Das Gelände im Mayumbe (1900-68)

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Unsere Vorstellung von einem Land wird in heutiger Zeit von Bildern geprägt. Ihr Fehlen wird als bedeutender Mangel empfunden. Sozialwissenschaften im weitesten Sinne unterstützen das Verlangen mit einem starken Argument: Bilder sind Informationen. Die Wende zum 20. Jahrhundert war zumal in Krisengebieten nicht sehr bilderfreudig. Ich suche in alle Richtungen.
Missionare sind mir dabei so willkommen wie Bürokraten, Hofberichterstatter, Eisenbahnfreaks und zwielichtige Wirtschaftsunternehmen. Verzeihung, welche sind nicht immer ‘mal in Versuchung, auch wenn sie poetisch Forminière heißen? Diese staatliche belgische Dachgesellschaft feierte 1946 ihr vierzigjähriges Jubiläum unter anderem mit einem bebilderten Buch Le Diamant au Congo Belge, von dem  www.mbujimayi-miba.be  sechsunddreißig Illustrationen ins Netz stellt, auch über den Bereich der S.C.A.M., der ‘Société de Colonisation Agricole au Mayumbe‘, zum Beispiel den weiten Blick über eine Ölpalmenplantage am Lubuzi, wie sie im Panorama du Congo – Édité par le Touring Club de Belgique, Bruxelles (o.J., um 1912) auf der Karte markiert ist.

Palmeraie Lubuzi mbuji-mayi-miba.be

Palmeraie Lubuzi mbuji-mayi-miba.be (undatiert)

palmier à l'huile:http-:dmcarc.com:114-cartes-postales-du-congo-offertes-a-la-bnf-par-la-mission-catholique-de-brazzaville-en-1907-bon:67Man beachte die in der Ferne verschwindenen Waldränder, welche dem Fotografen damals nicht so wichtig waren. Im Übrigen speist sich unserer klimafreundlicher ‘Biosprit’ aus der Expansion von Ölpalmenplantagen in Südasien (wdr,13.7.2016: “Wir tanken Regenwald”). Wie bequem, dass die FAO dem einheimischen Wanderfeldbau auch eine Mitschuld an Waldverlust und Erosion geben kann!

http-:kangu.skynetblogs.be:archives:tag:congo:index-4.htm

http-:kangu.skynetblogs.be:archives:tag:congo:index-4.htm

 

 

 

 

 

Die Gegend wird als gebirgig beschrieben. Ein belgischer Autor vergleicht sie mit ‘den Ardennen’ – nicht hoch, aber zerklüftet. Die Flüsse sind weder imposant, noch schiffbar.

Mayumbe chemin de fer km 95,2 - prise du sentier du terre 1930

Mayumbe chemin de fer km 95,2 – prise du sentier du terre 1930

Lubuzi Skynetblog 1967 Kuimba

Lubuzi Stromschnellen Boma-Vonde

Lubuzi Stromschnellen Boma-Vonde

Skynetblog 1967 /Der Shiloango bildet zugleich die nordwestliche Grenze des Mayumbe-Berglands und der RDC.

Skynetblog 1967 /Der Shiloango bildet zugleich die nordwestliche Grenze des Mayumbe-Berglands und der RDC.

Hubert Droogmans : Notices sur le Bas-Congo, Bruxelles 1901

Bereits im Januar 2016 kämmte ich auf der Suche nach einer ‘Provenienz’ das Netz durch, nach Karten, auf denen ich Ortschaften im Mayombe Bergland zu identifizieren hoffte. Dabei stieß ich  auf Berichte von Erkundungen, die Militärs wie etwa der Sergeant Cabra durchgeführt hatte. Ein Hubert Droogmans aus dem Finanzdepartement des Kongo Freistaats hatte sie 1901 kompiliert. Ohne das entsprechende Kartenmaterial stehen sie im Netz. Auf der Karte des Touring Clubs um 1912 stehen zumindest einige Namen: Ich entscheide mich für den Bericht auf den Seiten 57 bis 59 über zwei typische Streckenabschnitte zwischen dem Lubuzi im Süden und dem Shiloango im Norden:

Touring Club Karte_Ausschnitt: nördlich und südlich des Lubuzi

Touring Club Karte_um 1912: BOMA-VONDE, SHIMBANZA UND DYEMA bilden in der Mitte des Kartenausschnitts ein ungleichseitiges Dreieck, das eine große für Plantagen reservierte Fläche enthält.

 

Droogmans 1901 - Lubuzi p.57

Droogmans 1901 – Lubuzi p.57

  1. Region zwischen Boma-Vonde und Shimbanza – das Shiloango und Lubuzi trennende Plateau.

„ Wir klettern, berichtet Capitaine Cabra, die tonigen Hänge am rechten Lubuzi-Ufer hinauf, die von dichten Wäldern bedeckt sind, um nach zweihundert Metern Höhengewinn das bucklige Plateau zu erreichen, auf dem die Dörfer Kwimba liegen.

Frage: Warum geht die Kompilation auf diese nicht näher ein und macht stattdessen eine Auslassung?

„… Es wäre gefährlich, Lage und Namen der meisten Dörfer als unveränderlich festzuhalten. Sie bestehen generell aus unbedeutenden Weilern, die über die natürlichen oder gerodeten Waldlichtungen verstreut sind; sie lassen sich ebenso einfach versetzen wie aufbauen, und selten sind sie älter als drei oder vier Regenzeiten. Jeder Weiler trägt als Eigennamen den Namen des aktuellen Chefs sowie den allen Dörfern der Region gemeinsamen Namen…. Der geringen Stabilität der Bauten verdankt man die Enttäuschungen, wenn man im Vertrauen auf eine frühere Wegbeschreibung ein Dorf erwartet und nichts mehr davon findet.

Der capitaine nennt zwei Aspekte, die heute noch gelten: den ökonomischen Wanderfeldbau einerseits und die Organisation in chefferies. Ein dritter müsste ihm sehr vertraut sein: die Reaktion der Bewohner des Mayumbe auf die militärische Eroberung und Repression. Größere Dörfer auf gut sichtbaren Höhenzügen wurden nach 1880 aufgegeben zugunsten versteckter Lichtungen.

„Weiter nördlich auf dem Plateau begegnen wir dem, was unser Führer ‚den großen Wald von Buenda’ nennt und queren den Lobolo, einen – sieben Metern Breite an der Furt – nicht unbedeutenden Zufluss des Shiloango. Die Strömung ist langsam und die Farbe des Wassers gelblich. (3.Januar).

„Vom Dorf Buenda bis zum Shiloango wandern wir ständig unter Baumkronen.

„Zu erwähnen sind noch ein paar Spalten im Gelände (wie die des Sturzbachs Kamba), das um die 240 Meter hoch liegt und mit Wäldern und Savannen bedeckt ist.

 

Droogmans 1901 Lubuzi p.58

Droogmans 1901 Lubuzi p.58

Wenn man den Wald verlässt, lassen einen von Zeit zu Zeit Durchblicke im Osten und Westen ein zerklüftetes Terrain erkennen, das an den Nordwesten des belgischen Luxemburg (Ardennen) erinnert.

„Am Lobolo beginnt die wahre Waldregion und südlich von Buenda macht das Gelände den weg schwierig und gewunden. Die maximalen Höhen nehmen bis zum letzten Höhenzug am fluss stetig ab.

„Unserem Führer zufolge ergießen sich bis zum Bergbach Kamba alle Gewässer in den Lubuzi. Ich konnte die Behauptung nicht überprüfen, aber nehme eher an, dass man sich nördlich von Kwimba im Bassin des Shiloango befindet.

„Das an der Oberfläche der Berghänge tonige Terrain wird auf den Kuppen und in den Tälern sandiger. Ab dem Lobolo dominiert der Ton.

„Auf den von Savannen bedeckten Teilen begegnen wir eisenhaltigen ‚Nieren’, die wie Schlacken aussehen, sowie den micacé-Steinen, gerundeten Kieseln und vor allem Splittern von milchigem Quarz und einigen prismatischen Kristallen von gläsernem Quarz.

„Die Wälder von hochstämmigen Bäumen über einem mageren Dickicht bieten nichts Besonderes. Die meisten Baumarten scheinen mir nicht nutzbar zu sein; ihr Holz ist zu weich. Wir begegnen aber auch tolas, Bäume, woraus die Eingeborenen ihre Pirogen in einem Stück hauen, und die bubus, Bäume mit enormen Stämmen (mit drei und sogar vier Metern Durchmesser, doch deren Hauptäste dicht über dem Boden entspringen. Der wahre König des Waldes ist der moabi, aber leider sehr selten. Man begegnet auch einer Art Nussbaum, dessen Früchte essbar sind.

„Wir werden die Anwesenheit von Kautschukbaum, panza und kolayer im Wald von Buenda melden.

Droogmans 1901 Lubuzi p.59

Droogmans 1901 Lubuzi p.59  – Nur der zweite Abschnitt wird übersetzt.

  1. Die Region zwischen Shimbanza und Dyema.

„(…)

„Der Pfad klettert oder steigt ab an einer Reihe von teils steilen Hängen. Ab Mangwala bietet der Weg einen Anblick, der deutlich anzeigt, dass es sich um eine stark frequentierte Strecke handelt, die dem Abfluss der regionalen Produkte in Richtung der Faktoreien des (Shi)Loango dient.

„Der lehmige Boden an den Flanken der Täler, sandiger in den Talgründen (zumindest an der Oberfläche), manchmal mit Geröllfeldern bedeckt, ist mit Wald und Savanne bewachsen.

Einige hoch gelegene Partien sind sumpfig und erinnern an unsere Fagnes /Hochplateaus in den Ardennen, Gv/. Die Baumbestände sind weniger schön als die des Waldes von Buenda und präsentieren wenige gut gewachsene Bäume von gutem Holz. Man trifft auf ein paar Kautschuk-Lianen, auf élais, kolayers, safos, panzas. (Cabra)“

  1. (….)

               Der Bericht des capitaine Cabra legt ein paar Schlussfolgerungen nah.

Er macht plausibel, warum das Gebiet nach 1891 für Privatunternehmen offen blieb. Cabra fand keine Kautschukbäume in nennenswerter Zahl. Das Relief erklärt auch, dass man später von Plänen Abstand nahm, die Schmalspurbahn von Boma über Tshela am Lubuzi hinaus zu verlängern.

Man kann vermuten, dass die Einwohner das Plateau nahe der nördlichen Handelsroute bereits für die Exportproduktion (Faktoreien) herabgewirtschaftet hatten (primitiver Brandrodungsfeldbau), zumal die von den Belgiern um …. festgestellte Bevölkerungsdichte gerade hier die höchste war. Die geringe Qualität der Wälder bedeutete: Sekundärwald. (Vgl.Kwango-Artikel)

Die auf der Karte von 1912 über weiten Teilen des Plateaus ausgewiesenen Flächen für Plantagen (Ölpalmen) bezogen sich also auf ein geringes Naturpotential bei gutem Angebot an Arbeitskräften („Paradies mit kleinen Mängeln“).

Der Autor Alphonse Cabra

Alphonse_Cabra (1862-1932) erhält als Militär 1896 Aufträge in der Provinz Boma, von Juli 1896 bis Sept. 1897 den der geodätischen Vermessung des Mayombe. Er nutzt ihn zu ausgedehnten landeskundlichen Studien, mit Akzent auf dem Potential zur Kolonisierung, würde damit liebend gern in der ganzen Kolonie fortfahren, doch wird er künftig bei der Festlegung der Außengrenzen des Kongostaats eingesetzt. Soweit aus dem Beitrag in fr.wikipedia.com, wo der Kongostaat auffällig viele nostalgische Fans zu haben scheint.

Seine Papiere wurden in Tervuren archiviert. Seit 1977 existiert ein 167seitiges kommentiertes Inventar auf Französisch , welches das Museum als PDF ins Netz gestellt hat: INVENTAIRE PAPIERS ALPHONSE CABRA LIEUTENANT GÉNÉRAL (1862-1932) par C. LIBEN KONINKLIJK MUSEUM VOOR MIDDEN-AFRIKA – TERVUREN, BELGIË INVENTARIS VAN HET HISTORISCH ARCHIEF – nr 7, 1977 –  Link: http://www.africamuseum.be/docs/collections/archives/Cabra.pdf

Anfangs sah ich in buchhalterischer Erfassung der Reichtümer Stolz und Freude des neuen Eigentümers am Werk, das könnte sogar für Alfonse Cabra gelten, wenn er nicht bloß sehr ehrgeizig war. Für das Finanzministerium (Droogmans) war das wohl eher eine Musterung der Beute. Die hier lebenden Menschen kommen in den Texten nicht als die rechtmäßigen Eigentümer in den Blick,  nur als Informanten oder indirekt über Wegspuren, Dörfer und Anpflanzungen. Die Zusammenstellung ist schließlich nach den Aspekten ‘Gewässer’, ‘Relief und Boden’  oder ‘Entfernungen in Fußmärschen’ organisiert. Vor das blutige Theater der Eroberung und Repression, das 1901 gerade in die Phase der tödlichen Epidemien überging, hat man natürlich einen Rauchvorhang  gezogen, so wie später, etwa im Werbetext des “Panorama du Congo. Der Verfasser des Inventars der Papiere Cabras im Museum Tervuren legt auch großen Wert darauf, dass der Vertreter der neuen Herren in den Dörfern persönliches Vertrauen genoss. Apropos Dörfer, noch ein paar Bilder:

Dorf im Mayombe-Bergland

Dorf im Mayombe-Bergland

 

 

 

Bittremieux Hütte IMG_2825

 

 

 

 

Dies ist die ausnahmsweise gute Aufnahme eines Hauses (Bittremieux in De geheime Sekte der Bakhimba’s 1911) im Bergland, auf dem gut nachzuvollziehen ist, dass Dächer in einem Stück hergestellt und leicht zu montieren und demontieren waren.

matadi Hütte Foto