Yombe-Nkisi – 15 cm hoher Holztorso EX

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An die Beschreibung der anthropomorphe male figurine machte ich mich am 13.6.16 nach einigem Zögern. Da wollte ich das Figürchen bereits wieder in Tausch geben: Eine Miniatur mit kurzem Hals, Kopf und einer eckigen Kappe (‚Fez’), zwischen Torso und Ruine oszillierend. Ich nehme momentan an, die Halbfigur sei Bestandteil eines Medizinpakets.

Inspiriert ist dieser Eindruck von den Zeichnungen in Wyatt MacGaffey: Art and Healing of the Bakongo – Minkisi from the Laman Collection, Folkens Museum Ethnografiska Stockholm, 1991.

Viele Minkisi haben gar keine Figuren, bestehen nur aus Beuteln, Kalebassen, Muscheln etc., einige haben Figuren, manche konventionelle kleine Nkisi, keine ist ihr ähnlich, die Titelfigur (= Lunkanka p.124f.) mutet mit ihrem aufgebundenen Krimskrams und dem vorne gut sichtbaren Rumpf ein wenig so an, wie ich mir das bei meinem Fetisch vorstelle, aber was sagt das schon? Es existierten so viele unterschiedliche, dass hunderte aufgelistet werden konnten.

Die Haltung ist stark, vor allem die Geste der erhobenen Arme zusammen mit dem Gesicht expressiv.

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Das hat Heinz neben der Farbigkeit sofort fasziniert. Der 5 x 3,7 x 4,2 cm kleine Kopf ist rund in der typischen Form der Yombe. Augenbrauen und Nase sind beherrschend, Augen und Mund sind plastisch konturiert und weiß überhöht. In die 0,7 cm breite Mundöffnung sind Zähne eingekerbt, so grob zusammengehauen die Figur auch ansonsten sein mag. Der abgesetzte Fez ist schwarz (charcoal), das Gesicht bis zu den ausgeprägten Ohren tiefrot. Daraus leuchten Augenweiß und Mund – alles aufgefrischt. Hinterkopf wie Torso sind weiß angestrichen. Das sagt nichts über Farbschichten und Abrieb.

Ein großer Rippenbogen bildet mit senkrechten Kanten jeweils unter den Armen einen massiven Block. Im eingekerbten Brustbein hat sich Kaolin gesammelt. Darunter sind orangefarbene und rote Fetzen Stoff (European cloth, p.125) als Lendentuch um die Hüfte geschlungen und so geklebt und angenagelt, dass man nur an einer Stelle die glatte Unterseite des Torsos freilegen kann; beide Fetzen sind löchrig und verschlissen, ‚kein’ Geruch. das vorn und hinten ist und auf 2 cm lang angeklebt worden ist, auf die abgesetzte schmalere Hüftpartie, auf der sich verborgen ein Penis vorwölbt. Die Figur wirkt wie beinamputiert.IMG_3497

Angenagelte erhobene kräftige Arme bis zu einer Gesamtbreite von 13.5 cm. Alte übermalte starke Fraßspuren am rechten Arm vorn und an der Hand, an der Linken ist der Bereich Zeige- und Mittelfinger ausgebrochen, trockenes Holz! Fraßspuren (alt) am Rücken. Ausgerechnet der zerfressene Arm scheint ersetzt worden zu sein. Er passt nicht in den entsprechenden Einschnitt des Torso. Das Loch einer früheren Nagelung ist sichtbar; die hat den Arm aber asymmetrisch fixiert. Der andere Arm ist etwas vertikal zu bewegen, der ersetzte nicht. An den beiden erhobenen Armen ist zu bemerken, dass die eine ‚Höhlung’ bildenden Handflächen zurückgewendet sind. Die Innenflächen schauen zum Gesicht und daran vorbei nach hinten.

Ich hoffte dem Fetisch durch Beschreibung näher zu kommen. Inwieweit ist mir das gelungen? Ich hatte ihn als ungewohnte Gestalt und Machart nach all meinen Yombe-Studien mit zwiespältigem Gefühl als Unikat erworben, ich wollte auch den seriösen neuen Verkäufern eine Geste machen und zugleich auf dem gegenwärtigen Sammelgebiet bleiben. Sie hatten kein irgendwie ähnliches Stück dabei.

Es wirkt als disparate Einheit, aus dem Kult genommen und seiner Medizinen entledigt, aber nicht aufgefrischt oder unbedingt aus Fragmenten für den Verkauf zusammengesetzt, obwohl ich das nicht ausschließen kann.  Ist es dafür zu ‚hässlich’ und billig? An die gefühlt sehr ungleiche Unterseite könnten ursprünglich auch feste oder angenagelte Beine angesetzt gewesen sein sein, die inzwischen verloren gingen. Der ‚ersetzte’ Arm könnte einer noch stärker zerstörten baugleichen Figur entnommen sein.

Das Geheimnis – auch des Kontextes – liegt unter dem Schurz verborgen. Der Torso ist nackt und pigmentiert, und hat nie eine ‚Ladung’ getragen. Höchstens um den Hals, wobei der ‚Wollfaden’ immer noch ein metaphorical material (MacG. p.5) darstellen kann. Am ehesten kann ich mir diese Halbfigur auf einem Paket vorstellen, aufgebunden, daran abgestützt oder mit einem – verlorenen – Sporn aufgesteckt. Denn sie hat nicht wirklich eine Standfläche.

P.S. ‚Das (Larven)gesicht der herrschenden Klasse’? Die kleine ‚Marionette’ geht gegenüber dem Szepter fast unter. Dabei war Heinz von ihr ganz begeistert und sagte, sie passe haargenau in meine Sammlung.

Africa Screams-167-'Kannibale'

Africa Screams-167-‘Kannibale’ Yombe?

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