MANGAAKA-Entweihung als Sabotage – Museum TERVUREN als Purgatorium?

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ENTWEIHUNG ALS SABOTAGE SEITENS DER BAKONGO

„KONGO ENTWEIHUNG“ pp.264-65  – Schluss des „Mangaaka“- Kapitels von Alisa Lagamma, mit Beiträgen von Ellen G. Howe und Adriana Rizzo – in “Kongo – Power and Majesty”, Metropolitan Museum of Art, New York 2015   ÜBERSETZUNG DvG

Bedeutende Autoritäten der Kongo-Religion haben unterstrichen, dass der physische Behälter für minkisi nebensächlich für seine Wirksamkeit ist und dass die vom nganga zusammengestellte ermächtigende Materie die gleiche Kraft hat, egal wie sie visuell präsentiert wird. Im Falle einer Kreation von der Statur des Mangaaka, war jedoch die Erscheinung eindeutig kein nachträglicher Einfall. Seine Skulptur-Komponente war eine fesselnde Dimension des Ganzen, in der mit Macht versehenes Material in sorgfältig abgedichtete Fächer integriert wurden. Die Berichte, die uns überliefert sind, machen es deutlich dass das Spektakel rund um die öffentlichen Auftritte von Mangaaka darauf abzielte, denjenigen, die sich in der Gegenwart der Figur versammelt hatten, die Folgen antisozialer Handlungen vor Augen zu führen. Mangaakas Wirkung, obschon kurzlebig, eindeutig abgeleitet war von seiner visuellen Wirkung, die es ihm ermöglichte, seinen Sponsoren und deren ‚Wählern’ (constituents) überzeugend das Vertrauen in seine Unbesiegbarkeit zu vermitteln.

Museum Tervuren 2022     Diverse Tropenhelme der Kolonialzeit c DvG

Angesichts eines dreisten Ansturms auf lokale Ressourcen durch unwillkommene europäische Eindringlinge wählten lokale Führer Mangaaka als Gegenangriff. Eine Zeit lang war es ein voller Erfolg. In den Küstengemeinden des Kongo glaubte man, dass Gesetzlosigkeit und Kriminalität durch seine gewaltige Präsenz abgeschreckt würden. Der gefährliche Einfluss dieser mächtigen Waffe auf die lokale Vorstellungskraft forderte die europäischen Interessen heraus und führte zur weit verbreiteten Beschlagnahme von Mangaaka-Figuren durch Engländer, Portugiesen und Belgier. Die Eroberung solcher Werke war unleugbar eine Niederlage des Kongo. Eine genaue Untersuchung der Werke selbst zeigt, dass sie nicht passiv aufgegeben wurden. Stattdessen wurden sie, wann immer möglich, grundlegend verändert noch vor dem Abtransport in den Westen. Die fehlenden und geleerten Päckchen auf dem Bauch der Figuren im Metropolitan Museum und der Royal Geographical Society, London legen uns diese nirgendwo aufgezeichnete Wendung nah. Die Schöpfer dieser Werke waren engagiert worden, um eine Kraft ohne Grenzen zu präsentieren. Ihr Talent war so groß, dass selbst in einem ausgeweideten, entweihten Zustand ihre Kreationen auf visueller Ebene weiterhin ein Gefühl von Ehrfurcht und Besorgnis hervorrufen.

Letztendlich sind Mangaaka auf spiritueller Ebene, abgesehen von dem Material, das einst im Inneren verborgen wurde, nur hohle Gefäße. Auffällig ist, dass die meisten erhaltenen Exemplare im Westen in diesem entschärften, fragmentarischen Zustand ankamen. Die Museumsfiguren von Rom, Tervuren und Chicago, die praktisch alle ihre ursprünglichen Merkmale beibehalten haben, vermitteln einen Eindruck davon, wie weit die anderen zerlegt wurden. Solche Vergleiche werfen die Frage auf, welche Verluste durch Fahrlässigkeit und Vernachlässigung in ihrer Handhabung waren und hinter welchen die Absicht stand, potente spirituelle Agenten stillzulegen.

Tervuren 2022 Maske eines nganga

Basierend auf den Mustern des Verfalls bei den bekannten Beispielen ist es wahrscheinlich, dass es eine bewusste, weitverbreitete Anstrengung gab, aufgeladene Materialien vorsätzlich zu entfernen, bevor solche Figuren in europäische Hände überführt wurden. Das Ausmaß, in dem den Werken in Detroit, Metropolitan, Berlin, dem Afrika Museum Tervuren und (Sammlung) Horstmann systematisch die Kraft entzogen wurde, deutet darauf hin, dass sie von dem nganga oder anderen für ihre Pflege Verantwortlichen deaktiviert wurden, bevor sie an Außenstehende abgegeben wurden.

Ironischerweise scheint eine weitere Behandlung vor ihrer Wegnahme stattgefunden zu haben, nämlich das Auftragen neuer Schichten weißer und roter Gesichtsfarbe. Die für diese Aufarbeitung verwendeten Pigmente waren lokal erhältlich und dürften nicht Teil einer post-afrikanischen Restaurierung gewesen sein. Eine solche Übermalung scheint vorgenommen worden zu sein, um die Figuren für Europäer frisch und überzeugend aussehen zu lassen. Man kann sich lokale Spezialisten vorstellen, die an diesen Sabotageakten beteiligt waren, um die Machtinstrumente außer Betrieb zu setzen und sie in einer von anstößigen Stellen gesäuberten und harmlosen Form freizugeben. Die wenigen Werke, die diesem Schicksal entgangen sind, stellen Ausnahmefälle dar, in denen es wahrscheinlich keine Möglichkeit gab, ihnen vor ihrer Beschlagnahme ihre ermächtigende Materie zu entziehen.

Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die einst großen Kongo-Staaten auf den endgültigen Niedergang zusteuerten, entstanden in der Region des Chiloango-Flusses eine Vielzahl von minkisi von epischen Ausmaßen. Dieses Genre wurde von regionalen Anführern entwickelt, um ihre Gemeinschaften vor heftigen Attacken auf ihr Wohlergehens zu impfen. Mangaaka wurde in erster Linie konzipiert, um die Verwüstungen durch den Kolonialismus abzuwehren. Im zweiter Linie diente er dazu, Recht durchzusetzen und kriminelle Handlungen durch geistlich sanktionierte Mittel zu bestrafen. Schließlich erweckte er Vertrauen in sein Potenzial, als Gegengift für die chronischen Krankheiten zu wirken, die einer belagerten Gesellschaft zugefügt wurden.

 

TERVUREN – MUSEUM ALS MODERNES PURGARIUM ? ( lat. ‘Ort der Reinigung’)  –  Aus einem Brief von DvG an einen Freund am 6.4.2022 –

Tervuren steht für mich immer noch im Abseits. Sie hätten umziehen und neu anfangen sollen. Das „Abseits“ wird in vielen Facetten sichtbar: Im Ausstellungspavillon an den zugehängten Fenstern,  in der Verlegung des Eingangs zum „volltransparenten“ gläsernen Empfangsgebäude, im zweihundert Meter langen unterirdischen Gang unter Kunstlicht mit diversen Bußstationen wie die Wand mit ausgewählten Vorurteilen eines “strukturellen Rassismus” (Foto) , oder ein ‘sauberer’ Raum für ‘Workshops’, vor allem die  Zusammenstellung moralisch ‘guter’ und ‘schlechter’ Provenienz. Die undankbare Rolle muss ausgerechnet der berühmte Mangaaka aus Boma am Kongo spielen Fotos). Ist er es wirklich? Das gefledderte Stück? Ich hatte ihn mir großartiger vorgestellt. Außerdem ein paar berühmte koloniale Skulpturen (Fotos) in einem extra angekündigten “Lagerraum”. Dann ein ironisches Wandbild von Cheri Samba, das auf die Rangelei um diese Skulpturen abzielt, und eine in einer großen Halle verlorene Leseecke. Welcher Besucher hat denn dafür Zeit bei der Menge an Exponaten?  Im Erdgeschoss der Halle werden schließlich die Exponate ganz altmodisch durch furchtbar spiegelnde Schauvitrinen entrückt…..

Ich möchte nicht fortfahren, nur sagen, dass meine kongolesischen Gastgeber aus einer Stadt nahe der deutschen Grenze, einfache Leute, die ohne mich nicht dorthin gegangen wären, sehr beeindruckt waren von dem Museum im Ausstellungsgebäude und es als echtes “Kongo-Museum” anerkannt haben. Madame verehrte den gigantischen Elefanten! Zumindest eine positive Perspektive! Ein zweiter Versuch mit ihnen zusammen wäre es wert.

 

FOTOSERIE   TERVUREN  im März 2022       c  DvG      (Anklicken!)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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ABGESCHIRMTE AUSSTELLUNGHALLE  –  TRIUMPH   –  UNTERIRDISCHER GANG  –  BEWEISE GEGEN DEN ANGEKLAGTEN (ohne Übersetzung diskret, besonders gegenüber den Flamen)  – DER BERÜHMTE MANGAAKA (zum Beweismittel herabgewürdigt, in fahlem Licht isoliert) .

SCHAU-SAAL: DENKMALGESCHÜTZTE SKULPTUR DES (VORKOLONIALEN) SANKT ANTONIUS,  umspielt von einem herabhängenden transparenten Tuch mit aufgedrucktem MANGAAKA, grimmig blickend und mit drohenden Eisenklingen versehen. Wäre das bei einem “SANTU TONI” (LINK)  nötig gewesen?

 

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