„Wechselblicke zwischen China und Europa 1669-1907“ – nur ‚Chinoiserie‘

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Museum für Asiatische Kunst. Kunstforum Berlin. 12.10.2017-07.01.2018

Ich hatte bereits einen Text vorbereitet, aber wollte den aber wieder aufgeben. Denn Kritik ist kein Selbstzweck. Doch dann lese ich wieder den Einführungstext zur kleinen Ausstellung und ärgere mich erneut über das Herum’eiern

‘Chinoiserie’ war und ist – vergessen wir das nicht – mehr als ein Stil und eine Produktgattung, es ist auch eine Einstellung. Und gewisse Dinge muss man eben immer wieder zur Sprache bringen.

Wechselblicke-Text.IMG_3557Feld anklicken!

„Wechselblicke – Zwischen China und Europa 1669-1907“

„Wechselblicke“ soll das Thema sein. Auf der ersten Infotafel ist bereits das erotische Motiv gesetzt, und die Möglichkeit der Selbstbespiegelung sogar angedeutet.

Der Titel ist konventionell eingängig gewählt: „China“, „Europa“, zwei Gestalten der Vulgärmythologie. Und sie sollen “eine gemeinsame Geschichte teilen” (2.Spalte). Das ist trotz ein paar Berührungspunkten eine gewagte Behauptung, die als diplomatische Floskel niemand ernst nimmt. Für ein breites Publikum ist solch weichgespültes Gerede Gift. Soll man in Deutschland  Trennendes nicht mehr zur Kenntnis nehmen oder nur auf streng geregelte Weise?

Die gewählten Endpunkte fallen auf, das Erscheinen zweier Bücher: das einer damals Landesbeschreibung im europäischen Buchhandel 1669 und das von Fotografien chinesischer Architektur 1907. Da wird am Ende noch einmal der angeblich „vereinnahmende Blick“ mahnend erwähnt. Was heißt das hier?  Darf man sich das Fremde nicht aneignen, vor allem ästhetisch nicht?  Vorsicht! Ideologische Duftmarken!

Die vulgäre weltgeschichtliche Chronologie bleibt außen vor. Wer nicht weiß, was die bei Fotos des zerstörten Sommerpalastes beiläufig genannte Zahl 1860 bedeutet, erfährt es auch nicht: die Fortsetzung der Aggressionskriege gegen das Chinesische Reich, den „Zweiten Opiumkrieg“ zwischen 1856 und 1860, der das Land entwaffnete. Da „vereinnahmte“ also nicht bloß ein „Blick“! Mit einem Mausklick hätte Wikipedia den Autoren die wichtigsten Informationen liefern können.

Und wer erblickte überhaupt was, zum Beispiel  im 18. Jahrhundert?  – Der Adel? Und das, was der Konsument fremder Produkte eben so wahrnimmt, den Produzenten zuletzt – wenn überhaupt.

Das China-Porzellan erreichte überall in Europa nicht nur die regierenden Fürstenhäuser, sondern auch das wohlhabende Bürgertum. Sie alle blickten mehr als ein Jahrhundert auf ihr Chinoiserie-China im Medium des Porzellans, das mit dem Land so gut wie nichts zu tun hatte. Gebildete Europäer erfreuten sich an phantasievoll illustrierten Reiseberichten.

Die Gegenrichtung war klar aufgeteilt. Der von den Ausstellern gewählte Ausdruck „Europäerie“ ist ungebräuchlich. Mit Recht, weil dies Phänomen in dem gewaltigen Reich keine Relevanz hatte.

Der mandschurische Kaiserhof akzeptierte ein paar erfrischend neue Techniken des europäischen Tafelbildes und probierte westlich inspirierte Architekturelemente und Dekorationen an Gartenpavillons, unter Vermittlung von Jesuiten, nicht etwa von großen Malern. Es war für die chinesische Elite der Kontext der Zerstreuung und des seltenen Vergnügens der Abwechslung.

Ein westliches Architekturfoto von 1900 zeigt eine demolierte “Europäerie“ im 1860 von der westlichen Soldateska niedergebrannten Sommerpalast. Deren Führung waren derartige Geistesverbindungen schnurzegal, klar.

Exportproduktion

Der Blick der chinesischen Händler und Manufakturbesitzer auf Produkte und Techniken der Europäer wurde vom Kontext des pragmatischen Nutzens bestimmt. Wenn in der Porzellanherstellung weitere Farben über Blau und Weiß hinaus Anklang fanden, war das eine technische Übernahme, eine von vielen, und mit der Absicht, die Technik zu verbessern und das so Angeeignete als Exportporzellan nach Europa zurückzuschicken. (Vorläufiger Link.)

Für die Industriellen und Händler von Jingdezhen und Fujian entschied letztlich der Erfolg bei den europäischen Kunden darüber, was ‚europäisch’ war.

Eine intakte Geschmackstradition und die restriktive Konsumgesetzgebung verhinderten substantielle Übernahmen in das innerchinesische Formenrepertoire. Auf dem Gebiet ‚höfischer’ Repräsentation und in den Konventionen hausfraulicher Ausstattungsästhetik kam man sich noch am nächsten.

Erst in unserem Jahrhundert, in dem China ‘die Werkbank der Welt’ wurde, haben die für fremde Abnehmer gedachten fremden Produkte einen beträchtlichen Einfluss auf Konsumgewohnheiten in China gewonnen, aber das ist vielleicht auch nur in einigen Sektoren der Fall und vielleicht reicht das weniger tief als wir denken. Was sehen wir von den Chinesen, wenn sie uns in ‚westlicher’ Verkleidung begegnen?

Keine Begegnung der Blicke

Die Begegnung zwischen China und Europa fand von Anfang an nicht auf gleicher Ebene statt, weder vor noch nach 1842, als sich die Machtverhältnisse umkehrten. Sie war wesentlich keine Begegnung der Blicke. „Wechselblicke“ ist ein durchsichtiger Vorwand, um längst bekannte Chinoiserien und  mit dem Namen Castiglionis verbundene hybride Bildschöpfungen aus dem Fundus zu holen, sich für die neue Zeit attraktiver Häppchen nach dem Asiatischen Museum  warm zu laufen und zusätzliche Tickets abzusetzen.

Die Ausstellungsmacher haben  eine kuriose chinesische Papierrolle (Nr.57) – um ihre Textfläche gekürzt – als Vorlage für Plakat und Flyer gewählt. Als Erklärungen habe ich aus der Ausstellung mitgenommen:

IMG_3558 WechselblickeDen poetischen Titel: „Einen Bullen im Wald hören“ – Das Ding hatte damit seinen Namen. Bietet der Rollbildtext mehr?  In der rechten Inschrift soll ein Hinweis auf europäische Technik stehen, etwa auf den Schattenwurf des Bullen. Das Bild ist zusammengesetzt aus zwei unterschiedlich vergrößerten europäischen Drucken, einer sei ein religiöser Holzschnitt.

Da es auch bescheiden auf Papier aufgezogen wurde, vermute ich darin ein Lehrplakat. Offensichtlich richtete sich die didaktische Absicht auf die Demonstration einzelner formaler Errungenschaften, vor allem Plastizität durch Schattenwurf. Das Desinteresse an der Anatomie ist offensichtlich. Die Chinesen druckten bekanntlich Enzyklopädien und illustrierte Sachbücher zu allen Gebieten. Doch dies  Sammelsurium ergibt für mich nur als Modell oder Karikatur ‘westlicher’ Drucke Sinn. Wenn man dann seine Details mit den Normen chinesischer Malschulen, etwa der Zehnbambushalle, vergleicht, wird ihre unzivilisierte Grobheit, vor allem aber auch das Fehlen jeder Systematik – in China an Pinselstrichen orientiert – deutlich.

Das Monstrum scheint mir irgendwo zwischen „China“ und „Europa“ angesiedelt, Rind-Ausschnitt.IMG_3565aber nicht lebensfähig. Wieso vertritt es nun im öffentlichen Raum Berlins das Ausstellungsthema?

Was steckt in dem “Blick”?

Nur unbegriffenes oder gleichgültiges Abkupfern?  Vielleicht Spott? Satire ?

 

 

 

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