Maske der Boa mit Flügelohren

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Die Masken der Boa im Westen des Ituri-Waldes waren für mich groteske schwarz-weiße Gesichter mit abstehenden Ringohren. Ihre Abbildung verlieh jedem Bildband afrikanischer Kunst eine heitere Note. Wie viele hatte ich eigentlich gesehen? Als Objekt in meiner Sammlung konnte ich sie mir bisher nicht vorstellen, so wenig wie irgendeine Faschingsmaske. So etwas würde ich nicht an die Wand hängen zwischen die ‚bedeutsamen’ Stücke.

Boa - frontal-IMG_8818Die erste Begegnung war anders, auch wenn der sonnige Vormittag seine Macht der Täuschung bewies. Ich war gewarnt. Das Stück ist vollplastisch und ausgewogen, recht kompakt, sorgfältig gearbeitet, farbig und dunkel patiniert, und gut erhalten. Die Ohrscheiben durch dünne Lederbänder stabil verbunden. Kleine Reparaturen wurden geschickt gemacht. Das Objekt strömt einen gepflegten rauchigen Harzduft aus, wie vor allem mein ‚Pygmäe’ aus derselben Region.

Kerchache_Paudrat no. 1003 Boa

Kerchache_Paudrat no. 1003 Boa

Trotz Suchens fand ich bisher erst eine schwarz-weiße Abbildung zum Beleg, in Kerchache/Paudrat S.582, no.1003. Das Stück liegt in Tervuren. Beruhigend, dass dieselbe ovale Form des Mittelteils sichtbar ist und eine Höhe von nur 30 cm angegeben ist, um wenige Millimeter identisch mit meiner Maske. Sie ist innen recht schmal, wird eher vor dem Gesicht getragen und bietet dann guten Durchblick. Ich hatte mich fotografieren lassen und wundere mich nun, wie selbstverständlich und ‚seriös’ sie über meinem banalen Outfit wirkt. Die Maske aus Tervuren zeigt eine abweichende Einteilung der farbigen Felder, die Verteilung ist unruhiger, die Ohren scheinen angeklebt, die Zähne sind eingesetzt, nicht ausgesägt, aber bei beiden findet sich dieselbe Bauform und eine vertikale Dreiteilung. Auf der Stirn spielt ebenso ein Oval die zentrale Rolle. Die Abbildung bei Kerchache ist klein, das Foto hart und strikt frontal und gibt darum mehr nicht her für einen Vergleich.

 

DER BAU MEINER MASKE

Boa schräg-IMG_8821Die Plastik ist komplexer als bei ersten Eindruck, vor allem frontal. Die Grundform erinnert an einen auf dem Gesicht liegenden Bootskörper. Die Seitenwände stehen senkrecht, aber verjüngen sich etwas. Ein großes flaches Oval auf der Stirn steigt von oben bis zu den Augenbrauen leicht an. Die mit 14 cm Länge dominierende Stirnfläche erreicht dort ihren höchsten Punkt. Nasenwurzel und Augenpartie sind überzeugend in eine kubische Ordnung überführt.

Die Seitenwände sind schwarz, nur in der Mitte weiß, wo sie an die Ohren anstoßen. Die Mitte des Gesichts von der Nasenwurzel bis zu den tiefen Nasenlöchern ist schwarz und wirkt dadurch wie eine eigenständige Augenmaske.

Rot sind die zwei strengen Bögen der Augenbrauen und der Kieferbereich um den schmalen gezähnten ovalen Mund, rot an den Ohren sind die äußeren Seitenwände.

Das Weiß hebt die großen Ohrenbögen hervor und umrahmt das schwarze Stirnoval. Auch die Zähne sind weiß hervorgehoben.

Die rote Farbe könnte Ölfarbe sein, Schwarz ist gebeizt und weiß Kaolin dick aufgetragen. Deshalb wirkt es abgeschabt und fleckiger, das Rot hingegen nur verblasst.

Wie erwähnt, ist die Einteilung ruhig und ausgewogen. Die Bemalung und Auffrischung wird durch Bögen (Augenbrauen) und Kanten – die Nase wirkt wie ein Bauklötzchen – und unter der Nase durch eine waagrechte Linie in sichere Bahnen gelenkt, die durch einen leichten Absatz gebildet ist.

Die Aushöhlung des Innern mit Beitel hat bei weitem nicht die Glättung der Vorderseite erfahren, wahrscheinlich wegen der Enge des zur Verfügung stehenden Arbeitsraums. Die Wände sind jedoch dünn, was Augenschlitze und Zähnung beweisen.

Die Maske wurde in Längsrichtung des Stammes geschnitzt. Oben ist wohl ein Stück Kernholz ausgebrochen, unten ist an gleicher Stelle ein gebohrtes (?) Loch ausgefüllt worden. Hat man die Maske ursprünglich etwa an einem Griff getragen – wie z. B. bei den Metoko oder Yaka üblich? Die vier seitlich gebohrten Löcher werden für die Montage der Ohren gebraucht, stehen also nicht für das Tragen der Maske zur Verfügung.

In diesen Bereichen sind auch intelligent vorgenommene leichte Retuschen erkennbar, aber keine vorgängige Galerie-Behandlung, Sockelung oder ähnliches. Ich habe jetzt mit einer Sicherheitsnadel improvisiert.

Ich habe noch gar nicht über die ‚Substanz’ der Maske gesprochen, ihre Schönheit, ihre Integrität, ihre Individualität.

Sie hat zum Beispiel einen Blick, der sich mit dem Betrachtungswinkel ändert. Doch er ist eher nach innen gerichtet. Nicht immer zeigt sie die Konzentration der Aufmerksamkeit. Das Größenverhältnis von Augen und Mund einerseits und Ohren andererseits. Der vordergründig erzeugte Eindruck der Flächigkeit des Gesichts trifft auf unerwartete Tiefe, den Kontrast höchster Sammlung und größten Ernstes zu den Flügelohren. Die erinnern mich an eine Figur und SzeneLe Chien Andalou - Ohrenklappe 3 von ‚Le Chien Andalou’, des überhaupt nicht komischen Avantgardefilms von Luis Bunuel, ihre Verzweiflung an den absurden Herausforderungen. Und an Trachten von Verrückten, Narren und gewisser Orden. Allesamt ‚Geheimnisträger’.

 

 

ZWISCHEN KUNSTBETRACHTUNG UND BILDERFLUT

Boa Bilderflut googleEin Bildschirmschnappschuss von Google Images zu „Boa-Maske“ zeigt das, was ich fürchte,ganz abgesehen von den schrägen Typen, die in dem Sammelsurium auftauchen. War das Bildsuchprogramm immer so dumm? War immer gleich ‚pinterest’ mit seinem Follow me zur Stelle?  Wer sollte sich für ein Stück davon begeistern?

Zufällig fällt mein Blick auf eine Maske – in zwei Ansichten – welche bwoom-gallery.com auf ihrer eigenen Seite anbietet, angemessen fotografiert und beschrieben. Sie lohnt den Vergleich. Ich habe nur noch keine Zeit dafür. Benützen Sie den link!

Pinterest zeigt – im Schaufenster naturgemäß klein – ein weiteres interessantes Exemplar, zusammen mit brauchbaren Daten: 35 cm, 1910-12 von A. Hutereau gesammelt.BOA- H 35 cm (Alstonia congensis) Hutereau 1910 -12

Am Schluss noch ein Schnappschuss aus meinem Büchermarkt: Eine ganz eigene Poesie

artcom 2016 - Foto: Gv

artcom Oktober 2016  –  Foto: Gv März 2017

 

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