Deutsches Filmmuseum Frankfurt/Main, Vernissage 20. Januar 2009 von ‘H.R.Giger. Kunst-Design-Film’
Wer hat eigentlich Blade Runner ausgestattet, wenn Giger doch bloß Wurm und Drachen in Alien oder Dune kreierte?
Ein stummes Fan-Publikum vor den Fetischen des Kinos. Einmal kam Lachen aus dem Kino hoch, von dort, wo der Geist versammelt war – ausverkauft. Auf meinen Schnappschüssen sehe ich oft Nachdenklichkeit in den Gesichtern. Wenn alle diese Gedanken und Empfindungen miteinander in Kontakt treten würden! Ich habe im Grunde Angst vor einer Hinnahme des Grauens und bin zugleich neidisch auf dessen Attraktivität.
Aus Lautsprechern sabberte der Schweizer Zungenschlag, der kalte Eros der Deutschschweiz. Hätte ich auf den alten Panico warten sollen? Er schien gut drauf, Paolo Conte ist wohl sein Vorbild. Ich war aber nicht gut drauf. Dabei liefen junge Frauen herum – etwa eine Japanerin, deren Outfit und Haltung blendend zu Gigers Geschöpfen passte, so wie The Beauty zum Beast passt. Ich hätte sie ausfragen sollen. Anfangs konnte ich ja Kontakt zu jungen Leuten knüpfen, doch der blieb höfliche Fassade.
Giger, die arme Sau! Ich wollte ihn nachher gar nicht mehr sehen. Gehört sicher in die Fetisch-Szene von Chur oder der ganzen Welt. Dicke Unterlippe, Milchgesicht, nicht nur in seiner Jugend, ein Gnom, der für Regisseure gearbeitet hat, und mit guten Gründen auch dabei blieb, trotz der Aufforderung eines befreundeten Redakteurs, zum Kino überzugehen. Das wäre kein Julian Schnabel geworden.
Ist mir zu wenig Erotik dabei? Sicher, Thanatos hält die Herrschaft! Wenn glotzende Augen, Wonderbra und Westentaille dagegen antreten wie eins der jüngsten Geschöpfe? Nicht einmal neu! Nicht einmal in der Mangawelt akzeptabel. Und da sind wir schon in der Nähe von Gunther von Hagens Plastinaten: Dem gelingt es aber, aus organischem Material ohne phantastische Hinzufügungen extraterrestre Monster zu schaffen.
Warum sollen die angeblich perfekten Wesen aus dem All eigentlich feindselig sein, als seien sie von Menschen geschaffen, und ästhetisch defizitär sein, als wären sie auf einem interstellaren Schrottplatz entstanden?
Da schätze ich Stanislaw Lem, der die tödliche Gefahr zwar nicht leugnet, die in der Begegnung unserer Cowboys mit überlegenen Wesen lauern würde, doch die Anderen deswegen noch nicht eklig sein lässt. Giger kalkuliert vielleicht, dass Ekel uns aus unserer Mitte bringt, uns die Fassung verlieren lässt, uns überwältigt?
Gestern sah ich das gestylte Loch in der neuen Zeil-Galerie noch positiv als Einbruch des Organischen in die Architektur, als Überraschung in der Fassade des Konsumtempels. Doch ist es nicht der Einbruch des Chaos?
Links: http.//giger.deutsches-filmmuseum.de + http.//www.hrgigermuseum.com
Fotos: v. Graeve