Ahnenfigur der Mitoko (R.D.C., Region Maniema)

|

 

Radikal in den strengen Proportionen und der Schlichtheit.

Objektdoku

 

Schreinfigur, 56 cm hoch. Oberfläche, Gewicht. Kernholz perfekt gehauen, wenig geglättet. Das Gesicht ist streng, die Haltung aktiv. Der freistehende Bart vor einem senkrechten Brustbereich und die durch einen schmalen Oberkörper (tiefer als breit) deutlich vom Rumpf abstehenden Arme vermitteln ‚reine’ Energie, nicht Muskelstärke wie bei einem jungen Mann (Figur der Lwalwa, Link).

Daniel P. Biebyck zeigte 1976 in African Arts die Grabhütte eines hohen  Würdenträgers  des Bukota-Bundes, einer Variante des Bundes der Lega.

(“Sculpture from the Eastern Zaire Forest Regions“  Jg. X.1 Oct. 1976 – 1.& 2.Teil no.8 auf S.13 und no.1. auf S.52).

Er interpretierte die Funktion solcher Figuren an der Grabhütte als vorübergehenden Aufenthalt der Seele des Verstorbenen, welche die Riten seitens der Nachgeborenen überwachte, bis sie sich schließlich an einen unbekannten Ort entfernte. Meine Figur verkörpert diese Interpretation perfekt. Doch die Idee, sie sei dann irgendwo abgelegt oder – unausgesprochen – heimlich an Händler verkauft worden, passt nicht zu ihrem Harzgeruch, Alter und gepflegten Erhaltungszustand. Werde ich die Wahrheit jemals erfahren?

 

Im Nov. 2016 fotografierte ich am Stand eine etwa 40 cm hohe männliche Figur mit an Objektdokubekannte Masken erinnerndem Kopf und ‚harmonisch’ gesetzten Streifen.

 

 

Nicht entschlossen genug!  Ein Grünschnabel, der sich aufplustert, sich zurücklehnt! Sein Blick ist unsicher, der Mundschlitz nichtssagend und das Tattoo, na ja gefällig.

 

 

.

Hingegen hat der Alte stechende Augen. Sein schmaler Mund zeigt Zähne auf der Höhe der hochgezogenen Schultern, bereit zum Kampf !  Selbst der Bart wirkt bedrohlich.

W. hatte vor zwei Jahren ein helleres, etwas größeres, aber behäbiger wirkendes ObjektdokuPaar mit über den Körper verteilten weißen Tupfen im Angebot. Interessant ist die Verteilung der weißen Flächen an Gesicht, Schultern, Rücken, Armen und Beinen.

 

Der Mann will mit jugendlich maskulinem ‚Brettbauch’ imponieren neben dem  weichen Bauch der Gefährtin.  Die Geste seiner Arme ist nicht entschlossen genug, sie zeigen zu wenig  Kante. Diese Figur gefiel mir damals , aber es war gut, das Paar nicht zu nehmen.

.

ObjektdokuDie neue Ahnenfigur ist ‘klassisch’.

Das Interesse des Freundes von V. war eine Empfehlung. W. betont, wie selten die Mitoko ohne Streifen seien, aber das stimmt nicht ganz.

Vor der Grabhütte in A.A. steht derselbe Typ mit langer Nase, Röhrenaugen, extrem langen Bart, angewinkelten Armen, etwas größer und an ausgewählten Flächen gestreift.

.

Wie kann ein Feldfoto (m)ein Objekt adeln, so ein kunstloser Schnappschuss, in zu grellem Tageslicht mit tiefen Schatten aufgenommen, in geringer optischer Auflösung reproduziert?

Vielleicht ist die Unschärfe des Bildes sogar vorteilhaft? Nichts lenkt ab von den Proportionen, den großen Linien und der großen Geste.

Ich bekomme spontan das Gefühl, bisher noch keinen wirklich Ehrfurcht gebietenden figürlichen ‚Ahnen’ besessen zu haben, oder keinen so würdigen „vorübergehenden Aufenthaltsort“ . Das Gefühl täuscht natürlich.

.

Wie bereits im Beitrag „Gardemaß“ (Mitoko, LINK) gezeigt, wirken die meisterhaft Flächen und ihre differenzierenden Linien und Winkel ganz diskret. Das gilt auch für die durch weißen Anstrich gesetzten Akzente. Dass mit der Zeit verschwundene Farbtupfen wohl dazu gedacht werden müssen, bedeutet nur, dass stilistischer Purismus für die Auftraggeber der Figur und Künstler kein Selbstzweck war. Ästhetische Aspekte, die früher vielleicht von lokalen Konventionen überdeckt worden sind, werden sichtbar, so wie auf dem technisch unzulänglichen Feldfoto.

 

Ich komme um eine Beschreibung (und Messung) nicht herum. Ein paar Hinweise:

  • Der Torso ist ein Block größerer Tiefe als Breite. Seine Kanten sind weich, aber nicht aufgeweicht. Die Glättung ist bis auf Nacken und Waden perfekt und lässt die wenigen Holzfehler fast schon dekorativ hervortreten
  • Der Kopf gewinnt durch seine Trapezform, den langen Steg der Nase, die Knopfaugen und den eingeschnittenen kleinen Mundspalt seine starke emotionale Präsenz
  • Beispiel für die Kraft aus einer Kombination von Frontalität und äußerster Reduktion
  • Der lange Bart und die schmalen langen Arme waren in ihren kontrollierten Abständen technische Herausforderungen

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert