Eigenes und Fremdes an Masken der Luluwa-Kasai

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THE LAST TWO CHAPTERS – Symbolism &  Provisional Results – ARE TRANSLATED AT THE BOTTOM
IMG_5056-Luluwa.Front  Höhe 36 cm, Breite 26 cm, Tiefe 17  cm,  Luluwa (Mitteilung des Händlers)

Dies wird keine Liebeserklärung. Dazu ist die Maske zu groß und hat einen eher spröden Charme, ist auch nicht unverwechselbar wie die kleinen Schutzfiguren. Doch sie strahlt Kraft aus, und nicht nur ihre Bemalung macht neugierig. Ich stöbere in meiner kleinen Handbibliothek. Der noch am selben Tag angefangene Literaturbericht wird immer komplexer.  Ich muss alle Fragerichtungen offen halten. Eine robuste Gliederung thematisiert drei Themen: GESCHICHTE, VERGLEICHSOBJEKTE (MASKEN) und DIE SYMBOLIK DER BEMALUNG

GESCHICHTE

Sich von ihren vielen unterschiedlichen  Namen nicht in Verwirrung stürzen lassen:  Luluwa, Lulua, Bena-Lulua, Bena-Luluwa, Luluwa-Kasai, Bashilange, Bena Moyo, Tushilange, Bafemba, Bapemba (nach Marc Leo Felix: 100 Peoples of Zaire and their Sculpture – The Handbook, 1987, p.88/89)

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Die amerikanische Internet-Galerie “www.zyama.com” (LINK) charakterisiert “Luluwa” griffig als Oberbegriff  : Lulua is an umbrella term, which refers to a large number of heterogeneous peoples who populate the region near the Lulua River, between the Kasai and Sankuru rivers. Felix nennt sie Lubaized Kasai und gibt ihre Zahl mit 300.000 an.

Eine gleichnamige Volksgruppe wurde Mitte des 18. Jahrhunderts aus der Gegend um Kamina in Katanga/Shaba von den Luba-Katanga in das jetzige Siedlungsgebiet vertrieben,  zusammen mit den Luba-Kasai. Im 19. Jahrhundert kamen weitere Kuba-Kasai dazu, diesmal unter dem Druck der Songye und der Araber – damals Kolonialmacht am gesamten Oberlauf des Kongoflusses.  Die Luba-Kasai vermehrten sich in der Folge so stark, dass sie die Selbständigkeit (sovereignty) der Lulua bedrohten. In der Bedrängnis wählten sich die chiefdoms (chefferies), die gewöhnlich ohne zentrale Führung auskamen, einen starken Führer.

Chief Kalamba, um 1900-digital.history.pcusaDieser paramount chief der Luluwa war Chief Mukenge Kalamba, der 1875 – “unter Einfluss der Tchokwe” den Luluwa den Palmwein verbot und das Rauchen von Cannabis förderte, und 1888 die Narbentätowierung an Körper und Figuren verbot (alles bei Felix), gegen die Luba-Kasai kämpfte (Fabian), und schließlich mit 10.000 Kriegern die entstehende belgische Kolonialmacht in Luluaborg/Kananga herausforderte. (Sundkler/Steed, 2000)

“The Lulua schafften es nicht, die Luba-Kasai zu verjagen und nun leben sie zusammen.” (“The Lulua failed to expel the Luba-Kasai and they now live together”). So bilanzierte 1987 Marc Felix lakonisch. Im 21. Jahrhundert ist wieder alles offen.  Inzwischen ist man über ein Jahrhundert weiter, und was für ein unruhiges Jahrhundert gerade am Kongo!

Kananga, die Hauptstadt der neuen Provinz Kasai Central, hat über eine Million Einwohner unterschiedlicher Herkunft. Man denke nur an die zahlreichen Mischehen und deren Kinder, gibt mir ein Kongolese zu bedenken.

Und wie ist die Lage in den völlig verarmten Dörfern? Kaum anders, nur dass mangelhafte Versorgung und scharfe Konkurrenz um Ackerland dazu kommen. Die Böden sind ausgelaugt, die Wälder verwüstet.

 Im Frühjahr 2017 melden Medien, dass ethnische Vertreibungen von Luba und Luluadurch Selbstverteidigungs-Milizen von Chokwe, Pende und Tetela im Gange sind (“Bana Mura” unterstützt von Regierungstruppen), als Reaktion auf die gezielte Ermordung von Pende und Chokwe in einzelnen Dörfern des Kasai durch die Luba-Miliz “Nkamuina Nsapu“. Pende, Chokwe und Tetela bilden Minderheiten. Ihnen gelten Luba-Kasai und Luluwa gemeinsam als Eindringlinge.

Hintergrund ist ein ursprünglich lokaler Konflikt mit der Zentralregierung, der sich seit über zwei Jahren als Flächenbrand im Kasai ausbreitet. Kabila in Kinshasa verschiebt seit Jahren die Präsidentenwahl – aktuell auf ende 2018 – und bekämpft auf jeder Ebene seine Gegner; bei Problemen schickt er das Militär. So wurde ein nach traditionellem Recht bestimmter Chief namens Mpandi vom zuständigen Distriktsbeamten nicht anerkannt. Er gründete eine Miliz, aber starb noch 2016 im Kampf. Bereits er, aber erst recht seine nun kopflose und verrohte Truppe junger Leute, heizte die  schwelendenen Rivalitäten zwischen den Ethnien an. In Pogromsituationen werden Nachbarn zu Todfeinden. Das steigert die ohnehin  gefährliche politischen Spannung in der DR Congo.

Meine Links: (acaps) (Hinweis “You are not authorized” kann man ignorieren!) + globalsecurity (=Telegraph,17.8.17). Auch Wikipedia.eng hat bereits einen Beitrag über Nkamuina Nsapu!

MASKEN DER LULUWA – UNTYPISCH IST TYPISCH

Traits of the various peoples (Luba-Kasai, Kuba, Chokwe, Kete) are visible in their sculpture.“ Felix nennt in seinem Handbuch darüber hinaus noch folgende ‘relevante Nachbarn’, teilweise im ‘Siedlungsgebiet’ der Luluwa : Binji, Luntu, Biombo, Mbagani, Lunda, Lele, Pende, Kuba, Wongo und Nsapo. – Sein Handbuch porträtiert mit hundert Völkern im Kongo überhaupt nur eine Auswahl!  Das Phänomen habe ich bereits am Fall der Mbala (Link) in der Provinz Bandundu angesprochen. Den Einfluss der Chokwe auf meine Maske belege ich weiter unten mit drei Beispielen, den der Kuba mit einem Beispiel.

Er betont die Seltenheit von Masken bei den Luluwa: Masks are very rare among the Bena-Lulua. Sie wurden benutzt in Beschneidungsriten und Beerdigungen von Honoratioren. Man erkennt sie gewöhnlich an folgenden Merkmalen: vorgewölbte Stirn, konkaves Gesicht, spitzes Kinn, oft mehrfarbig (“Masks have bulging foreheads, concave faces, pointed chins, are often polychrome“). Er bietet nur Zeichnungen: (Abb. nos. 16-19)

Felix,100 Peoples.89-Luluwa

Nr. 16 ist 22cm hoch und zeigt eine große weiße Augenumgebung, nach innen gewölbten (konkav) schmalen Nasengrat, ein Fischmaul und Tätowierungen.

VERGLEICHSOBJEKTE : 3  MASKEN  LULUWA

Tervuren-Masterpieces.62-Kete.Luluwa1      Tervuren Masterpieces no.62 (Erläuterung S.166) könnte die Vorlage für Felix’ Skizze Nr. 16 sein.

Südöstliche Kete oder Luluwa (Constantijn Petridis, vom Cleveland Museum of Art seit Januar 2002.)

Die Maske wurde 1911 von Leo Frobenius registriert. Die Kete waren die ursprünglichen Bewohner und wurden von den Luba aus dem Osten assimiliert. Kete und Luluwa übernahmen Initiation und Maskengebrauch von den Chokwe ende des 19. Jh., als diese nach Norden expandierten. (Vgl. Link zu Pende) Sie verkörpert den Geist des Toten, und ihr Auftritt markiert die festliche Rückkehr der Initianden aus dem Buschlager. Bei den Luluwa inzwischen Auftritt bei fast allen öffentlichen Anlässen. Petridis beschreibt hier auch die gestreifte Tracht aus geknotetem Raffia.

Beschreibung und Vergleich: Die Muster auf dem Gesicht sind mit fettem Schwarz herausgehoben. Meine hat nur eine farbige Malerei ohne Konturierung.

Die kleine durch die Nasenscheidewand gezogene zweigliedrige Kette war bis in die dreißiger Jahre populär. – Die an meiner Maske durchbohrten Nasenlöcher hätten aber erlaubt, an gleicher Stelle eine dünne Kette zu befestigen

Beiden gemeinsam sind die Bohnenaugen, die Nierenform der Augenumgebung, ein konkaver Nasenbogen, der halboffene dünnlippige Mund, ein vorstehendes Kinn, die Malerei auf Stirn und unter den Wangen, die eine schwarz, weiß, ocker , die andere in weiß, rot, ocker (verblasst), schwarz. Meine Maske ist viel größer ( wie Felix no.17, 18 und Guggeis Afrikanische Kunst. Nr. 95, die teilweise über 40 cm hoch sind.

2

Guggeis,Afr.K.p.95.95-LuluwaIch bin überrascht, eine Luluwa in Guggeis Afrikanische Kunst zu finden, Nr.95: 45 cm hoch, unter dem Motto: immer wieder … ungewöhnliche Entdeckungen, hier ist es eine ‚eulenartig große völlig durchlöcherte Augenpartie der für Luluwa üblichen konkaven  Form mit zwei kleinen Polsternägeln als Augen, und eine Nasenkette, die sogar die Oberlippe durchbohrt. Pointiertes Kinn. Ansonsten schmucklos in sattem Braun. Harz? Dekorativ verfremdender Rand und eine Schildform (aus dem Nordosten?)

Das allein stehende ‚keltische’ Fadenmuster auf der Stirn wird von Clémentine Faik-Nzuji  in Die Macht des Sakralen – Mensch, Natur und Kunst in Afrika (Walter 1993, S.26) an einer Mukishi wa pwo interpretiert, einer Maske der Chokwe mit weiblichen Gesichtszügen. Sie verherrlicht die Schönheit der Frau und die volle Entfaltung ihrer Weiblichkeit. Sie ist der Sitz der ‚mythischen Mutter’, eines weiblichen Geistes, der Schönheit und Fruchtbarkeit schenkt. Auf der Stirn das Zeichen Kalunga, Symbol des ungeschaffenen Schöpfergottes und des vollendeten Universums, wo jedes Lebewesen seinen Platz hat. Sie stellt auch das Unendliche und die Fülle dar.

3   Aus dem ohnehin weiten stilistischen Rahmen fallend:

Schaedler-Collections-499 Bena-Lulua

Schaedler-Collections-499 Lulua

Karl-Ferdinand Schädler publizierte  1973  “African Art in Private German Collections” (Münchner Buchgewerbehaus) samt einer Einführung in väterlichem Ton.  86 afrikanische Völker und “etwa die Hälfte der großen Sammlungen” (Schädler) in Deutschland durften sich glücklich schätzen, dabei zu sein. Die Sammler oft anonym oder mit Initialen, die Stücke mit Angaben zu Material und Größe.

 

4     Cobbs Auction Nov.  2013

 the cobbs.auction 2013-11-02-lot-262profil

the cobbs.auction 2013-11-02-lot-262

the cobbs.auction 2013-11-02-lot-262   (Anklicken!)

Typisch sind die längliche Form (34 cm), das Profil, Bohnenaugen und gespitzte Lippen, die Bohrungen rundum, extravagant der Helmform und die zur ‘venezianischen’ Maske ausgeweitete Augenpartie.

Interessant ist die Mitteilung des Auktionators: Er hat die Maske bereits vor zwanzig Jahren gesehen, damals mit einer dicken roten Farbschicht (Impasto) überzogen. Der Besitzer hat sie zwischenzeitlich professionell reinigen lassen. Dabei ist eine helle ältere Kolorierung zutage getreten, mit geometrischen Mustern und Längsstreifen in Rot, Schwarz und Ocker. – Lassen sich derartige Entdeckungen auch mit Röntgenstrahlen machen?

5      zyama.com

Diese beiden Masken ohne nähere Beschreibung erscheinen mir viel interessanter und älter als meine. Sie lassen vielleicht erahnen, was “Luluwa” früher einmal bedeutet hat? Doch die rechte Helmmaske ist ja ein Modell der Kuba! Trotzdem!

zyama.com:Lulua:B994

zyama.com:Lulua:B994 , etwa 43 cm

zyama.com:lulua:B894

zyama.com:lulua:B894

zyama.com:lulua

zyama.com:lulua

 

 

 

 

 

 

 

Von der Seite  gesehen, kommen an B 894 Gemeinsamkeiten in den Blick: die Zeichen, das Ohr, selbst in der Grundform, in der Augenpartie, in der Lage und Form des Mundes und schließlich in der Lochung. Meine Maske erscheint durchaus traditionsverbunden.

6   iowa.edu   (University of Iowa Museum of Art)

uima:uiowa X1986 510, 24,2cm

uima:uiowa X1986 510, 24,2cm

Luluwa-Maske-africa.uima.uiowa.edu

Luluwa-Maske-africa.uima.uiowa.edu

 

Prof. Christopher D.Roy vergleicht im Begleittext die Maske mit einer in “Umbangu” (Tervuren, 1969:28) und sogar fünf weiteren im Museum Tervuren aus der Sammlung der Compagnie du Kasai. Er identifiziert die schwarz-weißen Narbenmuster auf der natürlichen hellen Grundfarbe des Holzes und die dunklen konkaven Kreise um die Augen. Er betont die geringe Größe, die Delikatesse der Gesichtszüge, besonders die schmale Nase und den gespitzten (everted) Mund und das dünne und leichte Schnitzwerk.

7       Ein weiterer Fund, gleich zweimal: in “Meisterwerke afrikanischer Plastik aus Schweizer Privatbesitz” (1995, no.17 )- mit der Information: ursprünglich aus dem Musée Pères de Scheut, Brüssel –  und in  “Closeup” p.110 no.29  (Farbaufnahme und Erläuterung S.183).

Lulua-Mask_35cm.Closeup-110,29(Erläuterung von Anne D’Alleva p.183 in dt.Übersetzung:)

Die Lulua nutzen Masken während Beschneidungs-Riten; die Namen der Masken und der Text der ihre Auftritte begleitenden Lieder weisen darauf hin, dass sie die Geister der Toten vertreten (Maesen 1960,19). Die weißen und roten konzentrischen Kreise repräsentieren das Hautritzungsmuster tshilege tschilu (Timmermans 1966,20). Torday notierte, dass man  Punkte so in die Haut stach, dass bogenförmige Muster entstanden, die nicht über die Oberfläche ragten. Diesen Effekt bringt die farbige Bemalung der Maske ins Gedächtnis (1913,3)

 

Kurzer Vergleich dieser ‘archaisch’ stilisierten mit der ‘naturalistischen’ Maske

‘Archaischer’ sogar als die Nr.1 oben aus Tervuren, 1911 gesammelt! Schmalere Erscheinung bei gleicher Höhe und kantiger Typ! Verleichbar ist die hohe gewölbte Stirn.

Die Mandelaugen – hier von kleinen bemalten Kugeln überwölbt statt in Bohnenform umrandet – inmitten eines großen konkaven Augengrundes

Die Färbung – weiß und rot auf dunklem Grund und das Muster konzentrischer Kreise

Ein Bart ließe sich auch an meiner anbringen; die Löcher laufen rundum

Der Mund ist größer und naturalistisch, aber immer noch expressiv gestaltet.

VERGLEICHSOBJEKTE (MASKEN) CHOKWE

8    Bei Laure Meyer, Schwarzafrika 1992 no. 88, p.107 stoße ich auf ein beeindruckend schönes Modell der Pwo-Maske, an welchem der Luwuwa-Schnitzer seine Gestaltung orientiert haben könnte. Manuel Jordán setzte sie 1999 sogar auf den Schutzumschlag von Chokwe!

Der Nasen-Mund-Bereich ist so ideal feminin, wie der meiner Maske maskulin ist. (Ich habe von Zoé Strother gelernt!) Die Augenschlitze sind noch länger, aber schmaler, der Mund breiter, aber geschlossener, und er lächelt, die Nasenflügel elegant. Auf der Höhe der Schläfen ist der Maskenkörper ebenso mächtig. Die weiße Fläche, welche die Augen betont, ist sogar kreisrund. Der Kopfschmuck aus geflochtenen Raffia-Kordeln lässt ein ebensolches Gewand vermuten.

Chokwe! Titel.cat.76.jpg_0001

L.Meyer-Pwo Chokwe.cat.88

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Chokwe! Titel.cat.76.jpg_0002Eine weitere, diesmal männliche Chokwe-Maske (Katoya) zeigt Jordán hier in no. 76: Mask representing a foreigner. ‘Foreigner’, Fremder muss keineswegs einen Weißen bezeichnen; hier könnte es ebenso gut einen Luluwa oder eine andere fremde Person darstellen. Die Maske soll aus dem 19.Jh. stammen. Das erschließt Jordán aus Spuren langer Benutzung.

Sie ist nur 10 inch, also 25 cm hoch, aber im Ausdruck und Gestalt mit meiner verwandt.

IMG_5030

 

                                                                     Zur weißen Augenpartie sagt der Text:

“Weiß wird assoziiert mit den Knochen der Ahnen, und wenn weiße Kreide um die Augen herum plaziert wird, verweist es auf die scharfen und durchdringenden Blicke der Ahnen.” (“White is associated with the bones of the ancestors, and when white chalk is placed around the eyes it refers to the sharp and penetrating glances of the ancestors.”) – Diese den  Ahnen zugetraute Fähigkeit machte traditionell Regelübertretungen für ihre Nachkommen so gefährlich – (Link auf die Pende-Wahrsager) – und etwas davon, nahm man an, erwarben auch Zauberer/Wahrsager und Chiefs. Denn davon hing ihre Macht ab.

Beim Fotografieren zeigt sich an der Luluwa-Maske, dass bei entsprechender Beleuchtung der breit umrahmten Augen Wangenknochen stark hervortreten. Sollen sie etwa die Jochbeine eines nackten knöchernen Schädels darstellen? – Bekanntlich verleiht Knochenmaterial von Verstorbenen als Teil von geheimen Zaubermischungen – etwa bei den Yombe oder Songye – Schutzfiguren eine magische Ladung.

Ähnliche Konturierung des Jochbeins zeigt auch eine große Schutzfigur von Luluwa in Masterpieces no.67, die ich unten  im Abschnitt zur Symbolik diskutiere.

Wenn die Vermutung von Petridis stimmt, entstand diese Maske zu der Zeit, als die Chokwe in das Gebiet der Luluwa und Kete eindrangen und als die Besiegten den speziellen Initiationskult der Eroberer übernahmen. Gestalterisch könnten Vorbild sein: die vorspringende Stirn über einer konkav eingezogenen Augen- und Nasenpartie ebenso wie der aggressive Mund – hier mit Zahn und Barthaar. Auch die Befestigungslöcher für ein Raffia-Gewand laufen rundum

ETWAS ZUR SYMBOLIK

Zur Deutung der aufgemalten farbigen Muster habe ich etwas herausgefunden.

EthnoGraphisch, 34,33-TätowierungenAn den Anfang stelle ich eine Abbildung der sympathischen Broschüre des Frobenius-Instituts: Afrika – Ethno Graphisch, 1996, S.34 Abb. 15. Sie zeigt Profilskizzen, die Leo Frobenius 1905-1906 von ‚Schläfentatauierungen der Bena-Lulua’ anfertigte. Interessant sind X 16 und IX 29. Die Maske zeigt Teile der Muster, so das symmetrische Zeichen auf dem Schädel, das mich unwillkürlich an schematische Wiedergaben weiblicher Eierstöcke oder Blütenstände (Abb.) in Biologiebüchern erinnert. (Die Abbildungen sollen meine Assoziation bloß illustrieren.)

leading-medicine-guide.de

leading-medicine-guide.de

uni-goettingen.de:de:morphologie:walnuss-w.blüte

uni-goettingen.de:de:morphologie:walnuss-w.blüte

IMG_5073-Luluwa.StirnBeobachtung: Das Zeichen auf der Stirn wiederholt sich zudem in der Augenpartie der Maske, wenn man nur die weiße Umrahmung mit dem eingezogenen delikaten Nasenrücken als Einheit betrachtet.

IMG_5074-Luluwa-nah

Art and Power in the Central African Savanna (Constantine Petridis, The Cleveland Museum of Art, 2008), widmet den Schutzfiguren der Luluwa das siebte Kapitel (p.117- ) mit dem Titel For Mothers and Chiefs.

Petridis-A&P.80.p.117 Luluwa-mother

Petridis-A&P.80.p.117 Luluwa-mother

Hier suche ich unter den berühmten scarification patterns (Tätowierungen) diese eine und finde sie bei Abb. 80 im Überfluss: auf der Stirn, auf Brustbein und Unterbauch (in beiden Fällen umgedreht) und vor allem auf Genitalhöhe rechts und links neben einem Schamschurz. Sie findet sich ebenso bei der Figur Abb. 92 und womöglich Abb. 95, 1894-96 in Kananga gesammelt.

Petridis zeigt in Masterpieces no. 67….

Masterpieces.Petridis.67. Luluwa-lightning_sender

Masterpieces.Petridis.67. Luluwa-lightning_sender

… eine große (67cm) männliche tätowierte Schutzfigur, die zwischen 1932 und 1942 im Kasai in der Untergruppe Bakwa Ndolo gesammelt wurde. Ich bemerke die scharfe Jochbeinkante und hervorgehobene Nasenflügel, ebenso das kleine sorgfältig modellierte Ohr.

Im Katalog (p.168-69) gibt er folgende Informationen weiter: Die Figur aus dem Besitz eines Häuptlings soll nach Informationen aus erster Hand (Dr. Fourche 1947)  Schutz gegen ‘Blitz’ bieten. Petridis fügt hinzu, dass  wichtige Luluwa- Häuptlinge tradititionell in Begleitung von Mitgliedern der gefürchteten Bruderschaft der ‘Blitzschleuderer’ (lightning senders) auftraten (Peters 1946). Zum Schutz der Interessen und des Eigentums der Gemeinde durften sie Störenfriede töten.

Die Figur trägt das bekannte Symbol – ein Fruchtbarkeitszeichen? – auf die Stirn und die Schläfen tätowiert, neben vielen anderen Zeichen.

An meiner Maske befinden sich rechts und links auf den Wangen  dreieckige Wellenzeichnungen, die sowohl auf Schlangen wie auch Blitze passen. Ein expliziter Bezug zur Macht?

 

Vorläufiges Ergebnis

Wenn man die berühmten tätowierten Schutzfiguren der Luluwa betrachtet,  weiß man auch, dass bei den Luluwa die kunstvollen Narben wulstig sein mussten, um „schön“ zu sein. Diese Wertschätzung teilen sie mit vielen Völkern.

Das bloße Aufmalen dieser Muster ist wahrscheinlich ein modernes Phänomen. Bei Masken ist es billiger herzustellen. Zauberfiguren der späteren Kolonialzeit habe ich noch nicht bewusst angeschaut. Die Malerei ist großzügig und frei auf der Fläche verteilt. Sogar Zähne sind mit einem weißen Strich angedeutet.

Meine Maske bietet ein kräftiges schönes maskulines Gesicht. Seine Details: Augen, Ohren, Nase mit Nasenflügeln und  die Stellung von Unter- und Oberlippe sind in klassischer Klarheit herausgearbeitet. Die Bögen des Maskenkörpers sind perfekt ‚durchmodelliert’.  Die Respekt gebietende Größe des Maskengesichts (34 cm)  scheint durch die Kleinheit der herzförmigen Ohren von der Seite her gesehen bewusst gesteigert.

Nicht nur aus der Entfernung wirkt die Maske auf mich irgendwie ‚naturalistisch’. Vielleicht, weil Details und ‘stiltypische’ Merkmale der Harmonie einer Gesamtkomposition untergeordnet erscheinen.

Ein massiger ungegliederter Unterkiefer umrahmt die vorgestreckten Lippen, die im Begriff sind, etwas zu sagen oder eher einen Laut hervorzustoßen. In diesem vergrößerten Menschengesicht steckt ein ‚Gorilla’!

Ich kann mir den Auftritt einer solchen Maske „bei allen sozialen Anlässen“ gut vorstellen. Als ich den Satz bei Petridis las, dachte ich gleich: Das ist genau ihre Ausstrahlung! Die Wirkung der ganzen Maskengestalt könnte durchaus noch durch Aufbauschungen am Kostüm oder auch Stelzen vergrößert worden sein.

Ihr konservatorisch perfekter Zustand macht mir kein Problem. Ihre letzten Auftritte werden nicht lange zurück liegen. Maskenauftritte gehören längst  zur folkloristisch inszenierten Identität. Das Blau ist stark verblasst, das Weiß gebräunt und abgesprungen, das Rot noch am kräftigsten. Der rauhe Untergrund besteht aus mehreren Lagen von matt glänzendem Braunschwarz, das mit der Zeit in die bunten Pigmente eingedrungen ist, aber selber mit jeder Reinigung Pigmente aufnahm: Aus Tiefschwarz wurde dunkelbraun. Die Maske riecht harzig. Das Innere ist ganz dunkel. Im Bereich von Nase und Stirn des Trägers glänzt die Oberfläche leicht. Die Wände sind solide, nicht plump; die Spuren der Hacke im Innern zeigen verschiedene Techniken, gute Glättung. Ich finde keine Holzfehler, auf einer Seite neun ganz kleine Schädlingslöcher auf etwa sechs mal zwölf Zentimeter Fläche.

Donnerstag, den 15. Dezember 2017 (Aktualisiert 18. Mai 2020)

 

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 TRANSLATION

….      SOME REMARK ON THE SYMBOLISM

For the interpretation of the painted colored pattern I found out something.
To begin with, I present a picture of the brochure of the Frobenius Institute: Afrika – Ethno Graphisch, 1996, p.34 Fig. 15. It shows sketches of profiles made by Leo Frobenius in 1905-1906 from ‘Temple tattoos of the Bena-Lulua’. Interesting are X 16 and IX 29. The mask shows parts of the pattern, so the symmetrical sign on the skull, which reminds me involuntarily of schematic reproductions of female ovaries or inflorescences (Fig.: leading-medicine-guide.de) in biology books. (The pictures are meant to illustrate my association.)(Fig.: uni-goettingen.de:de:morphologie:walnuss-w.blüte)
Observation: The symbol on the forehead is also repeated in the ‘eye’ area of the mask, if one considers only the white frame with the retracted delicate bridge of the nose as a unit.

Art and Power in the Central African Savanna (Constantine Petridis, The Cleveland Museum of Art, 2008) dedicates the seventh chapter (p.117) titled For Mothers and Chiefs to the guard figures of the Luluwa.
Petridis-A & P. no.80,p.117 Luluwa-mother
Here I am looking among the famous scarification patterns (tattoos) for ‘the one’ and find it in abundance in Fig. 80: on the forehead, sternum and lower abdomen (in both cases turned around) and especially on genital height right and left of a pubic. It is also found in the figure Fig. 92 and possibly in Fig. 95, 1894-96 in Kananga.
Petridis shows in Masterpieces no. 67 a Lulua-lightning_sender
… a large (67cm) male tattooed guard figure collected between 1932 and 1942 in the Kasai subgroup Bakwa Ndolo. I notice the sharp cheekbone edge and prominent nostrils, as well as the small carefully modeled ear.
In the catalog (p.168-69) Petridis gives the following information: The figure from the possession of a chief is to provide protection against ‘lightning’ according to first-hand information (Dr. Fourche 1947). Petridis adds that important Luluwa chiefs traditionally performed in the company of members of the dreaded brotherhood of lightning senders (Peters 1946). To protect the interests and property of the community they were allowed to kill troublemakers.
The figure carries the familiar symbol – a fertility symbol? – tattooed on the forehead and temples, among many other signs.
On my mask are right and left on the cheeks triangular wave drawings that would fit for both: snakes and lightning. Is it an explicit reference to power?

PROVISIONAL RESULTS

The famous tattooed protector of the Luluwa shows that artful “beautiful” scars had to be bulging. They share this appreciation with many peoples. The mere painting of these patterns is probably a modern phenomenon, it is cheaper to produce. I still have not examined magical figures of the late colonial period.

The painting is generous and freely distributed on the surface of the mask. Even teeth are indicated with a white line. My mask offers a strong beautiful masculine face. Its details: eyes, ears, nose with nostrils, the position of lower and upper lip are worked out in classical clarity. The forms of the mask body are perfectly ‘modeled’. The respectful size of the mask’s face (34 cm) seems to be enhanced by the smallness of the heart-shaped ears seen from the side.
does The mask looks somehow ‘naturalistic’ to me, not only from some distance. Perhaps because details and ‘stylistic’ characteristics of harmony appear subordinate to an overall composition.
A massive lower jaw frames the protruding lips, which are about to say something or rather make a sound. In this enlarged human face is hidden a ‘gorilla’!
I can well imagine the appearance of such a mask “on all social occasions”. When I read this in Petridis, I immediately thought: That is exactly her charisma! The effect of the whole mask form could well have been increased by the costume or even by stilts.
Its conservationally perfect condition is no problem for me. The last performances should have happened long ago. Mask performances have since long become a folkloric identity.

The faded blue, the tanned and cracked white, the red still strong. The rough surface consists of several layers of matt glossy black, which permeated the other pigments over time, but itself absorbed pigments with each cleaning: Deep black turned dark brown. The mask smells resin. The interior is very dark but near nose and forehead of the dancer the surface shines a little. The walls are solid; the traces of the hoe inside, good smoothing, no faulty wood, some very small worm holes on surface.

Thursday, December 15, 2017

 

 

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