Drei runde Kifwebe der Luba (plus eine) EX

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Ach so, Luba Kifwebe, die runden, die kennen wir schon! rufen die Voreiligen. – Nicht ganz! sage ich jetzt, nachdem ich in ein paar Büchern nachgeschaut habe:

Memory, Luba Art and the Making of History’, The Museum of African Art, N.Y., Kat. 32 und S.86. Selbstverständlich ist das abgebildete Exemplar in einer so gewichtigen Publikation um einiges älter und aus Hartholz, das an Abriebstellen rötlich durchscheint. Es istLuba Kifw.N.Y.-IMG_2314 diskret gepflegt – Seidenglanz und gleichmäßige weiße Rillen – und mit Raffia versehen. Eine Freude auf höherem Niveau. So trat sie ganz sicher beim Begräbnis eines Chief oder anderer herausragender Personen auf, oder wenn eine Person eine wichtige politische Funktion übernahm. (Allen F.Roberts)

 Leo Felix in der Broschüre ‚Luba Zoo’ p.9, fig. 19 und 19a unterscheidet Regionalstile; generell werden die östlichen Luba ausgemacht.

 Dunja Hersak in ‚Face of the Spirits’ p.158f. , ill.3 (Feldfoto Abbildung unten!)) und Kat. 76 zählt noch mehr Funktionen des Maskentyps auf, betont vor allem seine weibliche, ‚zivilisierte’ Seite, bringt ihn mit dem Mond in Verbindung (Neumond-Riten) und erzählt, dass ein Neugeborenes, dessen Mutter in der Schwangerschaft vom Geist bifwebe träumt, rituell als kifwebe Kind begrüßt wird. – Die in Mythen verankerten Aspekte der Maske drohen bereits unsere Neugier in verschiedene ‘spirituelle’ Richtungen zu locken. Und ich fürchte, dass ich so bald nicht wieder zum Ausgangspunkt zurückfinde.

Luba-März 2016-IMG_2312Und nun? Mit seiner extrem breiten Nase und vor allem dem unübersehbaren nach unten gerichteten ‚geschürzten’ Mund wirkt mein Kandidat ausgesprochen ‚funny’, drollig und unernst. Ansonsten ist die Maske ausgesprochen ‚kanonisch’ gebaut: der Körper von einer wunderbaren Rundung, die Streifen (striation) und die ursprüngliche Schwarzweiß-Verteilung (Rot an der quadratischen Mundöffnung) klug verteilt, auch der drollige Mund formal überzeugend integriert. Selbst die äußerst geringe Tiefe aller Details, ob Wölbung oder Kerbe, wirkt elegant.

In diesem Moment finde ich das gesuchte Referenzstück: ein ‚Meisterstückim Tervuren-Katalog: ‚Masterpieces from Central Africa’ no.84 und p.176, A.F.R. (Allen F. Roberts) gibt Luba.Kifw.Tervuren-IMG_2316dem Kandidaten die Erdhaftung zurück, und zwei bisher nicht erwähnten bescheidenen Begleitern gleich mit. Roberts nennt das Exemplar aus dem Museum Tervuren ‚ungewöhnlich’ (uncommon). Das ist es auch mit seinem ‚sprechenden’ leicht schiefen Mund, mit kurzsichtig glotzenden Augen und einem abenteuerlichen Aufeinandertreffen der Kerben unter ihrer groben Nase.

 Wir können den ganzen spirituellen und machtpolitischen Ballast vergessen. Ich zitiere, was Roberts sehr distanziert formuliert: It is said that traveling performers sometimes visited villages and danced with bifwebe masks by way of entertainment, in exchange for food and gifts. This appears to be the way that Eastern Luba are using new sorts of masks nowadays, some of which are striated. Many of these are zoomorphic that were not represented in earlier Luba arts. (….). Today people warn obstreperous (aufsässige) children that if they do not mend their ways, the bifwebe will come and carry them away. (…) (176)

Also ein ‚Krampus’. Eine überzeugende Deutung, vor allem weil ich bei demselben Händler vor kurzem erst eine gestreifte Papageienmaske der Luba erworben habe, ob aus traditionellem Kontext oder nicht, kann ich heute noch nicht sagen.

Sie fragen sich, warum ich nicht zugegriffen habe? Reden wir nicht vom Preis. Es ist eine nicht sehr alte und eher dickwandige Version in Weichholz, freilich wurde das traditionell häufig für den Typ verwendet). Die Oberfläche ist durch Lagerung fleckig geworden und hätte – mit traditionellen Mitteln – aufgefrischt werden sollen. Vielleicht wird sie im Wohnzimmer oder der Vitrine nie wieder ‚tanzen’? – Doch warum greifen Sie nicht zu? Vielleicht liegt die runde Luba Kifwebe demnächst an einem Samstag wieder auf einem der Tische nahe dem Eisernen Steg.

Zwei Monate später erwarb ich eine runde gestreifte Kifwebe Vogelmaske der Luba

Ich notierte damals:

Der runde Luba-Vogel, näher besehen, ist eine erstaunliche Halbkugel (etwa 26 x 24cm) mondsüchtig. Er beherrscht – trotz des nachmontierten, technisch veranlassten ‚lächerlichen’ Bananenstrohs – eine weiße Wand wie die in der Küche. Er ist von matter Oberfläche, erträgt auch nicht die Umgebung des dominanten Papageis, aber er hat es in sich. Er ist auch innen sehr gut, was bereits W. und H. auffiel.

Vogelmensch: Nase und Schnabel, wie böse verzaubert, auch menschliche Ohren – Das Gesicht hat zwei Botschaften: Die Augen sind nach innen gerichtet. Der schwarze lange Schnabel verschließt optisch den Mund. Der Vogelmensch spricht nicht, oder er flötet unverständliches Zeugs. Die Spitze des Schnabels richtet sich auf den Strohbehang, er ‚murmelt in seinen Bart’.

Das feinmaschige Streifenmuster hat es in sich. Es ist nicht chaotisch und produziert auf den Wange ein elliptisches ‚Auge’. Mit der Zeit werden lauter einander schneidende Kurven erkennbar, aber auch die Vertikale durch Stirnstreifen, Nase und Schnabelbogen und die Horizontale mit dem Augenoval – durch schwere Lider belebt – und einer Linie wie ein Brillenbügel. – Dunja Hersak ist gefragt, mit weißer Streifen-Maske, mit Mond. Das ist kein Vogel wie andere.

Die schwarze Augenumrandung ist groß und eindrücklich: Eule? Marc L. Felix,Luba Zoo: p.14 Wenga-Mulayi (Diss. 1974 Kisangani?) no.25: KITUNGU = hibou, masque masculin ! très méchant. Il a des yeux exorbitants … Après le dire des Byenge, quand ce masque passe au village, et que vous riez de lui, votre bouche restera béante jusqu’au moment où vous serez en mesure de de payer une amende d’une chèvre.

Als ‘exorbitant’, also ‘maßlos’ würde ich diese Augen nicht bezeichnen, aber ‘Eule’ nicht ausschließen. Die Anekdote ihrer boshaften Rachsucht ist bemerkenswert: dem Spötter würde der Mund offen stehen, bis er der beleidigten Maske ein Schaf bezahlt habe.

Ist es eine Kifwebe-Bund-Maske (Nasen- und Augenpartie, weiblicher Typ, mit einem Schnabel statt Quadratmaul)?  Zoomorphe Masken seien selten und erst recht Mischwesen; im Osten kämen sie vor.Felix,Luba Zoo: p.10 + ill#29: in the southeast Lubalaized territory in an area stretching eastwards of Mitwaba towards Lake Moero and Lake Tanganyka, where the Zela, Kunda, Bwile, Tabwa, Lomotwa, Rungu and Bemba all live, masks are anthropo-zoomorphic for they depict a combined human/animal being. P.11 clanic emblems? ebd. p.26 Torday sammelte (erste) Vogelmaske 1904 um den Lake Moero. Felix schlägt ein “Amalgam von zwei Maskentypen”  vor – dem traditionell gestreiften aus dem Nordwesten des Luba-Landes und jüngeren säkularen (?) Tiermasken aus dem Südosten, fragt sich aber, ob  es nicht ganz anders wäre, dass ” in fact they represented animals in a humanoid form that only the initiated could recognize?” (p.17) Keine Antwort.

Noch einmal zur ‚Halbkugel’  – Ja, doch die Stirn ist vorgewölbt, die untere Gesichtshälfte schmaler. – Der markante Vorderschädel – durch Rasur hervorgehoben! – der Luba und Songye, der mir inzwischen überall in ihren Skulpturen begegnet, aber auch bei Lega-Honoratioren (Biebuyk/v.d.Abeele: The Power of Headdress p.85, pl.35bis)

Wie die Maske jetzt im Schatten auf dem Griff steht, aber auf dem Stroh zu schweben scheint, macht sie noch attraktiver, geheimnisvoller. Die Gesichtsmaske suggeriert mit dem Behang einen ganzen Kopf. Die Aufhängung aus festem Draht spricht für hängende Aufbewahrung in einer Hütte. Zwischenbilanz: Eine traditionelle Kifwebe aus dem Südosten des Luba-Gebiets

21.November 2016  – Über eine Begegnung der dritten Art

Vor zwei Wochen begegnete mir am Stand ein bemerkenswertes Figurenpaar der ‘Luba’, wie ich es noch nicht gesehen habe. Ob sie zusammengehören oder nur derselben Werkstatt entstammen, wage ich nicht zu entscheiden. Die hier relevante ist komponiert und mit Medizinen behängt wie ein Dorffetisch der Songye, doch sie trägt einen halbkugeligen Vogelkopf, der meiner Schnabelmaske formal und technisch eng verwandt ist. Die hatte ich im Mai der Restauratorin gezeigt mit der Frage nach dem Grund für die teilweise ‘aufgelösten’ flachen Rillen der Kifwebe-Streifen. Das geschehe beim Glätten und Schneiden, wenn das Halbrund gegen die Wuchsrichtung geschnitzt werde. Sie fügte trocken hinzu: vielleicht sei auch der Beitel zu stumpf gewesen. Genau diese schmalen Rillen mit den gleichen kleinen Ausbrüchen traf ich beim Maskenkopf der Figur wieder, formal fällt dann auch dieselbe Kunst der Kurvenführung, die Konzeption und das Finish der  Augen- und Schnabelpartie auf. Noch habe ich keine Information über die Herkunft und Kontext der Objekte, bin interessiert, ohne mir zu große Hoffnung zu machen.

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Maskenspiel

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Hersak Face of the Spirits, p.158

Hersak Face of the Spirits, p.158

Illustrieren die beiden Masken nicht schön die  Annahme von Marc Felix, die Maskenformen in einem breiten Streifen südlich des Kongo seien – grob vereinfacht – Kombinationen unterschiedlicher Module? Nur welches Modul welche Richtung genommen hat, ist eine  knifflige Frage. Mir fiel  zuerst der Griff auf, der einem im Westen des Kongobeckens bei den Yaka begegnet, dann der mehr oder weniger gerundete Kasten, und die vertrackten Streifenornamente ohnehin.

Metoko

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