Vor einem Jahr (7.12.2015) machte eine Dokumentation auf 3-SAT die Anstrengungen Berliner Ethnolog(inn)en öffentlich, das Kulturerbe ausgewählter südamerikanischer Indios “ab 2019” in jeder Hinsicht korrekt für das großartige neue Humboldtforum aufzubereiten. Das Filmteam durfte die Forscher(innen) zu den heiligen Strohhütten der Kogi am Strand von Kolumbien begleiten und ebenso am Gegenbesuch in Berlin teilhaben. Ich fand das Ergebnis so zeittypisch, dass ich gleich diese gallige Notiz verfasste. Inzwischen fand ich auch den Link wieder, und er funktioniert immer noch. Bilden Sie sich selbst ein Urteil.
Am 2.2.17 war der Beitrag schon 37x angeklickt worden. Ich hatte inzwischen auch einen passenden Artikel gelesen, am 4.1. in der FAZ (Seite N3). Der befeuerte schon mit seinem Titel “Asylrecht für die Dinge” weitere Überlegungen. Ich stelle sie nun auch in den Blog, da meine ursprüngliche Notiz noch immer nachgefragt wird, Ich nehme an, von Studenten für Hausarbeiten. (Link) 18.7.2018
Der erfahrene Kulturredakteur der ZEIT Thomas W. Schmidt hatte bereits am 6. Juni 2015 in der Nr. 21 einen sehr informativen Artikel zum Thema publiziert. (LINK) 3.3.2019
Die Indianer dürfen kommen, ihre Geheimnisse abliefern, aber bitte nichts ausleihen…
… wie eben Indianer aus dem Dorf auf einem (oder in einem) Humboldtforum! Warum haben die Kustoden sie nicht früher zur Deutung ihrer Objekte beigezogen, bereits auf dem Hügel in Berlin-Dahlem? Es ist doch der Geist, es sind die Erzählungen, die zählen!
Oder doch nicht? – Bei der Begegnung werden die Kustoden zu Schatzhütern und zu Diplomaten ihrer Museumsfestung. Sie sind schwer zu unterscheiden von der Presse- oder Rechtsabteilung ihrer Organisation. Da klammert sich der Vizedirektor an zwei den Kogi heilige Masken, materiell schäbig, aber laut Luminiszenz oder so fünfhundert Jahre alt. Die Ethnologin wird zur ‘Archäologin’, sobald sie begeistert die Farbreste beschreibt und irgendwer kommentiert: Für die Forscher seien es (bereits?) ‚archäologische Objekte’. Ausleihen könnte man sie, sofern zum Beispiel die physische Integrität der Stücke in Südamerika garantiert würde. Das können die ‚Tempel’ der ‘Kogi’ in ihrer Strandhüttenbauweise sicher nicht leisten.Die besorgten Kuratoren sehen in dem fraglichen Holz Präparate, aus denen später einmal ganz andere Erkenntnisse gewonnen werden können (klar! Archäologie!). Ich schließe ‘mal kurz:
Und dafür haben die Indios, diese….. ‘Kogi’, doch gar keinen Sinn. Heute wollen sie damit irgendwelche Rituale begehen, die einem erst der Dolmetscher erklären muss und deren tiefere Bedeutung einem trotzdem nichts sagt, nur das Übliche: das Gleichgewicht der Natur bewahren blablabla … Protokollieren wir halt ‘mal! Aber morgen sind die bereits in den Favelas Kolumbiens verschwunden. Man muss und kann als deutsche Institution diese kritische Phase überstehen. Kooperation ist dafür immer gut.
Was beabsichtigen die Museumsleute eigentlich, wenn sie in ihrem Humboldt-Bunker politisch-korrekt nach drei Klassen inszenieren? – Erlaubtes, ein wenig Erlaubtes und auf keinen Fall zu Zeigendes?
Sollen wir – ‘das Publikum’ – etwa erschauern? Sollen wir uns peinlich berührt fühlen (‘fremdschämen’) und lieber doch wegschauen? Dürfen wir uns mokieren über die Einfallslosigkeit der ….. (wie hießen sie nochmal?) ‘Kogi’? Schließlich beglotzen wir auch andere erklärte Geheimnisse und können vergleichen. Haben die Museumsregisseure und Ausstellungsdesigner nicht begriffen, dass sie Überbleibsel tradititioneller Kulturen vor dem materiellen Untergang bewahrt haben, dass aber in den Magazinen und Vitrinen alles Leben aus ihnen gewichen ist? Und mit den Kulturen vor Ort ohnehin alles verloren ist? Mumien sind keine Maggiwürfel. Daraus wird nie eine nahrhafte Suppe.
Auf meine Dreistigkeit hat man auf dem Humboldtforum nur gewartet: Sein Sprecher stürzt durch den Flachbildschirm auf mich zu, an der Hand ein halbes Dutzend Indigene (Sie wissen, hieß altdeutsch und wörtlich: Eingeborene): Ich hätte doch die Rituale selbst gesehen, am Bildschirm. Wie ernst diese den Indigenen seien, beweise die Weigerung der Indigenen, für die Vorführung eine der Masken aufzusetzen, wie sie im Depot herumliegen. Sie kämpften darum, von der Welt gesehen zu werden, zu beweisen, dass sie nicht ausgestorben seien ….
Ich bleibe gelassen. Wer will das heute nicht beweisen? Die Franzosen mit Marie Le Pen, die Polen, wir Pegida-Deutschen, die Spielhöllen betreibenden Indianer Oregons, die Kalifats-Muslime, alle möglichen Trachtenvereine … Das ist keine Mode, das ist unsere Zukunft! Aber an Tradition glaubt keiner mehr: Der eine findet sie unappetitlich wie ‚das Patriarchat’, der andere lästig, aber alle finden sie langweilig. Sind die ins Kraut sprießenden Kulturwissenschaftler ein Gegenbeweis? Keineswegs, aber sie können froh sein, denn es gibt härtere Jobs: Türsteher, Wachpersonal, Verkäufer, Sachbearbeiter oder Entertainer.
Aus politisch korrekt wird korrekt. Unser ererbter Rationalismus erlaubt uns keine nachweislich falsche Zuordnung. Die Relevanz kann gegen Null gehen, aber das tut nichts zu Sache. Also wird im Hochsicherheitsmuseum der nächsten Zukunft fieberhaft an der Feineinstellung ethnologischer ‚Module’ gearbeitet, damit möglichen böswilligen Geistern – sie halten sich für ‘kritisch’ – ein für alle Mal die Basis entzogen wird.
EIN BEISPIEL FÜR SO RELEVANTE ERKENNTNISSE WIE : ES WÜRDE BEDEUTEN, DASS ….
ERINNERUNG: NEUES MUSEUM BERLIN – SCHNELLDURCHGANG AM 2.3.2015
Von oben begonnen, nach dem spröden Treppenhaus, mit den ausstellungshistorischen Anklängen und mit menschheitsgeschichtlichem Tenor: Die Menschentypen wandern, breiten sich aus, wie die Kulturtechniken und Kulturgüter, die Eismassen fluten vor und zurück, die globale Uhr rast und unten wächst die Zahl der Menschen schließlich sprunghaft an auf dem digitalen Zähler. Und die Objekte sind auf robuste Art ästhetisch, eben: gediegen.
FAZ, 4. Januar 2017, “Asylrecht für die Dinge”
“Berlin: Ansätze einer Museumsphilosophie vor dem Hintergrund des Humboldtforums” von Stefan Laube (Nr.3 Seite N 3 Geisteswissenschaften)
(Drittletzter Absatz:) “Tenor der Tagung blieb ein abendländisches Verständnis von Museum. Der Blick in andere Kulturen, die nicht in diesem Maße vom technologischen Fortschrittsparadigma geprägt sind, fehlte. Gewisse mit Wirkmacht aufgeladene Dinge, wie die Masken der Kogi-Indianer aus Kolumbien, empfinden ihr Dasein in den Beständen der Staatlichen Museen Berlin keineswegs als befreiend, sondern als Kerker, so die Überzeugung von heute lebenden Angehörigen dieser Ethnie. Die Rückgabe der Masken verweigert die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Grundlage eines allenfalls formal korrekten Kaufvertrags. Glücklich die Besitzenden, die ‘shared heritage’ nennen können, was sie behalten.”
“Asylrecht für die Dinge” – so einleuchtend das für unsere europäischen Ohren heute klingen mag, erscheint durch den Widerspruch der Kogi mit einem Mal als Euphemismus, als Verschleierung eines Interessenstandpunkts. Es geht darum, unsere spezifische “Gestaltungspraxis des Sammelns”, deren Zugriff mit dem europäischen Imperialismus vor überhundert Jahren auf den Globus erweitert wurde, guten Gewissens beibehalten zu dürfen. – Das Thema übersteigt die Möglichkeiten eines Nachtrags. Sobald der neue Beitrag fertig ist, erscheint hier auch der Link dazu.
Momentan kann ich nur den Originalartikel über einen kostenpflichtigen (4.38 €) Link anbieten.