14.12.2014 Gesamthöhe 35,5 cm – Kopf 11 Rumpf 20 Sockel 4 cm – Durchmesser Sockel 12.5 cm
Erste oberflächliche Untersuchung
Die Form einer Spielfigur, wie sie beim Kegeln (bowling) verwendet wird. Unterhalb des Kopfes ein achteckiger Zylinder, der sich beiderseits nach der – leicht versetzten – Mitte verjüngt. Bei jeder Beleuchtung ist er durch seine deutlichen Kanten abwechslungsreich strukturiert. Die Kanten sind weich. Spontan fasse ich ihn dort an.
Auffallend leichtes Holz, dunkel patiniert/gebeizt, Stirn und Gesicht gegenläufig rot und weiß gefärbt, mehrere Schichten. Kanten abgerieben, kaum verkrustet. Auf der Schädeldecke ahnt man mit Harz verschlossene Öffnung oder Fehlstelle. Ausgesprochen sicherer Stand.
Das Gesicht ist oben durch seine hervortretenden Augenbrauen und die gerade Nase herzförmig, unten aber begrenzt es ein abgeschnittenes markantes Kinn, das von der Seite gesehen dezent vortretend. Augen und Mund sind Schlitze, die Augen rechteckig, der Mund kleiner und eher ein Oval. Die Nase ist unten so zugespitzt, dass man Nasenflügel zu sehen meint. Das Gesicht ist ganz flach. Der Kopf zeigt zwei gerade Kanten. hinten ist er rund wie ein Kegelkopf. In der Mitte stehen die Ohren als kleine Kegel (geometr.) hervor. Die Formen und ihre Winkel wirken ruhig, das Gesicht gesammelt und in sich versenkt. Ich denke zuerst an die Yanda bei den Azande, aber stelle die Frage zurück.
Recherchieren
Beim Blick in die Handbücher stößt man auf technisch anspruchsvolle Figuren in gekrümmter Haltung. Für die sind die Mbole in der Kunstszene berühmt. Arnold Rubin stellt in „Primitivismus“Alberto Giacomettis Kreation ‚Mann’ (40 cm hoch) von 1929 Abb.777 und mögliche Inspirationen vor (vgl. Abb. 775 und 776), In Kerchache/Paudrat: Die Kunst des schwarzen Afrika ( S. 582 ) heißt es, die Arme lägen an, wirkten dabei ‚unbrauchbar’. Bei meiner Figur gibt es aber keine. Freilich: ‚Das herzförmige Gesicht’ ist unverkennbar. Ob an meiner Figur vielleicht doch eine ‚Hochfrisur’ mitgedacht ist, die die gestreckte Silhouette noch ‚akzentuieren’ würde, möchte ich nicht ausschließen (vgl. Abb. 169/170, hier unten rechts).
In einer Gesichtsmaske der Mbole (ebd. Abb. 658, hier Mitte) eine noch radikaler reduktionistische Entsprechung.
Meine Kegelfigur, deren geometrische Figur wie unter einem schwarzen Talar steckt, ist jedenfalls eine „Vertikalplastik“ ohne jeden formalen Schnickschnack.Es sind nur noch Winkel, die Hals, Brust, Bauch und Unterkörper definieren. Es ist das angehobene Kinn, das die selbstbewusste Haltung am Kopf fortsetzt.
Welche Rolle spielen die abstehenden Ohren? Formal geben sie der Seitenansicht einen Akzent und generell dem Kopf – zusammen mit den Augenbrauen – die männlich entschlossene Note, und ganz gewiss ‚hören’ sie ebenso, wie die tiefen Augenschlitze ‚sehen’.
Doch dann gilt unsere Aufmerksamkeit dem weißroten Gesicht, dessen ‚realistische’ leichte Asymmetrie, von den Schnitten an der Nase vorbereitet: Der kleine Mund ist leicht schräg und nach links versetzt. Die rote Fläche ragt über die Hälfte nach rechts, sodass nur der rechte Mundwinkel ins Weiße ragt. Keinerlei Schematismus. Auch die Rückseite der Figur spricht.
17.12.14
Nach dem Studium des Aufsatzes von Daniel P. Bierbuyck ‘Sculpture from the Eastern Zaire Forest Regions: Mbole, Yela, and Pere’ (African Arts Oct.1976 T.X,1 Frobenius: Ps XXIV 169) wird es ernst. Dort geht es zwar speziell um die oben angesprochene berühmte Figur des ‚Gehenkten’, die in der von ihm eindrücklich geschilderten Initiation der männlichen Jugend ihre herausragende Rolle spielt. Von arm- und beinlosen Figuren ist zwar nicht die Rede, aber so eine Figur kann auch aus der ethnisch bunten Nachbarschaft stammen*. Dass sie als persönlicher Fetisch eines Geheimnisträgers oder Heilers funktioniert hat wie ähnliche Figuren bei den von Burssens beschriebenen Azande, wäre eine mögliche Hypothese. Die ‚Geheim’gesellschaft ‚Mani’ hat nach seiner Übersichtskarte bis aufs andere Ufer des Kongo ausgestrahlt.
* Kerchache und Paudrat fassen Biebuyck folgendermaßen zusammen:
2.1.2015
Unentschieden zwischen Mbole und Djonga (Tetela-Hamba-Gruppe)
Eine Abbildung im Katalog ‘Arts d’Afrique – Voir l’Invisible’ des Musée d’Aquitaine in Bordeaux 2011 setzt mich auf eine neue Spur, die von der Angabe des Händlers über den Lualaba nach Westen führt und nun ein Beziehungsdreieck bildet: Geheimbund Mani im Norden, die Mbole im Osten und Jonga im Westen. (Fortsetzung unten)
Zunächst die stilistischen Argumente.
Die Kegelform – der auch die angelegten Arme angepasst sind – und die Farben, dann der Gesichtsschnitt, im einzelnen die Augenpartie und der kleine Mund, die kleinen hervorstehenden Ohren und die glatte Frisur (oder Kappe). Die Erweiterung um die Geste der Hände passt zu einer größeren Figur (45 cm Höhe).
Im Internet bietet die Bwoom-Gallery eine interessante weitere Figur der Djonga an, 75 cm hoch, beträchtlich schlanker, aber ansonsten beiden anderen Figuren sehr ähnlich, in der hohen Kopfform, dem Gesicht mit den markanten Augenbrauen, die mit der Nase einen ‘Anker’ bilden, dem kleinen Mund und der markanten Kegelform, gerade auch in der Rückansicht. Die Ohren sitzen auch in der Mitte des Kopfes. Die schräggestellten Augen und das Stirntattoo stören mich nicht. Auch hier der Wechsel von weiß und rot auf ehemals schwarzem Grund.
Bwoom-Angebot, Objekt Nr. 97102
Hurra, da sind ja die Ohren! 4.Januar
Zemanek-Münster, Würzburg : Jonga-Würdestab:pics.tribal-art auktion.de:5855-002
Wanderungen – wovon auch immer
Ein Textausschnitt, den das www.congoforum.be aus einem ungenannten Werk zu den Fragen der Wanderung der Tetela-Hamba und diverser Untergruppen wie der Djonga publiziert*, spricht davon, dass die Wanderungen in die heutigen Siedlungsgebiete im Kasai Oriental im Norden begonnen haben, an der Mündung des Lomami in den Lualaba (Kongo). Speziell über die kleine Ethnie der Djonga (1950: etwa 6000 Seelen) sind die Gelehrten uneins.
*Herkunft der Djongo:congoforum.be
Wenn entsprechend der Karte von Burssens die Ausbreitung der Mani-Sekte (Azande) weit in beide hypothetischen Entstehungsorte der Figuren hineinreichen soll, besagt das noch wenig. Der Gebrauch von Figuren im Initiationskontext (Bwoom) und bei der Bestrafung von Übeltätern durch eine Geheimgesellschaft (‘Voir l’Invisible’) war zumindest weit verbreitet. Vielleicht bieten Forschungen über die hier erwähnte Geheimgesellschaft ‘Nkum Okunda’ der Djonga Informationen für beide Richtungen.