Bembe (Kivu) Kalunga-Figur

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IMG_7208 Kalunga

Es hat zwei Gründe, dass ich den vor einem Jahr erworbenen Januskopf jetzt in den Blog aufnehme:

1. Ich kann auf inzwischen mit dem Hocker der Alunga-Gesellschaft gemachten Erfahrung zurückgreifen. Meine dem Artikel von D.B. Biebuyck „Bembe Art“ (A.A. vol.5 No.3, 1972) entnommene Bilanz vom 8.6.2016 „(Bembe (Kivu) Schleichkatze (Hocker)“ sah so aus, dass die Schablone vom kulturell homogenen ‘Stamm’ sich völlig auflöst. Zitat:

Die Alunga Gesellschaft und ihre Maske kommen nur in einigen Klans unter den südöstlichen Bembe vor, den Boyo, den Bakwamamba und den Bakwakalanga. Bembe Tradition behauptet dass Alunga von den Basi’alangwa eingeführt worden ist; diese stellen explizit fest, dass sie es von den Jägern übernommen haben (…) die noch immer in Teilen des südlichen Bembelands leben….(76 r, dt.Ü.). Also von den ‚Pygmäen‘ übernahm man Kulte von Naturgeistern, wie überhaupt die Beziehungen enger waren als vermutet.

Die Bembe sind selber als Pre-Bembe Jäger aus dem Regenwald am oberen Kongo (Lualaba) eingewandert (14). Die Mehrheit anerkennt gemeinsame Vorfahren mit den Lega. Deren Einfluss ist auch überall sichtbar. Die Bembe expandierten selbstbewusst – extremely proud and tough people (15r) – aber ohne zentralisiertes politisches System (14r) und fanden mit den hier bereits ansässigen Gruppen einen guten Modus vivendi. ‚Bembe land war also eine multikulturelle Region mit starker gegenseitiger Beeinflussung. This intimate contact led, of course, to much reciprocal borrowing and cultural adjustment.(15r.unten)  Auch im Bembedorf wohnten traditionell ‚Fremde’, andererseits zahlreiche Bembe auch außerhalb des ‚Bembelandes‘.

2. Der Bildband ‚Masterpieces from Central Africa’ (Prestel, 1996) aus Tervuren stellt eine verwandte Figur vor, und der Kommentar (D.P.B.= Biebuyck) macht sie für mich auf neue Weise interessant.

Zeitweilig wird mir aber wegen der Verwechslungsgefahr von Kalunga und Alunga (Gesellschaft Initiierter) geradezu schwindlig und ich muss  innehalten, sie getrennt behandeln, wo sie auftauchen und auf das klärende Buch aus der Bibliothek warten.

Masterpieces,Tervuren,no.3-Mishi (Bembe)

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Diese kleine Figur wurde in der Form einer Janusmaske konzipiert, wie sie in der Alunga-Associaton der Bembe benutzt wird. Der Kopf ist durch einen kurzen mit einem Faserkleid bedeckten Nacken mit einem runden vierbeinigen Stuhl verbunden. Dessen Form ähnelt der von Stühlen, die man bei Lega und Bembe innerhalb der Bwami-Gesellschaft findet. Die Figur wurde 1952 von D.Biebuyck in der Basikasingo Gruppe von Tulungu gesammelt, wozu damals der Lulenge-Sektor im Fizi-Territorium gehörte. Sie war Teil einer Gruppe anthropomorpher Statuen (generisch mishi geheißen), die ein Klan-Ältester der Basilugesi, einer speziellen Untergruppe der Basikasingo, zusammen in einem Schreinhaus aufbewahrte. Fünf der Statuen (die anderen wurden nach Zaire vor der Unabhängigkeit 1960 zurückgegeben), die in Biebuyck 1981b abgebildet sind, wurden in unterschiedlichen Hölzern und Stilarten geschnitzt. Die Sieben repräsentieren die Mitglieder einer eng gestrickten sozialen Einheit mit einer Ahnin, ihren fünf Söhnen (real und fiktiv durch genealogische Vergrößerung/telescoping) und einen ihrer männlichen Enkel. Der wird von der hier abgebildeten Figur repräsentiert. Die sechs anderen sind stilisierte Wiedergaben des ganzen menschlichen Körpers, wurde der Enkel, der ‚Alunga’ genannt wurde, weil er ein berühmter Tänzer der Alunga-Maske war (…) in der Form einer doppelgesichtigen Alunga-Maske konzipiert. Diese Schnitzerei illustriert die Kombination von Kultpraktiken, die zu historisch unterschiedlichen, aber territorial koexistierenden Bevölkerungen: die Form des Ahnenkults ist pre-Bembe, aber die stilisierte Figur leitet sich vom Alunga-Kult der Bembe ab.

Ein ausgezeichnetes Beispiel der Kontinuität zwischen den Lebenden und den Toten, welche viele afrikanische Bevölkerungen vorstellen, wurden die sieben ‚Personen’ mit dem kollektiven Begriff basoshi bezeichnet, einen Statusbegriff, der auf Seniors und ältere Personen überhaupt angewandt wurde. Als der Besitzer sich entschied, die Figuren mit dem Autor zu tauschen, machte er zunächst libations, opferte ein Huhn, pries die Ahnen und sprach zu ihnen und erklärte dann, dass er sie dem Mtoca Ta’ule (‘Asker Does Not Falter’) in die Obhut gebe, der sich um sie kümmern werde. Er versprach zugleich, andere Figuren zu erwerben um seine Ahnen zu ehren und ihre Zuwendung zu erhalten. D.P.B.

An diesem Text finde ich interessant…

– die Mischung der Stile und Hölzer in den sieben Figuren. Die Abbildung einer zweiten Figur aus der Gruppe in African Arts (a.a.O. Abb.2) lässt vermuten, dass bewusst lokale Stile kombiniert wurden, um die Vernetzung darzustellen.

– der unerwartete offene Bezug auf eine bunte Gruppe von Vorfahren – real oder fiktiv – worin ein Alunga-Tänzer besonders herausgehoben wird. Dessen Figur muss ohnehin bereits für mehrere andere ‚Enkel’ im Bündel des Alten stehen.

Die Figur zitiert doch einen Alunga-Tänzer, der auf einem Hocker Platz genommen hat, oder?

Die ‚klassische’ Alunga-Maske  zeigt bekanntlich vier große stilisierte Eulengesichter (vgl. die Abb. im Artikel ‘Schleichkatze’!). Für die Darstellung ihres Tänzers fallen zwei seitliche Maskengesichter weg und die Spiegel um die Augen sind formal vereinfacht,  die Grate, die mich an einen altertümlichen Kompass erinnern, fallen weg. Damit entspricht aber der Gesichtstyp – mit stöpselartigen Augen, der Nase-Mund-Partie, einer senkrechten Kante auf der gewölbten Stirn,  und dem eingeflochtenen Stroh dem meinem Kalunga-Januskopf, der auf einem langgezogenen Hals sitzt.

Ich habe Biebuycks Standardwerk über die “Pre-Bembe-Hunters” (1981) nicht vor mir, aber ein Begleittext in einem Auktionskatalog bezeichnet explizit kalunga als eine von mehreren miha, Wassergeistern und gibt das Buch von Biebuyck an. Kalunga-Figuren sollen vom Heiler ‚verschriebene’ Fetische sein. (Zemanek, 68.Tribal Art, lot. 303)  Frage: Hat dieser vom Heiler beschworenen Wassergeist  ‘kalunga’  mehr als den Zuschnitt seines Gesichts mit dem Verein von Iniitiierten  Alunga’ gemeinsam? Und was?  Hat er dasselbe beschränkte Verbreitungsgebiet? Ich muss Sie noch um Geduld bitten. (23.7.)

IMG_7198 Kalunga seitlichIMG_7200

 

 

Erste Notizen im Februar 2015

“Das Bild der Figur ist mir seit langem vertraut, auch so ein Wunschbild wie andere, den Beleg habe ich noch nicht gefunden. Gerade bei Tageslicht im Freien entfaltet sie ihre Wirkung in ihrer Schnörkellosigkeit. Und immer wieder mit ihrem überraschenden Gewicht (1280g), ich weiß nicht, warum. Der Ausdruck ist dramatisch: die großen Augenhöhlen und stark hervortretenden Augen in dem herzförmigen Gesicht mit dem unverwechselbaren Mund. Der lange schlanke Hals ist elegant, die rote Bürstenfrisur über der hohen Stirn attraktiv. Sie ist 28cm und mit Borstenfrisur 34 cm hoch. Der frische und schön geflochtene Schopf ist bereichernd. Wird das Schönheitsideal der Frauen bewusst aktiviert?”

Spontan assoziiere ich ein ‚Fischgesicht’ – und erkenne es dann überall wieder. Die beiden dominierenden Glubschaugen in farblich abgesetzten Ovalen lassen Raum für einen nasenloses und kinnloses dreieckiges Fischmaul: Also ein Fischkopf auf einem schlanken Hals. Die schiefe Ebene des Mundes scheinen in einer unter den den Augen gelegenen Höhlung zu verschwinden, waagrecht zum Hals, der ein konventioneller Ständer ist. Die Fransen zwischen den Halbköpfen haben etwas von Kiemen. ‚Wassergeist’ könnte dergestalt in dem lokalen Schema von flachem herzförmigem Gesicht, hervortretenden Augen und tiefgesetztem kleinem Mund Gestalt angenommen haben. Mit der eleganten Frisur, dem langen schlanken Hals und den großen ausdrucksvollen zugleich ein weibliches Wesen. Ich denke an Märchenbuch-Illustrationen aus der Kindheit.”

 

Formale Vergleiche

Bei Felix (100 Peoples…) erscheint eine kalunga schematisiert als Nr.1 der Zeichnungen, (25cm): (Art Style:) black white and red, large concave eyes cavities, hyperstylized, semi-heavy wood.  8.2.15

Bembe -tribal-art-auktion.de:5723-70TribalArt-377lot

Zemanek 70. Lot 377 (nicht mehr erhältlich) , auch nur 20cm wie 303, zeigt einen gröberen Hals mit undiszipliniert gezogenen Kanten, bei den zwei sichtbaren Augen eine glatte wie abgeschlagene Front wie bei meinem nur an einem Auge und ist auf der entsprechenden ursprünglich geweißelten Seite grobschächtig von dem dunklen Überzug befreit worden, wie ich es bei meinem Exemplar nicht ausgehalten hätte. Er hat in seiner Grobheit und kleinen Dimension eine Würde. Mit 2-4000 € war er deklariert.

 

Bembe:tribal-art-auktion.de:auct.166,Lot203:5591-021

Bembe:tribal-art-auktion.de:auct.166,Lot203:5591-021

Bei Zemanek-Münster (68.Tribal Art, Lot.203) ist eine im Bau ähnliche Figur mit langem konisch zulaufenden Hals, der Kreis in neun Felder aufgeteilt, dokumentiert, aber mit bärtigen Köpfen geschnitzt, bei den Basikasingo*  geschnitzt und in Burundi erworben.

  • * siehe oben ‘Masterpieces…’: ‘Mishi’

 

0001Z7.bembe-kalunga

Bwoom hat unter Nr.14102 eine kurzhalsige kalunga-Figur im Angebot. Bei gleicher Höhe (34 cm) und großem Kopf (50% der Höhe) wirkt sie ‘kindlicher’ und zugleich schwerfälliger als meine Figur. Sie wird aber in voller Größe eindrücklich sein, hat bei gleicher Höhe mehr Masse und ist mit 3.800 g – meine bringt mit 1200 g weniger als ein Drittel davon auf die Waage –  wirklich aus ‚extrem schwerem Hartholz’. Sie ist erkennbar älter als meine, tendiert also in Richtung der Miniatur auf dem Flohmarkt.  Vom Abstellen und Aufbewahren zeugen die Termitenspuren auf den Unterseiten.

Bwoom Kalunga

Bwoom Kalunga

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Kalunga Miniatur, etwa 10 cm

Kalunga Miniatur, etwa 10 cm hoch

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