Du sollst nicht lügen: Fotografie.

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Du sollst nicht lügen – vielleicht das einschränkendste der traditionellen Verbote. Es begründet alle anderen Einschränkungen, ist aber auch eine Quelle von Kraft und somit der Konflikte.

Ich blättere Wynn Bullocks Fotos durch und bemerke nach einer Zeit faszinierter Betrachtung, wie er die Schwärzen manipuliert hat. Und erinnere mich daran, dass mir das auch passiert ist.

Erst allmählich bin ich auch theoretisch dahin gekommen, das Transponieren als legitim zu akzeptieren, den geringeren Wert (der Naturtreue) dem höheren zu opfern (etwa dem Realismus). Da du die Realität nicht durch das Nadelöhr deines abbildenden Mediums zwingst, musst du sie intelligent zerlegen, sonst bekommst du gar nichts Relevantes durch die Öffnung auf deinen Film. „Beamen“ wäre natürlich ein Traum.

Zeichner und Maler, generell frei Gestaltende sehen das Thema gelassen. Sie müssen sich erst am Ergebnis messen lassen, nicht schon an der Methode. Mit der sind wir aber wieder bei der Ehrlichkeit. Eine Zeitlang standen auch Filmkünstler unter dem Diktat des methodischen Naturalismus, als würden eine verwackelte Kamera und der Verzicht auf Schnitte außer im ersten Augenblick des Staunens irgendetwas transportieren. Der Verzicht auf Rhetorik beraubt den Sprecher, indem er ihn befreit, wichtiger Hilfsmittel, seine Botschaft zu gestalten.

Das Foto ist als solches bereits ein Kompromiss, sozusagen als Feststellung (auch in der kommunikativen) Bedeutung. Die Feststellung begründet einen Stil, der durch Bildausschnitt, Fokussierung, Lichtführung  – oder Sich-führen-Lassen – und andere gestalterischen Methoden verfeinert wird.

Ich reife erst zu solchen Einsichten. Ich habe sie nicht im Rahmen einer Ausbildung oder einer öffentlichen Debatte eingetrichtert bekommen. Man hat mich nicht dazu aufgefordert, ermutigt, verlockt oder genötigt. Deshalb fühle ich mich jungen Künstlern überlegen. Ich wundere mich immer aufs neue, was die – oder ihre Umgebung der Kunstkritiker und Interpreten – sich als Konzepte ausdenken.

P.S.

Ich las in einer Zeitung oder im Katalog als Kompliment die eilfertige Versicherung, der Künstler habe genau den richtigen Moment erwischt. Den will aber dann der Bewunderer haben! Auf dem stakst er von Höhepunkt zu Höhepunkt.

12.3./1.12.2010/22.11.2013

 

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