Die erste wegen ihres groĂen Erfolgs ausgekoppelte ‚Single‘ aus dem Album „Sammlergeschichten“ vom 19.8.15
Es waren einmal zwei Unkundige, KĂ€ufer und VerkĂ€ufer (Glauben wir ihm und vermuten Inzahlungnahme), die wollten nicht verstehen, als ein Passant bemerkte: berĂŒhmt, sehr selten, Reliquar. Der KĂ€ufer recherchierte die nĂ€chsten Tage im Netz und in der Bibliothek. Die Recherche fĂŒhrte nicht nur nach Kongo Brazzaville, sondern nach Gabun. Da wurde ihm mulmig, erst recht, als er die Mbete als arme Vettern der seit einem Jahrhundert berĂŒhmt-berĂŒchtigten sĂŒndhaft teuren Kota und Fang kennenlernte. Nur die ethnographische Erforschung schien einen Bogen um die Leute gemacht zu haben. Ihr Kult mit den Knöchlein der Verstorbenen sei lange ausgestorben, behauptete der Platzhirsch unter den Experten, Louis Perrois. Woher wusste er das? Es gebe nur eine Handvoll Originale und die habe ein gewisser Kolonialbeamter, Aristide Courtois, nach der Jahrhundertwende direkt an ein paar erste Adressen in Paris und New York geliefert. Das las der KĂ€ufer anlĂ€sslich der PrĂ€sentation von ein paar Exemplaren der Sammlung Barbier-Mueller in der hochfeinen Revue Arts et Cultures (2004, Sondernummer). Er suchte Trost in der Tatsache, dass sein Exemplar (fast) alle stilistischen und ikonographischen QualitĂ€ten aufwies, die âden Originalenâ beigelegt wurden, was man von dem knallbunten Angebot im Netz nun wirklich nicht behaupten konnte. BloĂ das schwere Holz, auf das er stolz war â er selber hĂ€tte es fĂŒr die Knöchlein seiner Ahnen verwendet â widersprach dem fĂŒr die âOriginaleâ angegebenen Leichtholz. Ihm kam schon der Verdacht auf, der bereits in Rubins âPrimitivismusâ (1985) erwĂ€hnte geschĂ€ftstĂŒchtige Kolonialbeamte habe die Schnitzer zur Eile angetrieben oder die Frachtkosten senken wollen, da fiel er aus allen Wolken. Eine weitere Hochglanzpublikation, Katalog einer Ausstellung der Portheim-Stiftung in Heidelberg, wurde auf einschlĂ€gigen Webseiten von Experten in der Luft zerrissen. Kenner hatten bereits â unerhört â 2005 auf der Vernissage protestiert. Der Eklat ging damals durch die Presse. Zwei Drittel der Exponate sollten FĂ€lschungen sein, wohl gewiss die notorischen Kota und Fang, aber niemand ging in die Details. Von den Ambete oder Mbede sprach wieder keiner, dabei sahen die auf schwarzem Grund genauso gut aus wie die in Genf. Der KĂ€ufer scheiterte also tragisch an den Klippen Gabuns, die er ĂŒber zwanzig Jahrelang ganz weit umschifft hatte. Jetzt reichte es ihm: Sein vermeintlicher HinterwĂ€ldler auf Hochglanzparkett, das Reliquar als umstrittene Reliquie und auch noch verdĂ€chtige Experten! Er hatte zwar nun eine ausfĂŒhrliche Dokumentation zusammen, aber die war nutzlos. Da auch die bisher ĂŒbersehenen kleinen SchwĂ€chen wie fehlende ZĂ€hne und Gebrauchsspuren ihm immer unertrĂ€glicher wurden, wollte er bereits das StĂŒck in den Main schmeiĂen â bei KĂ€ufen in der NĂ€he des Main geht das immer â doch er durfte es zurĂŒckgeben. Er klĂ€rte den VerkĂ€ufer ein wenig auf, aber der will ja auch leben. Selbst fĂŒr eine gute Kopie des klassischen Typs ist der ReliquarwĂ€chter wirklich nicht teuer. Es gibt selbstverstĂ€ndlich auch andere, vertrauenswĂŒrdige âAmbetesâ in der Welt, vielleicht jĂŒnger, die er inzwischen gesehen hat, aber er will mit der ganzen Familie nichts mehr zu schaffen haben.
Die fehlende Abbildung wird garantiert nachgeliefert