– Blog vom 7.12.2017, aktualisiert am 18.10.2018
Die Begegnung am 19.8.2017
Eine Maske muss Ausstrahlung haben. Authentizität und Alter genügen nicht. Der Zustand muss noch den Genuss der ästhetischen Qualität(en) erlauben.
Zuhause angekommen, vertrieb die Eule augenblicklich eine schwächelnde Pende-Maske von ihrem angestammten Platz und degradierte die Luba-Vogelmaske, die bereits vor zwei Monaten von einer ehrenvollen Erwähnung im Blog (Link) in den Rücktausch unter ‚Wert‘ abgestürzt war.
Was macht ihre Kraft aus? Es ist der Realismus des Kopfs in den Proportionen auf der Basis des runden Maskentyps der östlichen Luba.
Vergleichsdarstellungen
Google-Bilder bieten lebendige Momentaufnahmen aus der freien Wildbahn, wenn ich auch nicht sagen kann, ob eine bestimmte Art zum Vorbild diente. Ich zeige eine ‚Afrikanische Schleiereule‘ (engl. ‚Barn Owl‘). Oder war es vielleicht eine Unterart der ‚Ohreule‘ (Link)? Beide Arten (oder Gattungen?) sind Raubvögel und können eine beträchtliche Spannweite erreichen.
Africa Direct 2014 zeigt eine Eulenmaske, die dem Modell des Falken entspricht: der gebogene Schnabel ist mächtig, die Federbüsche über den Augen wie Hörner, die glotzenden Augen durch Abstufungen optisch verkleinert. Die enge Schraffur und der vorn weit heruntergezogenen Kragen weisen auf eine Herkunft aus der Grenzregion mit den Songye. (Abb. rechts >)
Eine andere abgebildete Eule in i.ebayimg.com hat wenigstens auch typische Eulenaugen groß wie Bälle. Der passt besser zum Vorbild. (Abb. links)
Die beiden auf S.15 von Felix „Luba Zoo“ schematisch abgebildeten Masken sind zwar grobschlächtig, zeigen jedoch mehr oder weniger große Augen, einen nach unten gebogenen Schnabel und zwei Höcker auf der Stirn, die obere mit einer gestreiften Fläche. (Abb. rechts)
Beschreibung
An dieser Maske ist alles großzügig, wie eben bei guten Luba-Masken:
- im Format der Maske; sie hat aber auch zartere Elemente (Unterschnabel,’Federbüschel’)
- in der Komposition und in der Gestaltung: Kein Element wird wegen der Konvention bloß zitiert. Kamm, Schnabel und Kinn bilden die beherrschende senkrechte Mittelachse und halten die beiden tiefen großen runden Teller der Augen im Lot.
- in der sinnlichen Plastizität aller wesentlichen Teile. Augenteller und die Formen der Mittelachse haben Masse, sind breit, aber nicht plump, ausgeführt und gerundet. Sie sitzen auf einer unten verlängerten Halbkugel auf.
- – in den breiten dynamischen, die Augen einschließenden Streifen. Um die Augen sind sie schmaler und integrieren wie beiläufig die ‚Federbüsche’
Phänomenal ist die Körperlichkeit! Die muss man greifen, aber selbst Fotos vermitteln etwas davon. Eine Rolle spielt auch, dass die Maske eben nicht kreisrund ist wie das ‚Standardmodell‘. Felix’ Studie „Maniema“ lässt mich vermuten, dass meine Maske ebenso in den Südosten gehört, zwischen Mwanza und Tabwa.
Ein älterer Typ?
Die Pflege war gut. Bis auf Abstoßungen glänzt das Braunschwarz, die weißen Schichten in den breiten Rillen haben noch genügend Kraft. Der selbstbewusste Auftritt eines traditionellen Typs, ohne die Tradition zu beleidigen.
Marc L. Felix und Wenga-Mulayi über schlechten Ruf des Maskentyps und Herkunft
Marc Leo Felix in „Luba Zoo“ zeigt in ill.1 zur kifwebe ähnlich breite Streifen. S.11 thematisiert er die ‚wenig erforschten’ zoomorphischen Masken als Klanmasken mit möglicherweise moralischer Funktion. Er zitiert aus einer Studie von M. Wenga-Mulayi (1974) eine Liste der Typen (S.12). Von Nr.25 KITUNGU, der Eule, heißt es: ‚Eine sehr gefährliche männliche Maske mit den gewaltig großen Augen der Eule. In Dyenge pflegt man zu sagen: „Wenn diese Maske durchs Dorf geht und du über sie lachst, bleibt dir der Mund offen stehen, bis du eine Ziege als Strafe bezaht hast.“ (S.14, Übersetzung).
www.owlpages.com warnt vor Übertragung europäischer Wertschätzung !
Durch den ganzen Kontinent gilt die Eule als ‚böse‘. In Westafrika nennt man sie ‚Hexenvogel‘. Die entsprechenden Traditionen vereiteln den Schutz bedrohter Arten wie der ‚Congo Bay Owl‘ (Gattung: Schleiereule), sagt der Autor. Man solle versuchen, die tiefsitzende Angst in Bewunderung und Respekt zu verwandeln.
Eine Geschichte zu unserem Bild von der Eule:
Der ältere Bruder von H. war Extremsportler. Als er einmal durch dichten Wald rannte, schreckte er eine Eule auf. Er schrie, fuchtelte mit den Armen und rannte weiter. Die Eule verfolgte ihn im Tiefflug, erwischte ihn mit einer Kralle am Kopf und zog ihm eine lange tiefe Schnittwunde über den Scheitel, die sofort stark blutete.
Eine so schlecht beleumundete Maske sollte von weitem erkennbar sein. Für mich spricht das gegen einen konventionellen und für einen expressiven Typ.
Maße und Gewicht : 340g Höhe: 27 cm, Breite: 24 cm, Tiefe: 18 cm
FORTSETZUNG DER GESCHICHTE (Oktober 2018)
Die zweite Eule ist die erste Eule!
Nach einem Jahr sind die beiden wieder vereint. Sie sollten künftig nicht getrennt werden.
Gewiss sind sie gemeinsam – vielleicht aber unterschiedlichen Alters – in einer Truppe aufgetreten, im demselben Dorf irgendwo im Südosten des Luba-Gebietes, mit dem Kifwebe-Bund der gestreiften Masken.
Ihre enge Verwandtschaft ist ein Gewinn. Wo hat man das schon: Zweimal denselben Typen in individueller handwerklicher Gestaltung, dasselbe Erfolgsmodell mit hohem Wiedererkennungswert in zwei Varianten!
Zwei Individualitäten:
- die Gröbere neben der Feineren,
- die Dunklere neben der Helleren,
- das vorkragend und längere aggressivere Maskengesicht gegen das breitere von vorn fast runde,
- der breitere Schnabel gegen den schlanken, mit demselben Überbiss.
In diesem Moment sehe ich sie als männlich-weibliches Paar. Das runde überwiegend helle, feiner geschnitzte und gestreifte Gesicht wäre das weibliche.
Ist die zweite Maske die ‚Ältere’? Sie ist die Mächtigere. Genial hingehauen, ein Wurf.
- Die Wölbung ist mächtiger bei größerer Länge und geringerer Breite (21cm) die Wölbung (22cm) auffällig größer.
- Der Kamm ist wahrhaft geschwollen (6 cm statt 4,5 hoch und länger 20cm statt 17)
- Die Ohren auf der Rundung sehr klein (nicht verbreitert und mit Streifen ausgestaltet)
- die ‚Jüngere’ ist dafür feiner ausgearbeitet: Kamm, Öhrchen, die tieferen Augenhöhlen, Schnabel, Bohrlöcher und halb so breite dunkle Streifen: 1,5 cm statt 3 cm an den Wangen.
Ein Jahr lang hielt mich die ‚Wurschtigkeit’ der Schnitzarbeit der zweiten Maske vom Kauf ab. Die erste schien mir ‚stark genug’. Dennoch lockte sie immer wieder, und das in der abträglichen Umgebung des überfüllten Verkaufstisches.
Das Paar hat nichts von den bekannten, auch prominent abgebildeten Luba-Songye-Kifwebe-Vogelmasken. Die in ihrer kleinlichen Streifigkeit den Eindruck ängstlicher Standardisierung machen, die auch Maskenauftritte beeinträchtigen muss, selbst wenn ‚das Holz’ nur die Nebenrolle spielt.
Die erste Eule hatte mich im August 2017 beeindruckt, weil sie nicht durch die übliche kleinliche Streifung charakterisiert war und eine banale Halbkugel bildete – und weil sie bereits ein vitales ‚idealisisiertes’ Porträt eines gefürchteten Vogels bot. Bernhard Jäger war übrigens bereits von einer Abbildung gefesselt.
Die verschiedenen Stücke, die ich im Netz oder in „Luba Zoo“ abgebildet fand, lassen es an Ausstrahlung, künstlerischem Stilwillen und formaler Eleganz fehlen. Wie können solche Stücke zum interkulturellen Austausch beitragen oder eine europäischen ‚Kunst’Sammlung bereichern?
Provenienz beider Masken: Wardin Mwamba (wardinms@yahoo.ca)