Nkishi-Figuren der Songye Die Vierseitige und die Zweiseitige

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Ich denke, ich sollte in der nächsten Zeit ein paar Beschreibungen, wie sie bereit liegen, hinaus schicken. Bei dieser Tätigkeit erschließt sich dem Auge und dem Gedächtnis schon so manches Detail. Der Kontext soll nachziehen, das ist auch spannender.

   Rein weiblicher Doppelstempel aus extrem schwerem Holz mit ovaler Schnute

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Der Arm teilt sich doch tatsächlich am Ellenbogen in zwei Richtungen. Die Torsi spiegeln einander ebenso wie die Köpfe, bloß um 90 Grad verdreht. Die Ladung besteht aus einem – mit einem noch kleineren verstärkten – abgebrochenen Hörnchen und zwei schmalen Wülsten, die aussehen wie abgerutschte Bikini-Oberteile. – Ich verjuxe wieder einmal, was für manche relevantere Betrachter bitterernst sein mag.

Augen und die vorgeschobenen Lippen (protruding lips)sind sinnlich, expressiv. Im Lampenlicht zum Beispiel am Schreibtisch gewinnt die Figur noch. Sie ist von der Konzeption her großzügig (plain), aber mit 44 cm auch fast so groß wie die ‘vollständigen’ Figuren mit Beinen, Füßen und Sockel. Mächtige Volumina. Der Physiognomie nach eine Riesin. Das Gewicht ist phänomenal, fast drei Kilo. – Ich kenne solche Frauen und halte respektvoll Abstand.

Nicht unerhebliche Details: die Länge der Finger, der platte Nabel, das dünne Kinn, die nur unauffälligen Unterschiede zwischen den Gegenseiten.


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Rechtwinklig stehen die aktiven Flächen zueinander, nicht wirklich optimal, würde der Festungsbauer Vauban urteilen.

Ich finde die Verdopplung des einen Gesichtstyps bemerkenswert. Mit solchen Zwillingen ist nicht zu spaßen. Abweichung von der perfekten Spiegelung sind rein technischer Natur und fallen nicht ins Gewicht. MULTUM NON MULTA (‘viel, nicht vielerlei’)!

An ihr möchte ich sogar glauben, dass der kristallisierte ‘Kleber’ das spirituelle Baumharz ist.

Die Andere : Aus leichtem Holz, mit schlichtem Kegelrumpf und Fellrock auf schmalem Sockel

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Sie wäre mit nicht abgebrochenem Stachel ebenso hoch, auch immerhin 40 cm. Sie wiegt mit 767 g nur ein Viertel.

doppelstempel-img_7120Die Vorderseite wird von einer weiblichen Kifwebe-Maske gekrönt, die Rückseite mit einem glatten Gesicht desselben Zuschnitts. Die Vorderseite wird mit einer Nabelspitze gekennzeichnet, der Rücken durch eine hinreichend breite und tiefe Furche.

Der etwas kleinere Schädel trägt schräggestellte Bohnenaugen, eine kleinere ebenso in ein Dreieck mündende platte Nase und einen großen Kreuzschlitzmund.

Auf der Vorderseite gewinnt mich die Maske mit sensibel gefurchten Rillen, weniger als bei der gewichtigeren Figur. Die schrägen Augen sind in die an den Schläfen geteilten Stirn- und Wangenflächen integriert. Das sehr breit wirkende Kinn auf der Rückseite erklärt sich aus der Normbreite für die Mittelpartie der Maske. Der Doppelkopf wirkt im Vergleich mit der Gewichtigen auch ästhetisch leicht und sitzt auf einem oben schlanken Hals in sechs Ringen. W. deutet die zart eingeschnittenen Ringe als Zeichen weiblicher Schönheit. Das gefalle an kongolesischen Bräuten nicht weniger als die berühmte schmale Lücke zwischen den Schneidezähnen.

Von der Seite fällt auf, dass die Figur leicht nach vorn gebeugt steht, als ob sie das zweite Gesicht auf dem Rücken trüge. Der Gürtel aus Raffia sitzt hinten auch höher und der Fellschurz ist länger.

Während die gewichtige Figur auf einem acht Zentimeter dicken und bis vierzehn Zentimeter breiten Sockel ruht, machen Sockel und Füße der anderen so sechs Zentimeter aus. Man glaubt es nicht: Auch dieser Sockel misst zwölf Zentimeter.

Ich kann nicht sagen, warum die leichtere Figur auch weniger Glanz aufbringt. Dunja Hersak schreibt, dass ein Nkishi als zweiter, die Heilung stabilisierender Schritt der Therapie funktioniert. Dann scheint mir die mit dieser Figur verbundene Sorge ernster, die Situation weniger stabil, und die Zuversicht nicht ganz so gefestigt wie die bei der gewichtigen Figur.

Kann idese überhaupt eine Krise markieren? Nun, sie zeigt diesen ‘Kleber’, der ein wirkmächtiges Baumharz sein könnte, sie ist aufrecht und wirkt so entschlossen, dass sie ihren Torso real verdoppelt, Sie hat gleich zwei Brustringe und gibt zumindest vor, mit einem Oberarm zwei Unterarme steuern zu können. In ihrer Schädelmitte stecken auch zwei Hörner ineinander, eine kleine Spitze in einem abgebrochenen etwas größeren Horn. Das spricht für Verstärkung oder sogar Wiederverwendung, also guten Erfahrungen.

Aber, ehrlich gesagt, sprechen beide Gesichter als personal magical figure ihren Besitzerinnen Mut zu. Die vorragenden Schnuten und für einen Moment geschlossenen Augen gehören – wie wir an uns selbst nachprüfen können – zum entsprechenden mimischen Inventar der Menschen.

Lit.: Dunja Hersak : Songye – Masks and Figure Sculpture, Ethnographica London 1986

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