Hurra, Ludwig Meidner wird hundertzwanzig!

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„Erinnern an Meidner“ – Kein Wert an sich. Kommt darauf an, wer sich erinnert. Hüte dich vor allem Musealen, je älter du wirst, desto kompromissloser!       Ich habe mich durch die kleine Veranstaltung des „Darmstädter Künstlerarchivs“ bewegt wie ein diebische Katze, wie ein Kind. Mitgehen ließ ich gefilmte Szenen und Notizen, traf eine alte Freundin, Gesicht wie ein Dörrapfel, und ließ mir von W. berichten. Er lebe in Heidelberg, sehe aus wie eine Oma, ganz die weibliche Seite, „nicht so konturiert wie wir“, sondern eine Mischung von Vater und Mutter. Da stehen sie auch schon vor meinem innern Auge. Ich verzichte auf die Telefonnummer, will mir das vitale Erinnerungsbild nicht nehmen lassen. Der Sammler-Vorsitzende exaltiert sich, schleudert den  Sammler-Expressionisten aus sich heraus: im Nacken das Sternenmeer, am Finger den Ehering. Abwechselnd wird ihm zu warm und zu kalt. Er schleudert das kleine Porträt des Meisters vom Tisch, verhaspelt sich, verspricht sich, brüllt, stottert. „Der Maler muss viel fressen!..“ Genau wie der Sammler, Hunger und Kälte. Die Pose, sich aus dem Fenster zu stürzen auf das Trottoir der Berliner Republik wärmt einfach. Hinter mir sondert tatsächlich jemand banalen Schweiss ab, nicht etwa Bleiweiss oder Zinnoberrot. Ich sehe in die Runde: An Ölbildern nichts Passendes.  Macht nichts: Die Mehrheit der atemlos Lauschenden sind ehrenamtliche Helfer. Dank sei ihnen vorab, ebenso den Leihgebern, die Kunstverstand bewiesen haben. Undsofort…. Kittel wäre geplatzt. Wir Sammler sind Vampire, wir leben vom Blut der Anderen, aber nur vom Feinsten. Was immer da jemand erlitten haben mag: Schön, dass Sie es uns mitgeteilt haben; am Ende haben Sie uns Gold geschissen! „Zotig tanzen wie ein Bezechter“, und das im Anzug und ohne Flecken. „Den Mond mit deiner Zotigkeit beglücken. Und dann musst du malen, deine ganze Verruchtheit und Heiligkeit“. Wenn es doch unsere wäre: Sünde, Sünde, Sünde, der Tanz ums Goldene Kalb. In tiefer Nacht nackt ums Lagerfeuer stampfen, in der Werkstatt eingeschlossen dem Tang- oder Ming- oder Sungherrscher Juwelen machen…. Aber wir hier im Raum wissen die Qualität eines Druckes zu würdigen,  „einschließlich der Fingerabdrücke eines Handdrucks“. Dahin folgt uns Bildungsbürgern niemand so leicht. Übrigens ist mir gestern wieder der wirkliche Erfinder der „Patina“ begegnet: K., der Kenner aller “relevanten Gebrauchsspuren“ sowie authentischer Abwitterung. Hauptsache, wir haben Spaß. Ich habe mich entschieden, auch weiter kein Glied einer Meidner-Vereinigung zu sein, sogar die Spendentöpfe „Anstelle des Eintritts“ zu ignorieren. Vielleicht werde ich einmal ins Darmstädter Stadtarchiv lesen gehen, vielleicht sogar spenden, aber vorher den Marktwert meiner Autographen taxieren. Schließlich habe ich nur Einen gekannt, der Modigliani gekannt hat! IMG_3612MeidnerErinnern

Ein Gedanke zu „Hurra, Ludwig Meidner wird hundertzwanzig!

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