Die Alten sind nicht so ‘pink’ wie im Weltkulturenmuseum! AKTUELL

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Veröffentlicht am 9. Dezember 2018       Stand des Nachdenkens am 11. 4. 2020 /24.5.2020

Nachdem ich mich notgedrungen länger mit “Kolonialismus” und “Unser Denken dekolonialisieren” beschäftigt habe, bin ich zu der Ansicht gekommen, dass wir alten Menschen in der Ausstellung echt “kolonisiert werden”. Es ist ja ein Irrtum zu glauben, “Kolonisierung” sei eine klare Sache mit definierter Front. Nein, sie kennt viele Überläufer und Profiteure unter den “Kolonisierten”. Chancen eröffnet sie den einen, nimmt sie anderen. Schon deshalb finden Kurator*innen mühelos Mitmacher, Vorzeige-Individuen, Kreative und heute natürlich Influencer, die Grey ist the New Pink” verkörpern wollen.

So wie es mir und meinesgleichen heute ergeht, so erging es “1968” den Kriegsgenerationen mit der Generation der “Achtundsechziger’. Ihre bitteren und ihre desillusionierenden Erfahrungen konnten sie nicht vermitteln. Und entsprechend ihrer Sozialisation haben sie fast immer geschwiegen. Heute müssen wir das doch nicht.

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Nicht erst mit der ‘Pandämie’ wird ein abstrakter Anspruch auf Lebensverlängerung über jedes Maß hinaus stärker im Blick auf die sie finanzierenden Generationen in Zweifel gezogen.  Ihre eigenen  ‘Wertvorstellungen’ politisierend,  haben die ‘uns repräsentierenden’ Eliten das in Selbstermächtigung für unumstößlich erklärt, im Einklang mit  morbiden Staatskirchen und interessierten Wirtschaftszweigen. Die wirtschaftlichen und sozialen Kosten werden nach dem shut-down nicht mehr vernachlässigt werden können. Die uralte Frage nach sinnvollem Leben und würdigem Sterben lässt sich auf Dauer nicht unterdrücken. Wenn mir jemand beiläufig erklärt, dass die über neunzigjährige Mutter “ein wahrer Cyborg” sei, und wenn gleichzeitig Pflegekräfte aus ärmeren Ländern angelockt werden, wenn es an Landärzten und Kinderärzten mangelt und man in vielen Ländern der Welt ohnehin schlechte Karten hat, dann stimmt doch etwas nicht mit der angeblich hohen Moral unseres Gesundheitssystems! Ich möchte heute meine Schicksalsgenossen daran erinnern:  “Das Alter ist die wichtigste Todesursache” (Hausarzt). Und:  “Dass ein Leben ein Recht auf Leben impliziert, ist undurchführbar” (H.Blumenberg “Die Vollzähligkeit der Sterne” 1997, S.95), auch wenn wir das selber gerne hätten.

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In “Grey ist the New Pink” (Link) spendet das Weltkulturenmuseum, Mainhattan mit einem Augenzwinkern Trost.

Dies ist ein Offener Brief an die sprichwörtlichen “schrecklichen Enkel” des Vilém Flusser (Link: S.28/29), die überall das Ruder in die Hand genommen haben. Die setzen sogar eine ethnologische Ausstellung  über die Alten in die Welt und erzählen dabei etwas von ‚Momentaufnahmen des Alterns’.        Links: FAZ.net und SWR

‚Momentaufnahmen des Alterns’?

Die den Zustand ‚Grey’’ repräsentierenden Momentaufnahmen und Präparate können den Prozess des Alterns nicht abbilden, den der Untertitel verspricht. Der schmissige Obertitel stammt ohnehin aus der Neuen Welt des unablässigen Wechsels der Moden.

Wer hätte es gedacht: Wenige Wochen später verkündet die Firma Globetrotter mir in einer Dialogpost, dass “KLAUS KOMMT”, als Globetrotters oberste Instanz in Sachen Geschenke und sie verspricht mir: Gewinne 1 Rucksack… Das wird ein Fest…. (gültig bis 31.12.2018). Kenne ich das Gesicht nicht von Ilja Rogoffs Knoblauchpillen? (Link)

 

‘Achtundsechziger’

Jede Generation altert anders, heißt es irgendwo in der Handreichung, die ehrlich gesagt, gut gelungen ist. Haben die in Frankfurt bereits museal abgefeierten ‚1968er’ etwa Besseres  verdient? Stimmt die Verbindung mit Mode und Selbstdarstellung etwa nicht? Schon die ‚1978er’ haben ‚uns’ dafür hart kritisiert, wenigstens im SPIEGEL.

 

Ihr könnt nichts dafür!

Die Welt der ‚Alten’ ist kein Milieu ‚die alte Welt’ war eine grundlegend andere Welt. Den Epochenwechsel erlebt zu haben, war ein Privileg dieser ersten Nachkriegs-Generation. Ich persönlich bin dankbar dafür.

Wenn Ihr die Alten betrachtet, nehmt Ihr vielleicht ihre romantisch zerklüftete Oberfläche wahr, Ruinenromantik, vor allem ihre Schwäche, die ihr mit Empathie umhüllt. Vielleicht haben sie Euch ja in der Rolle einer Oma oder Opa auf den Knien schaukeln lassen, oder sie sehen so aus, als sei es ihnen zuzutrauen. Ihr könnt nicht anders.

Ihr seid froh, wenn Ihr noch versteht, was sie Euch zu verstehen geben wollen. Ihr seid gerührt. Doch was wollen sie Euch sagen? Vielleicht habt Ihr  die wichtigen Klärungen und Gespräche ja vor euch hergeschoben, bis es zu spät war.

Von Meret Buser ist ein anrührender Versuch der Würdigung ihrer Mutti oder Oma zu sehen, nach Schweizerinnenart. Hunderte solcher ‚Werke’ ließen sich ebenso aus den hinterlassenen Rezepten meiner verblichenen Schwiegermutter gewinnen.

Wie soll ich den Raum benennen, der den Alten zugebilligt wird?

‚Biotop’ wäre zu euphemistisch, eher schon ‚Reservat’. Den großen Rest an Weltorientierung erledigen euch Google & Smartphone. „Google weiß alles“ und wenn nicht, dann ist es dumm gelaufen. Wer mit ‚Google Maps’ umgeht, weiß, dass man nie ‚Dreamlines’ abgebildet finden wird. Da sind ganz andere Faktoren im Spiel: wirtschaftliche oder militärische oder Ignoranz.

Wenn Ihr wissen wollt, was ‚Altern’ als Prozess heißt, schaut euch die U-60- und Ü-60jährigen an, die Eurer Beförderung – noch – im Wege stehen oder Eure Digitalisierung aller Lebensäußerungen sabotieren, diese grauen Leute, vor allem männlichen Geschlechts, aber auch weibliche Pioniere Eurer grenzenlosen Gleichstellungsoptik.

Da sind wir schon bei der Sprachlogik und –ästhetik. Was kümmert euch die ‚traditionelle’ Sprachwissenschaft, die sogar über das Feulleton der FAZ versucht, die grammatische von der biologischen Ordnung der Dinge zu unterscheiden? Die Alten sind einfach unkorrekt und sollen die Klappe halten, wenn sprachliche Ungetüme wie „Naturheiler*innen, Medizin- oder Zaubermänner und –frauen“ (S.15) auftauchen. Ob das der Kurs Deutsch für Ausländer in seiner Oberstufe noch begreifen könnte? Klar, das schafft Ihr nie.

 

Wer kann ‚das Altern’ begreifen? Das ist kein Lebensstil wie die anderen.

Konsumiert Ihr zu viel Fernsehen und ‚Social Media’? Für alles, was auffällt, finden sich da Repräsentanten, die zum ‚Influencer’ und ‚Trendsetter’ taugen mögen. Den zwei Berliner Gewächsen Krabbenhöft (73) und Kanja (erst 68) – jünger als ich, aber vom Anschein eher den Hundertjährigen zuzurechnen – ist die mediale Nische zu gönnen.

Von den ‚älteren Rappern’ des Kenianers Osborne Macharia nehme ich eher an, dass sie Mietlinge sind, die in sein Konzept passten und posierten.

Was hat dieser Zirkus mit traditionellen afrikanischen Würdestäben zu tun, die bis heute mit mittelalterlichen Herrscher-Insignien vergleichbar sind, vor allem, wenn sie mit dem Amt vererbt werden? Das künstlerische ‚Zitieren’ als ‚charakteristische Symbole’ bestätigt ihre Entmachtung – oder behauptet die Entmachtung  im zeitgenössischen Afrika auch nur.

Ich frage mich übrigens, warum die in der Ausstellung gezeigten Exemplare eine so auffallend geringe Ausstrahlung haben. Liegt es am ‚sauberen’ Erwerb kaum gebrauchter Objekte? Vielleicht wurden sie ja vor hundert Jahren bereits im Blick auf westliche Kunden produziert. Wie soll sich darin Macht abbilden?!

 

Paradies Liebe oder so

Gehen wir zum triebstarken und populären Thema über, zur ‚Liebe’.

Liebe, Körperlichkeit und Zuneigung sind alterslos und betreffen alle Menschen unabhängig von ihrem Alter.“ Der Satz könnte juristisch  ‚mildernde Umstände’ begründen für manche Täter im Bereich von ‚Me Too’, aber klingt wie aus dem Lehrbuch korrekter Anschauungen. Sollen darüber ‚Alte’ etwa  ‚diskutieren’ – als normgerechte ‘Achtundsechziger’?

Selbstverständlich ‚porträtieren’ trendbewusste Künstlerinnen ‚ältere Transgender und gender-nicht-konforme Menschen’ (11), welche zweifellos den überwiegenden Teil der ‚Alten’ repräsentieren, die das nur noch nicht begriffen haben, zum Beispiel weil sie noch einer Generation angehören, in der die meisten Frauen froh waren, als der Gatte mit seinem dumpfen ‚Begehren’ von ihnen abließ. Muss ich soziologische, historische oder ethnologische Literatur zitieren?

 

Geheimnisse der Langlebigkeit“.

Es soll da ‚Blaue Zonen’ der Langlebigkeit geben, habe ich recht verstanden: Nigeria? Also  nichts wie hin auf die Müllkippen und in den terrorisierten Norden! Der dokumentierte  traditionelle ‚Zauber’ erinnert an die Werbung in Apotheken, welche versprechen, durch Ampullen das ‚Altern’ aufzuhalten, 78€ im Angebot.

 

Wozu altern?

Ewig Leben?

Die interessante Frage lese ich nirgendwo. Lieber „100 Jahre und mehr“!   Etwa als ‘Couch Potato’? Und zur Illustration Ossiarien, Schädellager in Niugini und im Mittelalter.

Ich dachte, in unserer Zivilisation hätten die  ‚Ahnen’ bereits ausgedient, sobald ihre Erbschaft prozessfest verteilt ist?

 

Für immer und ewig

Das nächste Kapitel beschäftigt sich ausgerechnet mit Tattoos unter dem Titel „Für immer und ewig“? Wenn das nicht eine kurzsichtige Selbsttäuschung ist, ob nun Beerdigung oder Verbrennung folgen! Zu den Studioprodukten aus Malle und so wäre noch einiges zu sagen.

 

Projekte“ bis zum Schluss

Das schreckliche Thema Defizienz wird im 11. Kapitel von Kompetenz-, Handlungs-, ja Rettungsphantasien überstrahlt. Ja, Ihr Enkel wollt euch euren operativen Optimismus auf keinen Fall nehmen lassen. Der Realität des Alterns ‚entgegenwirken’, heißt das Programm.

Unter Anleitung der Künstlerin’, die weit jünger ist als die Adressaten, soll ‚das eigene Bild vom Altern’ niedergeschrieben werden, mit dem von Fünftklässlern konfrontiert und daraus eine ‚intergenerative Wahrnehmung des Alterns’ destilliert werden. Frage: Für wen? Was für ein Quatsch! Dem folgen ‚Medical Design’ und Experimente mit dementen Patienten.

Der Tod wird im letzten Raum mit einem hauseigenen dekorativen Sarg aus Ghana eingesargt  und in bunten Bildern mexikanischer Allerheiligen-Feste folkloristisch entsorgt.

Wie denn auch anders? Über dem Thema ‘Sterben’ lastet besonders in Deutschland immer noch ein mächtiges Tabu. Dabei müssen gerade wir Alten uns immer mehr als  Last für die ‘Sozialkassen’ und als Verursacher eines sich verschärfenden ‘Pflegenotstandes’ betrachten, dem in Zukunftsphantasien bereits durch Robotik abgeholfen werden soll.

Warum weigert man sich dann noch, uns wenigstens auch ‘Barrierefreiheit’ vor dem Sterben zu gewähren? Wieso dürfen in unserer post-christlichen und angeblich super-pluralistischen Gesellschaft die allgegenwärtigen Juristen, dazu ein paar beamtete Theologen und Philosophen, die ganze menschenfreundliche Gesundheitsbranche, einschlägig bekannte Politiker unter Einfluss und alle möglichen Meinungsbildner sich überhaupt als Hüter abendländischer Werte aufspielen? Die Profiteure sind schließlich bekannt. Na, dann reformiert ‘mal, Ihr Jüngeren!

Entwurf: 18.11.2018

 

 

WIR ALTEN

Die alten Boote verlieren ihre Gleitfähigkeit und Tragkraft. Die einen hatschen nur noch, andere haben ihre Neugier verloren und schnurren wie kaputte Uhrwerke ihr Programm herunter. Jeder hat über seine Kräfte an Ballast aufgehäuft und ist daran gefesselt.       6.11.16

AUFHEBENS

Etwas ‘aufzuheben’, das gehört sich eigentlich nicht , weswegen die Redewendung auch nur in der Vergangenheitsform  anerkennend gebräuchlich ist.

Wozu habe ich denn alle diese Papiere – meine und die anderen Leuten zuzurechnenden – aufgehoben, sortiert und aussortiert, wenn nicht, um eines Tages …. ?

Ständig höre ich von Neuerscheinungen, Lesungen, Messen und Preisverleihungen mit anschließend wiederholenden Neuerscheinungen. Von dem Kultur-Zirkus macht mich die handgeschöpfte Netzpublikation unabhängig, wenigstens für die nächste Gegenwart. Mehr können die meisten Publizisten nicht erwarten.       7.11.16

 

SCHLIESSLICH ECHT WEITERFÜHRENDE LITERATUR ZUM THEMA :

“ALTER-NATIVEN: HEINZ SAUER UND ALFRED SCHMIDT”     ->   LINK ZUM BLOG VON 2011

 

 

 

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