Unsere Vorstellung von einem Land wird in heutiger Zeit von Bildern geprĂ€gt. Ihr Fehlen wird als bedeutender Mangel empfunden. Sozialwissenschaften im weitesten Sinne unterstĂŒtzen das Verlangen mit einem starken Argument: Bilder sind Informationen. Die Wende zum 20. Jahrhundert war zumal in Krisengebieten nicht sehr bilderfreudig. Ich suche in alle Richtungen.
Missionare sind mir dabei so willkommen wie BĂŒrokraten, Hofberichterstatter, Eisenbahnfreaks und zwielichtige Wirtschaftsunternehmen. Verzeihung, welche sind nicht immer ‚mal in Versuchung, auch wenn sie poetisch ForminiĂšre heiĂen? Diese staatliche belgische Dachgesellschaft feierte 1946 ihr vierzigjĂ€hriges JubilĂ€um unter anderem mit einem bebilderten Buch Le Diamant au Congo Belge, von dem www.mbujimayi-miba.be sechsunddreiĂig Illustrationen ins Netz stellt, auch ĂŒber den Bereich der S.C.A.M., der ‚SociĂ©tĂ© de Colonisation Agricole au Mayumbe‚, zum Beispiel den weiten Blick ĂŒber eine Ălpalmenplantage am Lubuzi, wie sie im Panorama du Congo â ĂditĂ© par le Touring Club de Belgique, Bruxelles (o.J., um 1912) auf der Karte markiert ist.
Man beachte die in der Ferne verschwindenen WaldrĂ€nder, welche dem Fotografen damals nicht so wichtig waren. Im Ăbrigen speist sich unserer klimafreundlicher ‚Biosprit‘ aus der Expansion von Ălpalmenplantagen in SĂŒdasien (wdr,13.7.2016: „Wir tanken Regenwald“). Wie bequem, dass die FAO dem einheimischen Wanderfeldbau auch eine Mitschuld an Waldverlust und Erosion geben kann!
Die Gegend wird als gebirgig beschrieben. Ein belgischer Autor vergleicht sie mit ‚den Ardennen‘ – nicht hoch, aber zerklĂŒftet. Die FlĂŒsse sind weder imposant, noch schiffbar.

Skynetblog 1967 /Der Shiloango bildet zugleich die nordwestliche Grenze des Mayumbe-Berglands und der RDC.
Hubert Droogmans : Notices sur le Bas-Congo, Bruxelles 1901
Bereits im Januar 2016 kĂ€mmte ich auf der Suche nach einer ‚Provenienz‘ das Netz durch, nach Karten, auf denen ich Ortschaften im Mayombe Bergland zu identifizieren hoffte. Dabei stieĂ ich auf Berichte von Erkundungen, die MilitĂ€rs wie etwa der Sergeant Cabra durchgefĂŒhrt hatte. Ein Hubert Droogmans aus dem Finanzdepartement des Kongo Freistaats hatte sie 1901 kompiliert. Ohne das entsprechende Kartenmaterial stehen sie im Netz. Auf der Karte des Touring Clubs um 1912 stehen zumindest einige Namen: Ich entscheide mich fĂŒr den Bericht auf den Seiten 57 bis 59 ĂŒber zwei typische Streckenabschnitte zwischen dem Lubuzi im SĂŒden und dem Shiloango im Norden:

Touring Club Karte_um 1912: BOMA-VONDE, SHIMBANZA UND DYEMA bilden in der Mitte des Kartenausschnitts ein ungleichseitiges Dreieck, das eine groĂe fĂŒr Plantagen reservierte FlĂ€che enthĂ€lt.
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Region zwischen Boma-Vonde und Shimbanza â das Shiloango und Lubuzi trennende Plateau.
â Wir klettern, berichtet Capitaine Cabra, die tonigen HĂ€nge am rechten Lubuzi-Ufer hinauf, die von dichten WĂ€ldern bedeckt sind, um nach zweihundert Metern Höhengewinn das bucklige Plateau zu erreichen, auf dem die Dörfer Kwimba liegen.
Frage: Warum geht die Kompilation auf diese nicht nÀher ein und macht stattdessen eine Auslassung?
â… Es wĂ€re gefĂ€hrlich, Lage und Namen der meisten Dörfer als unverĂ€nderlich festzuhalten. Sie bestehen generell aus unbedeutenden Weilern, die ĂŒber die natĂŒrlichen oder gerodeten Waldlichtungen verstreut sind; sie lassen sich ebenso einfach versetzen wie aufbauen, und selten sind sie Ă€lter als drei oder vier Regenzeiten. Jeder Weiler trĂ€gt als Eigennamen den Namen des aktuellen Chefs sowie den allen Dörfern der Region gemeinsamen Namen…. Der geringen StabilitĂ€t der Bauten verdankt man die EnttĂ€uschungen, wenn man im Vertrauen auf eine frĂŒhere Wegbeschreibung ein Dorf erwartet und nichts mehr davon findet.
Der capitaine nennt zwei Aspekte, die heute noch gelten: den ökonomischen Wanderfeldbau einerseits und die Organisation in chefferies. Ein dritter mĂŒsste ihm sehr vertraut sein: die Reaktion der Bewohner des Mayumbe auf die militĂ€rische Eroberung und Repression. GröĂere Dörfer auf gut sichtbaren HöhenzĂŒgen wurden nach 1880 aufgegeben zugunsten versteckter Lichtungen.
âWeiter nördlich auf dem Plateau begegnen wir dem, was unser FĂŒhrer âden groĂen Wald von Buendaâ nennt und queren den Lobolo, einen – sieben Metern Breite an der Furt – nicht unbedeutenden Zufluss des Shiloango. Die Strömung ist langsam und die Farbe des Wassers gelblich. (3.Januar).
âVom Dorf Buenda bis zum Shiloango wandern wir stĂ€ndig unter Baumkronen.
âZu erwĂ€hnen sind noch ein paar Spalten im GelĂ€nde (wie die des Sturzbachs Kamba), das um die 240 Meter hoch liegt und mit WĂ€ldern und Savannen bedeckt ist.
âWenn man den Wald verlĂ€sst, lassen einen von Zeit zu Zeit Durchblicke im Osten und Westen ein zerklĂŒftetes Terrain erkennen, das an den Nordwesten des belgischen Luxemburg (Ardennen) erinnert.
âAm Lobolo beginnt die wahre Waldregion und sĂŒdlich von Buenda macht das GelĂ€nde den weg schwierig und gewunden. Die maximalen Höhen nehmen bis zum letzten Höhenzug am fluss stetig ab.
âUnserem FĂŒhrer zufolge ergieĂen sich bis zum Bergbach Kamba alle GewĂ€sser in den Lubuzi. Ich konnte die Behauptung nicht ĂŒberprĂŒfen, aber nehme eher an, dass man sich nördlich von Kwimba im Bassin des Shiloango befindet.
âDas an der OberflĂ€che der BerghĂ€nge tonige Terrain wird auf den Kuppen und in den TĂ€lern sandiger. Ab dem Lobolo dominiert der Ton.
âAuf den von Savannen bedeckten Teilen begegnen wir eisenhaltigen âNierenâ, die wie Schlacken aussehen, sowie den micacĂ©-Steinen, gerundeten Kieseln und vor allem Splittern von milchigem Quarz und einigen prismatischen Kristallen von glĂ€sernem Quarz.
âDie WĂ€lder von hochstĂ€mmigen BĂ€umen ĂŒber einem mageren Dickicht bieten nichts Besonderes. Die meisten Baumarten scheinen mir nicht nutzbar zu sein; ihr Holz ist zu weich. Wir begegnen aber auch tolas, BĂ€ume, woraus die Eingeborenen ihre Pirogen in einem StĂŒck hauen, und die bubus, BĂ€ume mit enormen StĂ€mmen (mit drei und sogar vier Metern Durchmesser, doch deren HauptĂ€ste dicht ĂŒber dem Boden entspringen. Der wahre König des Waldes ist der moabi, aber leider sehr selten. Man begegnet auch einer Art Nussbaum, dessen FrĂŒchte essbar sind.
âWir werden die Anwesenheit von Kautschukbaum, panza und kolayer im Wald von Buenda melden.
- Die Region zwischen Shimbanza und Dyema.
â(…)
âDer Pfad klettert oder steigt ab an einer Reihe von teils steilen HĂ€ngen. Ab Mangwala bietet der Weg einen Anblick, der deutlich anzeigt, dass es sich um eine stark frequentierte Strecke handelt, die dem Abfluss der regionalen Produkte in Richtung der Faktoreien des (Shi)Loango dient.
âDer lehmige Boden an den Flanken der TĂ€ler, sandiger in den TalgrĂŒnden (zumindest an der OberflĂ€che), manchmal mit Geröllfeldern bedeckt, ist mit Wald und Savanne bewachsen.
Einige hoch gelegene Partien sind sumpfig und erinnern an unsere Fagnes /Hochplateaus in den Ardennen, Gv/. Die BaumbestĂ€nde sind weniger schön als die des Waldes von Buenda und prĂ€sentieren wenige gut gewachsene BĂ€ume von gutem Holz. Man trifft auf ein paar Kautschuk-Lianen, auf Ă©lais, kolayers, safos, panzas. (Cabra)â
- (….)
              Der Bericht des capitaine Cabra legt ein paar Schlussfolgerungen nah.
Er macht plausibel, warum das Gebiet nach 1891 fĂŒr Privatunternehmen offen blieb. Cabra fand keine KautschukbĂ€ume in nennenswerter Zahl. Das Relief erklĂ€rt auch, dass man spĂ€ter von PlĂ€nen Abstand nahm, die Schmalspurbahn von Boma ĂŒber Tshela am Lubuzi hinaus zu verlĂ€ngern.
Man kann vermuten, dass die Einwohner das Plateau nahe der nördlichen Handelsroute bereits fĂŒr die Exportproduktion (Faktoreien) herabgewirtschaftet hatten (primitiver Brandrodungsfeldbau), zumal die von den Belgiern um …. festgestellte Bevölkerungsdichte gerade hier die höchste war. Die geringe QualitĂ€t der WĂ€lder bedeutete: SekundĂ€rwald. (Vgl.Kwango-Artikel)
Die auf der Karte von 1912 ĂŒber weiten Teilen des Plateaus ausgewiesenen FlĂ€chen fĂŒr Plantagen (Ălpalmen) bezogen sich also auf ein geringes Naturpotential bei gutem Angebot an ArbeitskrĂ€ften (âParadies mit kleinen MĂ€ngelnâ).
Der Autor Alphonse Cabra
Alphonse_Cabra (1862-1932) erhĂ€lt als MilitĂ€r 1896 AuftrĂ€ge in der Provinz Boma, von Juli 1896 bis Sept. 1897 den der geodĂ€tischen Vermessung des Mayombe. Er nutzt ihn zu ausgedehnten landeskundlichen Studien, mit Akzent auf dem Potential zur Kolonisierung, wĂŒrde damit liebend gern in der ganzen Kolonie fortfahren, doch wird er kĂŒnftig bei der Festlegung der AuĂengrenzen des Kongostaats eingesetzt. Soweit aus dem Beitrag in fr.wikipedia.com, wo der Kongostaat auffĂ€llig viele nostalgische Fans zu haben scheint.
Seine Papiere wurden in Tervuren archiviert. Seit 1977 existiert ein 167seitiges kommentiertes Inventar auf Französisch , welches das Museum als PDF ins Netz gestellt hat: INVENTAIRE PAPIERS ALPHONSE CABRA LIEUTENANT GĂNĂRAL (1862-1932) par C. LIBEN KONINKLIJK MUSEUM VOOR MIDDEN-AFRIKA – TERVUREN, BELGIĂ INVENTARIS VAN HET HISTORISCH ARCHIEF – nr 7, 1977 – Link: http://www.africamuseum.be/docs/collections/archives/Cabra.pdf
Anfangs sah ich in buchhalterischer Erfassung der ReichtĂŒmer Stolz und Freude des neuen EigentĂŒmers am Werk, das könnte sogar fĂŒr Alfonse Cabra gelten, wenn er nicht bloĂ sehr ehrgeizig war. FĂŒr das Finanzministerium (Droogmans) war das wohl eher eine Musterung der Beute. Die hier lebenden Menschen kommen in den Texten nicht als die rechtmĂ€Ăigen EigentĂŒmer in den Blick, nur als Informanten oder indirekt ĂŒber Wegspuren, Dörfer und Anpflanzungen. Die Zusammenstellung ist schlieĂlich nach den Aspekten ‚GewĂ€sser‘, ‚Relief und Boden‘ oder ‚Entfernungen in FuĂmĂ€rschen‘ organisiert. Vor das blutige Theater der Eroberung und Repression, das 1901 gerade in die Phase der tödlichen Epidemien ĂŒberging, hat man natĂŒrlich einen Rauchvorhang gezogen, so wie spĂ€ter, etwa im Werbetext des „Panorama du Congo. Der Verfasser des Inventars der Papiere Cabras im Museum Tervuren legt auch groĂen Wert darauf, dass der Vertreter der neuen Herren in den Dörfern persönliches Vertrauen genoss. Apropos Dörfer, noch ein paar Bilder:
Dies ist die ausnahmsweise gute Aufnahme eines Hauses (Bittremieux in De geheime Sekte der Bakhimba’s 1911) im Bergland, auf dem gut nachzuvollziehen ist, dass DĂ€cher in einem StĂŒck hergestellt und leicht zu montieren und demontieren waren.










