Yanda-Figur der Azande, die erste

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Yanda-3:4.neu                 Yanda-1 <18.10.14

Erwerb

Zwischen den zahlreichen dunkel gebeizten Figuren am Stand fiel sie mir mit einem Mal auf. Sie schien aus einer anderen Welt zu stammen – in der Spannung zwischen ausgeprägtem Kindchenschema und irritierenden Details wie unterschiedliche Färbung der Gesichtshälften, funktionslose Armstümpfe sowie Nagelköpfe, die Bauchnabel und Knopfaugen darstellten. Ich brauchte einen zweiten Anlauf vier Wochen später, um mich für sie zu entscheiden. Der Hinweis ‚Azande’ ließ mich in ‚African Reflections – Art from Northeastern Zaire’ Schildkrout/C.A.Keim 1990) blättern, wo ich (p.222) auf eine Abbildung und den Satz stieß: ‚Small abstract figures were used in the mani secret society, which spread among the Azande after the turn of the century’. Über das Register der Frobenius-Bibliothek und eine hauseigene Publikation von Hermann Baumann (1979) stieß ich auf die Monographie von Herman Burssens, die hier jahrzehntelang niemand ausgeliehen hatte: ‘Yanda-Beelden en Mani-Sekte bij de Azande’ (1962).  Heute sehe ich meine Figur inmitten einer Heerschar von Yanda des Mani-Bundes. ( > Beitrag über meine zweite Yanda-Figur )

 

Beschreibung

Maße: Höhe 20cm, verteilt auf Kopf 7 cm, Rumpf einschließlich Bauchring 9 cm, Beine 4 cm. Größter Durchmesser 7,5 cm am Hüftring.

Irgendwie konisch geformter Kopf, über den sich hinten eine stumpfe waagrechte Kante zieht, mit ausgeschnittenem Gesicht in auf das Kinn spitz zulaufender Herzform,. Deren Seiten weisen auf kaum angedeuteten Ohren. In den entstandenen breiten Flächen  stehen Augen, Nase und ein kleiner Mund dicht beisammen. Die beiden Hälften sind stark konvex, sodass die runden Knopfaugen tief zu sitzen scheinen Darüber wölbt sich die Stirn. Auf der rechten Oberseite fehlt dem Kopf Material, ein alter Schaden, der zugeschmiert wurde. Die eingefallenen Wangen sind betont durch rote (rechts) und weiße (links) Bemalung. Überall sonst ist die Figur von farblich undefinierbaren dünnen Schichten fleckig überzogen.

Der Rumpf ist halslos und mündet ohne jede Andeutung von Schultern in kurzen Armstummeln. Am Rücken bildet eine sanfte Mittelkante vom Kopf abwärts einen leichten Buckel. Der Rumpf wird erstens durch einen 1,5 cm weit vorstehenden Bauchnabel dominiert. Er ist grob geschnitten und mit einem breiten Nagelkopf abgeschlossen. Hüften und (hypothetisches) Geschlecht sind zu einem Ring gerundet, der etwa 1,5 cm absteht und spontan an einen Schwimmreifen erinnert. Der zweite Akzent! Dabei geht der bloß durch einen gebogenen Draht gebildete  Schmuck fast unter. Häufig sieht man stattdessen bunte Perlen- oder Eisenketten. Der zu einem aufgeschnittenen Kegel vereinfachte Beinbereich suggeriert breitbeiniges Stehen.

Haltung:    Yanda-1_lks Yanda-stl.-neu

Die Außenlinien der kurzen Arme ergeben zusammen mit dem vorgestreckten Bauchnabel und der Breitbeinigkeit eine entschlossene Haltung. Das Gesicht wirkt konzentriert. – Die durchschnittliche Größe der Yanda-Figuren – Burssens zufolge 20cm – erstaunt mich immer aufs Neue. Diese ist ein Kraftpaket, darüber können die geringen Maße nicht mehr täuschen.

 

Vergleiche ziehen!

1

Beim Vergleich mit meiner zweiten Yanda-Figur schwanken Einschätzung wie Sympathie zwischen beiden. Ästhetisch ist der Kleine eine Verbindung unterschiedlicher Formen, die sich nur umschreiben lässt. Ist das nun ‘komplex’?  Und sein Äußeres wirkt bei der geringsten Beschädigung schäbig, und so war es auch bei der ersten Begegnung. Vor allem zwischen Konkurrenten mit satter Patina (warum auch immer). In geschützter Umgebung, in der sie ihre Wirkung entfaltet, erscheint die Figur in positivem Sinne dünnhäutig, verletzlich.

 

2                                                                                                                  

Yanda-v.neu  Yanda-10,5cm   

Schnuckelchen! Michel Leiris / Jacqueline Delange: Afrika (Reihe Universum der Kunst, C.H.Beck 1968,; (in Farbe dieselbe Figur in: The Art of Central Africa (Introd.W.Fagg, Unesco-Kunstbüchlein o.J.) 

Frappierende Übereinstimmungen finden sich in Körperbau, Materialien, Gesichtsdetails. Die Unterschiede werfen für mich fragen auf. Die Antwort auf die ‘Bedeutung’ der großen ‘Kulleraugen’ mag banal sein: keine kleineren Nagelköpfe zur Hand – aber der Ausdruck ist durch die Größe des eingeschnittenen Mundes, die tief gesetzte große Nase und besagte Augen ein ganz anderer, sagen wir neugierig, wach, liebreizend.  Gleiches gilt für den koketten Schmuck und den eleganten Hüftschwung. Nicht übel für einen Hilfsgeist!

 

3        Karte: Ausbreitung der Mani-Sekte                               

Burssens Karten      Burssens Objekt 132     no.132

Burssens’ großer Abbildungsteil enttäuscht, weil fast allen vergleichbaren Figuren die Arme fehlen, doch die Nr. 132 ist in mehrerer Hinsicht interessant: Erstens gleicht sie der Kleinen unter 2, obwohl sie mehr als doppelt so groß ist (25 cm). Burssens hebt übrigens eine vertikale Rinne im Rücken hervor. Zweitens benennt er den Ort, an dem sie 1956 von Loose gesammelt worden ist: das Dorf Bagooi – in der Nähe von Tingolo im Kerngebiet der Mani > Karte oben – und  sogar Besitzer: Balikenge, sowie Schnitzer: Ngambu.

4

Yanda-Auktion  Neumeister München, Auktion 50, 10.11.2011 Los Nr.591 

Die Figur ist mit 29,5 cm um ein Drittel größer als meine. Sie wirkt schlank und asketisch,  beschränkt sich an Materialien auf Holz und Pigmente – Rot und um die Augen Weiß – hat keine Nägel, keine Schmucklöcher rechts und links.  Die Augen sind als Hügel stehen geblieben. Ich bin versucht zu sagen: kein Schnickschnack. Die Schnitzerei ist professionell, in der Verteilung der Massen, in Linienführung und Plastizität, im Verhältnis von Glättungen und sichtbaren Schnittkanten. Anstelle des dominanten ‘Bruch’nabels ein glatter, straffer Torso, der vom summarischen Geschlecht (m oder w?) und den beiden Knien und  kurzen Unterschenkeln begrenzt wird. Eine dynamische und konzentrierte Haltung. Auch die Armstummel wecken nicht das Kindchenschema, wie so viele Figuren in Burssens’ Abbildungsteil. Auch die Größe ist ungewöhnlich. Ist es überhaupt eine Yanda? – Bei alledem vermeine ich eine Familienähnlichkeit zu erkennen.

 

 

Feldfotos – Objekte im Ritual – Masken     

Burssens Tanz2Masken

Mani-Tanz2-IMG_5465 ManiTanz1-A aus Tf.XIII

Auf Tf. XIII haben die zwei Masken  breite und flache Gesichter, die linke ein trapezförmig geschnittenes Gesicht wie die Yandafigur. Möglicherweise ist die Augenpartie weiß hervorgehoben.  (Mani-Zeremonie bei der Ortschaft Bili 1952-54 aufgenommen, Foto: De Loose)

 

 

Entfernte Verwandte – gegenseitige Beeinflussung und Inspiration

Burssens zeigt auf der letzten Seite des Tafelbandes auf Tf. 432 unter anderen Figuren benachbarter Völker auch eine Frauenfigur der Gbandi, 48 cm hoch, um zu zeigen, ‘que le style des sculptures Yanda est un autre.’ (Textband p.223). Ähnlichkeiten räumt er ein. – Mit seiner Feststellung markiert Burssens zugleich die Grenzen seines Forschungsgebiets.

Abb.432-Gbandi

Beispielsweise diese Gbandi : Das Gesicht einer Verwandten! Die Gbandi sind Nachbarn im Westen flussabwärts von Rafai. Ihr Siedlungsgebiet grenzt im Norden an das der Banda.

 

 

 

 

 

Die Autoren Zwernemann und Lohse (Aus Afrika, Hamburg 1985)  zeigen eine andere Perspektive: ‘Untypisch für Zande’? – Rafai war die Wiege der Mani-Sekte. Was lag näher, als die Besonderheit der ‘neuen’ Botschaft durch Übernahme von fremden Elementen auch sichtbar zu machen! – Auf Unterschiede gehe ich nicht ein. Mir fällt erst einmal der Kopf auf, seine Herzform, die weit vorragenden Ohren, die schweren Augenlider und der Ausdruck tiefer Versenkung. Man kann die Körperspannung erwähnen, den prominenten, wenn auch diskreten Nabel, die nicht-realistisch gestalteten Arme. Der Bauchring ist vorn für das weibliche Geschlecht geöffnet. Die Beine sind in einem Stück bogenförmig gestaltet, aber lang.

           Zwernemann/Lohse : Aus Afrika, Hamburg 1985 – unten >

ZandeFigur-Rafai

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Yanda-Figur der Azande, die erste

  1. Klaus Scheuringer

    Guten Tag,

    sehr ambitioniert beschrieben, interessant.
    Sie wissen natürlich, das 99 Prozent dieser angebotenen Artefakte Nachbildungen, bzw. für den Verkauf angefertigt worden sind, und somit nicht authentisch im Sinne von im Kult verwendet worden sind.

    mfg. Klaus Scheuringer

    Antworten
    1. dvg Beitragsautor

      Sehr geehrter Herr Scheuringer,
      unseren Briefwechsel habe ich soeben im Blog unter “Streit über afrikanische Kunst – dank Kommentarfunktion” hochgeladen
      mfg Gv

      Antworten

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