satten Stege dazwischen

Zum solide geflochtenen Band umwickelter Ringe vermutet W.:  zur Vergrößerung, Wertsteigerung; er weist auf je ein zusätzliches Loch auf beiden Seiten der Stirnpartie hin, zur Befestigung

Die Eule

no.6 Kela Eule 19.8.23 IMG_0968

 

Als unheimlicher Vogel zwischen Tag und Nacht spielt dieser Vertreter der Wildnis eine prominente Rolle – vergleiche den Beitrag zu „Luba Zoo“ (LINK). Der Kamm und – im Rahmen der Stilisierung – vergrößerten Augen, sowie die Ausstattung sind ein mögliches Zeichen. W. dachte daran, während ich noch an einen dörflichen Hühnervogel dachte.

 

 

 

 

 

 

Schaf   (no.3)

KELA no.3 IMG_7714 Schaf – Nov.2022

 

Ein zweiter, zufällig auch anwesender Händler bot diese Maske an mit unterschiedlicher Oberfläche und radikal puristischer Konzeption:

W. identifiziert das Vorbild ein paar Wochen später als ‚Schaf‘ (le mouton). Wenn ich mich um Offenheit bemühe, kann ich das nachvollziehen. In einem weiteren Foto kann ich sogar ein ‚Schafsgesicht‘ suggerieren: Die runden  Augenlöcher scheinen zu glotzen und der Mund, der permanent frisst, wenn er sich nicht gerade zu einem ‚määh‘ öffnet.  Kennt W. aus seiner Kindheit Geschichten vom Schaf?

Kela no.3 IMG_7721

 

 

Meine spontanen Assoziationen gingen in eine andere Richtung: ins Gesichtslose und Gruselige, zu Halloween und ausgehöhlten Kürbislaternen. Oder afrikanischer zu einer Maske, die im März 2018 als ‚Henkermaske der Mbole‘  auf dem Tisch von W.W. lag ? oder …. ?

unten:

Mbole? Lengola? Kela? 31.3.2018 IMG_7040.JPG

 

 

 

 

oben:

Im Moment, wo ich das schreibe, taucht das das Bild eines Ameisenkopfes vor mir auf. W. schüttelt nur den Kopf.

 

 

Kela 5.3.2022 fotografiert Alter Mann IMG_4127

Bereits am 5. März 2022 hatte ich sogar die ‚anthropomorphe‘ Maske eines „alten Mannes“fotografiert. Da sagte „Kela“ mir noch nichts.

Die kreisrunden Löcher sind von einem Kreis kleiner Löcher (für Glasperlen) umgeben. Vier mal neun regelmäßig gebohrte Löcher zwischen Nasenlöchern, Mundöffnung und Kinn stellen wohl einen Bart dar.

Das bekräftigt die Deutung ‚mouton‘ für die andere Maske. Der Typ deckt also auch den ‚dörflichen‘ Bereich ab.

Man müsste den Kontext, die Inszenierung der Auftritte kennen!

 

Denkaufgabe: Eine abweichende Maske – Kela?

IMG_7124 Kela? fotografiert am 17.9.2022

 

IMG_7125 Kela? 17.9.2022

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert