„Streik“ an der Schule? (1997)

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An meine aktivistischen jungen Freunde in der AKS – eine persönliche ErklĂ€rung am 25.11.97

Ich habe keine Lust auf eine „reaktionĂ€re“ Rolle oder gar Profilierung. Mein Ruf ist auch mein Kapital. An einem „Podium“  heute hĂ€tte ich nicht teilgenommen. Doch euer Vertrauen rĂŒhrt mich. Ich hab‘ Jesko und Katharina ein Paper versprochen. VoilĂ :

Mein emotionaler Konflikt dieser Tage hat mit einer alten Geschichte zu tun: „1968“  Eine neue Generation variiert das alte Spiel, dessen SchwĂ€chen ich desillusioniert und deshalb sicher ĂŒberdeutlich wahrnehme.

„Wer sich nicht zu Wort meldet, bestimmt nicht mit“, sagt mir Jesko. Zivilcourage sei nötig.  Aber woher nahmen die Aktivisten der SV sich das Recht, Fakten zu setzen,  MitschĂŒler und Lehrer  unter Druck zu setzen?  Wozu haben die SV-Wahlen die SchĂŒlervertretung  legitimiert?  Ist das ihr WĂ€hlerauftrag?

Es gab einmal eine Studentenbewegung, die lebte in Vollversammlungen und auf Demos, nachdem sie erfolgreich die Lehrveranstaltungen „gesprengt“ hatte Wer nicht erschien,  der existierte nicht fĂŒr sie. – Damals war die geheime Abstimmung, erst recht die Briefwahl eine Geheimwaffe des reaktionĂ€ren Establishments der UniversitĂ€t.

Es gab in den VVs ein Podium mit vorbereiteten Statements und Beschlußvorlagen – wie bei einem Parteitag. Im Plenum saßen die Individuen und durften – mit Zivilcourage und Geistesgegenwart bewaffnet – ihre spontanen BeitrĂ€ge abliefern. Waren sie zu lĂ€stig, wurden sie vom Saalmikrophon abgedrĂ€ngt. Die Hauptrichtung war jedem bekannt, das Arsenal der Aktionen ebenso: „Streik“, Demo, Blockade, (provozierte) PolizeiĂŒbergriffe, denn medienfixiert war man schon damals.

Doch im Rahmen der Uni konnte es kein wirklicher Streik  werden,  weil die Möglichkeit der „Nötigung“ des Gegners ĂŒber ein „empfindliches Übel“ einfach nicht gegeben war, vom immerhin denkbaren Gesichtsverlust des Kultusministers einmal abgesehen , aber der saß mit seinen Kollegen doch im selben Boot. Die Nötigung fand also im Saal und in den Seminaren statt. Die Mitstudenten wurden zu Geiseln genommen fĂŒr eine andere UniversitĂ€tspolitik.

Das Folgende sollt Ihr nicht auf Euch beziehen:

1968 herrschte Reformstau; doch diese nĂŒchterne Tatsache  mußte von Utopien ĂŒberstrahlt werden. Das zeigte sich allmĂ€hlich. Eine neue Zeit sollte anbrechen. Das eigentliche Ziel war eine ganze Kulturrevolution. die Identifikation mit Mao‘s Roten Garden war dafĂŒr typisch: Deren Leistungen waren GesetzesĂŒbertretung, Angriff auf Hierarchien und „AutoritĂ€ten“. Die EuropĂ€er ergĂ€nzten den Katalog durch  Aufhebung von Zensur und Hebung des VerdrĂ€ngten. Der grĂ¶ĂŸte Teil der studentischen Jugend nahm nach 1969/70  dankbar die angebotene„Reformpolitik“ und Reformdiskussion  der „Sozialliberalen Koalition“ an. Eine betrĂ€chtliche  Minderheit  sperrte sich fĂŒr ein paar Jahre in politische Sekten ein.

Politisches Handeln ist  immer nur mein sekundĂ€res Interesse gewesen. FĂŒr mich kĂ€me nur „Politikberatung“ – als Reflexion, Spiegelung – meist den Handelnden im vermeintlich entscheidenden Moment lĂ€stig, ja Jesko –  inFrage. Ich weiß offensichtlich ganz genau, wo meine zentralen Interessen liegen  und wehre mich spontan, wenn  diese in Gefahr geraten. Dabei nehme ich auch meine Überreaktion in Kauf, z.B. meine konkreten Arbeitsbedingungen oder zum Beispiel „Mißachtung“:

Die dogmatisierte „linke“ Studentenbewegung, mit der ich  eine Zeitlang sympatisierte, hatte die unangenehme Gewohnheit, gebildete und kritische Menschen  als „kleinbĂŒrgerliche Elemente“ zu demĂŒtigen – in der VR China auch mehr als das. Diese standen prinzipiell auf der „falschen Seite“ und  sollten daher stĂ€ndig ihre LoyalitĂ€t  usw. beweisen. Jeder Dummkopf von „revolutionĂ€rem“ Stand  durfte sie verdĂ€chtigen und maßregeln.

Als der „Maoismus“ 1977 in Deutschland unterging, standen „Feminismus“ und bald darauf die „Ökologie“ als Ersatz-AutoritĂ€ten bereit. Ich aber hatte mir bereits geschworen, mich nie wieder einer „political correctness“ auch nur ein bißchen zu beugen. Und wer mich auch nur gedankenlos mißachtet, weckt in mir eine alte und tiefe Wut. Die kann ich auch nicht verbergen.

AbkĂŒrzungen:   AKS : Altkönigschule, Kronberg  SV : SchĂŒlervertretung  VV : Vollversammlung

Anlass: Einer der – seltenen – Streiks gegen schlechte Unterrichtsbedingungen im Land Hessen. 

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