Brief, dem langjährigen Hausmeister des Neubaus der AKS (seit der Einweihung) bei seiner Verabschiedung überreicht. Als Spartaner hat ihn leider nicht kommentiert. 15.3.2014
Kronberg, den 23.7.1997
Lieber Herr Geis,
Sie gehen, Sie ziehen sich zurück – ich kann das noch gar nicht wahrhaben.
Seitdem ich diese Schule „besuche“, seit 21 Jahren, waren Sie für mich der Zweite Mann , sozusagen der Erste Offizier an Bord. Was immer Bildungspolitiker, Schulamt, Direktoren oder Fachkollegen verordnet oder verabredet haben : Es mußte ja irgendwo stattfinden : eben hier in diesem Gebäude und zu Ihren Dienst- und Überstunden .
Ich bin traurig, Sie zu verlieren und mir ist nicht nach Anekdoten zumute, die auch nicht spektakulär wären. Für mich … haben sie dem Ganzen einen Halt gegeben.Sie haben den Laden „gehalten“ , der schon immer zu groß, zu anonym war, um bei Schülern und Lehrern soziales Verhalten schlicht und einfach auszulösen.Manche haben mit Erfolg etwas in diese Richtung versucht, aber wir werden uns mehr anstrengen müssen, und andere nach uns, Denn „Schule“ ist eine unendliche Geschichte, ein Kommen und Gehen.
Daß wir persönlich über unsere unmittelbare Gegenwart und Anstrengung hinaus so wenig bewirken können, ist eine traurige Realität , aber auch eine Mahnung:
Lassen Sie nun los und lassen Sie es gut sein. Ihre Frau muß sich ja auch von dieser Aufgabe „AKS“ trennen – zu zweit wird es leichter sein.
Frau Geis, wer wird uns jetzt das Essen warmmachen und die Kaffeetassen zusammenräumen?
Am Ende zählen doch nur die Menschen. Der „Bau“ zerfällt in größerem oder kleinerem Tempo, er wird belebt, er wird periodisch bevölkert und geleert, verschmutzt und gereinigt; in Übungen wird seine Rettung geprobt; was immer „ihm“ zustößt, wenn er auch leidet, er „empfindet“ nicht. „Wir“ haben ihn nie gemocht; ich meine : Das war die vorherrschende Auffassung; und es lohnte nicht, dagegen anzureden.
In Wahrheit ist der Bau Teil von uns allen geworden – wer wohl alles von ihm träumt, ohne es einzugestehen? Der Bau ist unser Gefängnis , aber auch unser Regenschirm ( Wissen sie noch, diese Eimer überall?), unser Asbest-Krebsrisiko – offiziell anerkannt – ( doch gern kehrten wir aus Stierstadt zurück!) aber doch auch das Theater unserer Selbstdarstellung, unserer Niederlagen und Siege, Hoffnungen und Enttäuschungen. Was war nun Ihre Rolle darin?
Dem Interessenkonflikt zwischen dem „Bau“ und seinen Benutzern einen Rahmen zu setzen, den Konflikt in Grenzen zu halten; die Schäden ebenso. Sie haben die Balance gehalten, was nie leicht war; auch nicht als Direktor Bechtold noch im Sinne der Klimaanlage persönlich für geschlosseneFenster sorgte. Aber ein Bau ist nur ein Bau, wie ich schon gesagt habe.
Sie haben uns gut organisiert, Herr Geis. Vielleicht müssen wir den Bau nun doch adoptieren, wenn Sie ihn verlassen. Ich gönne es Ihnen, daß Sie ihn verlassen, daß sie mit Ihrer Privatsphäre nicht mehr auf seinem Dach angeschmiedet sind.
Sie gehen…
Beim Durchsehen der Fotos bemerke ich: Auch wir gehen, nicht nur die heute reif für die Insel oder die Pensionierung sind – wir alle gehen, wir sind mehrheitlich nur noch nicht am Ausgang angekommen.
Mancher von uns ist hier in dieser Schule ein ganzes Stück älter geworden, und ich hoffe bloß, daß unter unserer nun rauheren Schale und den ausgeprägteren Profilen noch etwas vom Leben der Jugend pocht. Wie schön sind wir einmal gewesen; wieviel Energie ist so im Laufe der Zeit durch uns in diese Schule geströmt – und Sie haben uns – väterlich – begleitet!
Wir werden sie sehr vermissen. Alles Gute! Ihr v.Graeve