Das Gesicht des Gendarmen – Yombe Porträtmaske (deutsch/englisch)

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Der Zwischenhändler bietet mir eine starke Porträtmaske an; ich muss immer wieder hinsehen. Sie wirkt bedrohlich, entschlossen, grausam und vor allem hungrig – ein Raubtier namens homo sapienBeschreibung

Die Formen des Gesichts wirken wie direkt über einen Schädel gezogen und ganz extrem in zwei Hinsichten:

Da sind zum einen:

  • – hagere Wangenknochen,
  • – eingefallene Schläfen, aus denen die Ohren plastisch hervortreten,
  • – tief sitzende Augen und eingezogener Nasenrücken

Und im Kontrast dazu

  • eine stark vortretende Stirn,
  • ausgeprägte Nasenflügel,
  • ein vorstehender umrandeter Mund mit bleckenden Zähnen
  •  darunter das aggressive knochige Kinn, das noch durch einen Bart verlängert werden konnte (fig. 128).
  • In der Mitte blicken einen stark umrahmte Augen aus gelbem Glas an, deren Pupille von durchgebohrten Löchern gebildet wird, wie bei einigen Nkisi (Fetischfiguren) aus der Gegend.

Das Gesicht ist etwa lebensgroß, aber wirkt übergroß durch seine Verformungen.

Ein Fez von 8 cm Höhe überragt das lange Gesicht, auch er wird dramatisiert durch konkave Verformung. Die hohe Maske (32 cm) überragt den Gesichtsschädel des Tänzers.

 

Warum  „Gendarm“?

Marc Leo Felix erwähnt in seiner Übersicht „Art & Kongos“ (Brüssel 1995) eine ebenfalls schwarze masque policier, die er anderswo (“100 Peoples du Zaire …”, Brüssel 1987) Geheimbünden wie den Himba zurechnet, den Bittremieux beschrieben hat. Diese Spur verfolgen!

Die von Alisa Lagamma in „Kongo – Power and Majesty“ (  ) groß und in Farbe vorgestellten vier Masken haben hingegen alle etwas von einer ‚klassischen’ Vornehmheit und Zurückhaltung noch im Zustand äußerst wacher (hyper alert, Lagamma) Aufmerksamkeit.

Lagamma will sie dem Hellseher nganga diphomba zuordnen (185), Felix zweifelt das für die weiblichen Masken an. Doch die divergierenden Einschätzungen berühren meine aggressive Maske überhaupt nicht.

 

Vanderstraeten, L.-F. (1931): als Polizeibüttel bewachen Gendarmen einen aufständischen Häuptling der Pende (Link)

Nach längerer Beschäftigung mit ihr stehen mir spontan – das beginnt schon mit der Dienstkappe – historische Fotos von kongolesischen Söldnern im Dienst der belgischen Kolonie vor Augen, und sogleich ihre Untaten in den Dörfern der Yombe in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts. Bereits die Stationierung von Einheiten war eine Strafe für unruhige Dörfer und Gebiete. Sie mussten von den Bauern versorgt werden – zusätzlich zu den Zwangsablieferungen – und halfen gern auch mit vorgehaltener Waffe nach. ( Siehe auch “Paradies mit kleinen Fehlern” – Mayumbe 1912 – dt./englisch Link)

 

Abbild der Kolonialgewalt nach Art der Yombe

Diese Maske war ein würdiges Abbild der Kolonialgewalt, aber mit den handwerklichen Errungenschaften der Yombe-Tradition. Es muss ja nicht gleich die Werkstatt des legendären  Meisters von Kasadi (Tshela) sein, aus dessen Umkreis die von Alisa Lagamma  vorgestellten Masken stammen. Deren Gesichter erscheinen aber harmonisch, eher ruhig, geheimnisvoll und moralisch ‚neutral’, bestenfalls undurchsichtig.

Lagamma-Kongo…fig.128. Kasadi-Tervuren

Zu fig. 128 fallen die Worte: lifesize mask, hyperalert (immerhin ‘überwach’), black cap, buffalo hide and hair affixed to the base of chin, heavy layer of white kaolin

Zu fig. 130: nuanced, intensely lifelike face covered in kaolin, delicately arched nostrils (‘Nasenflügel’

Interessant ist auch der 1865 in Cabinda erbeutete ‚Kriegsfetisch’ (war fetish) auf fig.156 mit allerdings noch  traditioneller Kappe, Glasaugen, Ohrringe, Zunge.

 

 

Einige Details auf den sehr guten Abbildungen zeigen überraschende Übereinstimmungen, was mich in der regionalen Zuordnung sicher macht:

  • die Kappe mit geradem Rand oben
  • die hohen Wangenknochen im schlanken energischen Gesicht (fig.128)
  • die unauffällig herab gezogenen Nasenspitzen und ausgebildete Nasenflügel der Masken
  • der gezähnte, einen schmalen Kiefer beherrschende Mund (Zähne eher wie fig.129)
  • das starke, kantig hervortretende Kinn mit drei Bohrungen, welche die Befestigung eines Bartes erlauben (fig.128)
  • die hart konturierte Ohrmuschel mit Mittelfurche passt zu fig.129
  • (zumindest) angebohrte Ohrläppchen wie bei fig.130
  • blattförmige Augen, fast undurchsichtig, weil mit gelbem Glas unterlegt; die dunkle Pupille, die zum Beispiel auf fig.130 größer ist, verdankt sich kleinen Bohrungen

Auf dem Titelbild von „Art & Kongos“ prangt eine Maske, die mit der fig.128 verwandt, aber nicht identisch ist; sie zeigt eine moderne Frisur, Ohrmuscheln mit Mittelrinne, eine ähnliche Augenpartie mit betonten Wangenknochen, umrandete Augen mit großer ausgeschnittener Pupille, den geöffneten gezähnten Mund, markantes Kinn und angebundenen Bart.

Der materielle Aspekt

  • die saubere Innenseite ist komfortabel glatt, aber  nicht elaboriert, was die Maske schließlich verteuern hätte
  • genügend Bohrlöcher für die Befestigung von Kostüm und Bart
  • offensichtlich altes Holz mit kleinen Ausbrechungen; es hat eine auffallende senkrechte Maserung und könnte nach der Beschreibung (siehe unten) die bei fig.128, 130 angegebene Holzart sein. 

Felix: Arts&Congos p.104 schreibt zu Yombe masques: „bis auf sehr alte in Hartholz, mehrheitlich aus leichtem Holz und mit lokalen Zutaten gefärbt“

  • die gesamte Maske ist geölt, das Holz hat das Öl entsprechend der Oberfläche ungleich aufgenommen; Ob sie ursprünglich dick mit Kaolin beschichtet war oder nur rot-schwarz gebeizt wurde, ist auf den ersten Blick nicht auszumachen. Die zurückgesetzten bleckenden acht Zähne und das Zahnfleisch zeigen Spuren von Kaolin. Der momentane Geruch ist schwach harzig.

Das von Lagamma (zu fig.128.130) angegebene Holz rhiznodendron heudelotii könnte passen, wenn ich vom Aussehen, besonders von frischen Schadstellen an den Kanten der Kopfbedeckung, ausgehe, ein leichtes Gebrauchsholz. Es wird auf der Seite <tropical.theferns.info/viewtropical.php?id=ricinodendron+heudelotii>) anschaulich beschrieben

 

deutsche Übersetzung (Original in der englischen Fassung darunter):

Das Kernholz ist stumpfweiß bis blassgelb und dunkelt, sobald es dem Licht ausgesetzt ist; es unterscheidet sich nicht deutlich vom Splintholz. Das Korn ist gerade bis ineinandergreifend, manchmal leicht wellig; die Textur grob und gleichmäßig. Das Holz ist sehr leicht, sehr weich, faserig, spröde nicht sehr langlebig, anfällig für Termiten, Pulverkäfer und Meerestiere. Es trocknet schnell mit wenig oder keinem Schwund; Schrumpfungsraten sind niedrig; Nach dem Trocknen ist das Holz mäßig stabil bis stabil im Betrieb. Das Holz sägt und bearbeitet sich leicht mit gewöhnlichen Werkzeugen – es gibt jedoch eine große Tendenz zur ‚Wolligkeit’ und Werkzeuge müssen sehr scharf gehalten werden; (….) Drehen und Glättung sind schwierig. Das Holz gilt als guter Ersatz für Balsaholz (Ochroma pyramidale); es ist sehr schwimmfähig und wird für Fischernetzschwimmer und Flöße von schwerem Holz verwendet, Wegen der leichten Bearbeitung werden daraus Fetischmasken, Löffel, Schöpfkellen, Teller, Platten, Schüsseln, Stühle usw. geschnitzt; es wird auch für grobe Bretter und Särge verwendet [ ]. Das Holz wird für die Herstellung von Trommeln verwendet, die angeblich sehr klangvoll sind, und es wird geschnitzt, um die ganzen oder die resonanten Teile von Musikinstrumenten (….) herzustellen“.

English Version (by the author)

Description

The middleman offers me a strong portrait mask; I can not take my eyes off her. She looks threatening, determined, cruel and above all hungry – a predator called homo sapiens.

The face is extreme in two respects, the shapes seem to be drawn directly over a skull: There are on the one hand:

  • cheeky cheekbones
  • sunken temples, from which the ears stand out prominently
  • deep-set eyes and retracted nose bridge

And in contrast to that:

  • produding forehead,
  • pronounced nostrils,
  • a prominent and rimmed mouth baring teeth
  •  the aggressive bony chin, which could still be extended by a beard (fig. 128).
  • In the center, heavily framed eyes made of yellow glass; the pupils are but drilled holes, as in some Nkisi from the area.

The face is about life-size, but looks oversized by its deformations. The top of the head  is crowned by a Fez of 8 cm height, also dramatized by concave deformation. The mask is 12,5 inch high.

Why a Gendarme?

Marc Leo Felix mentions in his summary “Art & Congo” ( Brussels 1995) a black masque policier, which he elsewhere (“100 Peoples of Zaire…”, Brussels 1987)  assigns to Secret Societies like the Himba. The four masks shown by Alisa Lagamma in “Congo – Power and Majesty” (  ), on the other hand,  have all something of a ‘classic’ refinement and reserve, even in the state of ‘hyper alert’ attention ascribed by Lagamma, who assigns them to the clairvoyant nganga diphomba (185). Felix doubts this for the ‘female masks’. But these divergent assessments do not affect my aggressive mask at all.

 

After regarding her some time, I remember historical photos of Congolese mercenaries – mind the service cap – in the service of the Belgian colony in mind, and immediately their misdeeds in the villages of the Yombe in the first decades of the twentieth century. The stationing of their units was regarded as a punishment for villages and areas making trouble. They had to be fed by the farmers – in addition to the normal compulsory deliveries  – and were also happy to help along at gunpoint.

– Here Link to an idyllic description 1912 of the Mayumbe Mountains “Paradise with little Faults”

 

This mask is a worthy reflection of Colonial Power, with the craftsmanship of the Yombe tradition. It does not have to be the workshop of the master of Kasadi (Tshela), from whose circle Alisa Lagamma presents her examples. Their faces, however, appear more harmonious, rather calm, mysterious and morally neutral, at best opaque.

Lagamma-Kongo…fig.128. Kasadi-Tervuren

To fig. 128 she remarks: lifesize mask, hyperalert, black cap, buffalo hide and hair affixed to the base of chin, heavy layer of white kaolin

To fig. 130: nuanced, intense lifelike face covered in kaolin, delicately arched nostrils

Interesting is thewar fetishcaptured 1865 in Cabinda  on fig.156 with his cap, glass eyes, earrings, bared tongue.

Some details on the very good reproductions assure me  in the regional assignment: 

  • the cap with straight edge above
  • the high cheekbones in the slender energetic face (fig.128)
  • the unobtrusively pulled down nasal tips and the nostrils of the masks
  • the toothed mouth dominating a narrow jaw (teeth rather like fig.129) 
  • the strong edgy protruding chin with holes which allow the attachment of a beard (fig.128) 
  • the hard contoured sides of the nose with lengthened centre tip (fig.129)
  • Pierced earlobes as in fig.130
  • The leaf-shaped eyes, almost opaque, because they are underlaid with yellow glass, and their dark pupils, which is larger on fig.130, owes itself to small holes

The mask on the cover of “Art & Congo”, is related to that on fig.128 but not identical: It shows a modern hairstyle, middle ear channel, a similar eye area with accentuated cheekbones, rimmed eyes with a large cut out pupil, the open toothed mouth, broad chin and tufted beard.

 

The material aspect

  • The clean inside is smooth enough but not elaborated, which would have made the mask more expensive
  • enough holes for attachment of costume and beard 
  • obviously old wood with small breakouts; it has a striking vertical grain and, according to the description (see below), could be the type of wood indicated at fig.128, 130.

Felix: Arts & Congos p.104 writes to Yombe masques: “Except very old in hardwood, mostly made of light wood and dyed with local ingredients”

  • – the entire mask is oiled, it has more or less absorbed the oil according to the surface; Whether she was initially coated thick with kaolin or only stained red-black, is not clear at first glance. The recessed bleeding eight teeth and the gums show traces of kaolin. The smell is at present slightly resinous.
  • The wood rhiznodendron heudelotii specified by Lagamma (to fig.128.130) could fit, for example at fresh break-outs on the edges of the head. A light regional every-day material, as graphicly described on the web-page <tropical.theferns.info/viewtropical.php?id=ricinodendron+heudelotii>) :

“The heartwood is dull white to pale yellow, darkening once exposed to light; it is not clearly differentiated from the sapwood. The grain is straight to interlocked, sometimes slightly wavy; the texture coarse and even. The wood is very light in weight; very soft; fibrous; brittle (spröde); not very durable, being liable to attack by termites, powderpost beetles and marine borers. It dries rapidly with little or no degrade; shrinkage rates are low; once dry the wood is moderately stable to stable in service. The wood saws and works easily with ordinary tools – there is a great tendency to woolliness, however, and tools need to be kept very sharp; it nails and screws without splitting, but holding properties are poor; gluing is correct; turning and planing are difficult. The wood is considered to be a good substitute for balsa wood (Ochroma pyramidale); it is very buoyant and is used for fishing-net floats and rafts for heavy timbers, because of its ease of working it is carved into fetish-masks, spoons, ladles, plates, platters, bowls, dippers, stools, etc; it is also used for rough planks and coffins [ ]. The wood is used for making drums which are said to be very sonorous, and it is carved to make the whole or the resonant parts of musical instruments in various parts of Africa.”

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