Afrikanische Sklavenküsten – Brutaler Materialismus und verfeinerte Kunst.

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 Entworfen 9.5.16 während der Lektüre von Wyatt MacGaffey und Kajsar Ekholm  Friedman, überarbeitet am 5.5.2019

Ich will ein paar Einsichten festhalten, denn das Unverständnis in Europa für die fremde afrikanische Gesellschaften wird im Zeichen der Moralisierung der Politikdarstellung immer größer! Dagegen war die Haltung der frühen Seefahrer geradezu offen und neugierig.

Festhalten: Der Atlantikhandel trieb als ökonomischer Motor an den Sklavenküsten, auch an der Mündung des Kongo, eine Verhärtung der Sozialbeziehungen durch krassen Materialismus an.

Vellut: La Mémoire du Congo – Le temps colonial , Tervuren 2005 p.36: “Bin ich der Hüter meines Bruders? (Genesis IV.9) – Zeichnung eines Kapuzinermönchs aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

 

Durch den lokalen Handel früherer Zeiten hatte man nicht wirklich reich werden können. Nun konnte man Reichtum akkumulieren (Sklaven als Wertanlage), indem man ärmere Familien unterwarf, deren Abkunft man in Frage stellte, die man in Hexenprozesse u.s.w. verwickelte. Macht und Autorität zahlten sich aus. Klanchefs und Zauberer beteiligten sich nach Kräften und wurden despotisch. Und vor allem konnte man Reichtum zeigen, durch Menschenopfer, in Begräbnisstätten, u.s.w. , wie Wyatt MacGaffey beschreibt. (LINK) Dann erst kam die Katastrophe des leopoldinischen „Kongostaats“. Kajsar Ekholm  Friedman /  LINK)

 

 

 

Ich frage mich: Kommt daher die große Zahl handwerklich perfekter Prestigeobjekte im Mayumbe und Vili am Kongo, während die Masken der Region unattraktiv blieben? Und dass man bei angesagten Künstlern bestellte? Jeder Häuptlingsfrau eine kleine Mutterdarstellung (‚Maternité’, LINK )? Imitiert die nicht einen ‚höfischen’ Stil? Ich spüre darin nur ‚Haltung’, oft auch nur ‚Pose’. Ja, ja, Idealisierung der Ahnen! Die Mächtigen an den Sklavenküsten waren doch nichts anderes als gewitzte ‚Krautjunker’. Abgrenzung nach unten hat noch niemandes Charakter veredelt!

Die Erhellung des verschütteten vorkolonialen Lebens in Afrika verlangt geradezu archäologische Methode und Haltung. Die europäische Ethnographie konnte lange wenig mehr als Massen von Objekten und Gerüchte vom Hörensagen produzieren, nicht viel besser, als was vor zweitausend Jahren die Historiker des siegreichen Rom über Kelten und Germanen verbreiteten. Die übliche schriftlose Überlieferung plastisch formbarer (Michael Oppitz) Mythen vermittelt ohnehin ein schiefes Bild von „traditioneller“ Ordnung und verschafft jeweils der jüngsten Geschichte unverhältnismäßige Bedeutung, was auch die Außenwahrnehmung beeinflusst.

Dieses Bild eines brutalen und elenden Afrika passte der bis ins späte 20. Jahrhundert verbreiteten Fortschrittsideologie gut ins Konzept. Ähnliches kennt man bereits aus dem China der Opiumkriege (nach 1842). Verschiedene Charaktermasken und Rollen taten auf die koloniale Bühne und nutzen die Verhältnisse propagandistisch für ihre Sonderinteressen: der Missionar, Arzt, Forscher, Militär, Ingenieur, Bürokrat, Journalist und Geschäftsmann. Die scheinheilige emanzipatorische Rhetorik des heutigen politischen Europa ist gar nicht fern.

Hat die von mir abgelehnte Idealisierung ‚afrikanischer Spiritualität’ doch eine gewisse Berechtigung, so wie jede Beschwörung ‚goldener Zeiten’? Aber sie musste sich ja nach der Katastrophe neu erfinden und das im ungelösten Dauerkonflikt zwischen den neuen und ‚traditionellen’ Eliten, die allzu lange vom transatlantischen Kommerz profitierten, was wir nicht vergessen sollten!

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