Schulsprecherwahl am 4.9.99 (Tagebuch)

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Es fand jahrelang eine direkte Wahl des Schulsprechers und seiner Stellvertreter aus Kandidaten statt, die sich an einem ganzen Vormittag den Schülern der drei Jahrgangsstufen je zwei Schulstunden lang  vorstellen mussten. Ich weiß nicht, ob es nicht heute noch so abläuft.   15.3.2014   

 

Ein schrecklicher Tag wie immer: Ich finde mich zerrissen in beiden Lagern wieder: bei den konstruktiven Kräften der Ordnung ebenso wie bei den Protestlern. Ein zweites Mal ist die Oberstufe von den  „Zwergen“ demokratisch besiegt worden, setzen sich Populisten durch; dabei ähnelten sich die „Teams“ diesmal  in ihrer Konzeptionslosigkeit, Mangel an Prioritäten; die „Kleinen“ waren vielleicht ein wenig frischer, aufmüpfiger, aber erscheinen schwächer, wenn es um eine Durchsetzung von etwas geht.

Die Oberstufe hat – ab 12 jedenfalls – die AKS aufgegeben und pflegt den Zynismus. Desorientierung herrscht bei den Schülern, und nicht nur dort : 

– Inhalte sind zu  Labels ( „Öko“) und feel-good verkommen;

–  Auf jeden Fall sind Erfolge wichtig  – ein Abbild der Großen Politik. Von „Diktatur“  darf man hier wie dort nicht sprechen; die trifft höchstens Todessüchtige.

– Die Schülerzeitung wird in einem Atemzug mit dem „Jahrbuch“ genannt – von Schülern!

– Das Essen ist immer noch egal

– aber „der Teppich“ nicht , denn dessen Innenleben beflügelt die Bedrohungsphantasien!

– Gerade wurde das Heftchen (für soziales Engagement) eingeführt und erhält großen Zulauf,  gerade von Leuten, die mit dem Engagement erst anfangen müßten oder ohnehin nur Aktivitäten anbieten können, die ihnen zwar  wichtig sein mögen, aber mit gutem Recht auch wieder vergessen werden. Unsere wahren Spitzenkräfte haben  bisher keine Hefte gebraucht. Für uns Lehrer wird damit das Leben vielleicht leichter. Die uns auf diesen Leim gehen, sollten sich was schämen. Und solange auch diese Generation nicht an den Schaltstellen sitzt, werden diese (eigentlich selbstverständlichen ) Verdienste nur begrenzt Eindruck schinden.

– Die zutrauliche Rede von „Sponsoren“  treibt mir die Tränen in  die Augen und  die Wut in den Bauch. „Der gute Onkel“  feiert Auferstehung.

Die Protestler kopieren  ästhetische „Widerstands“-Oldies und haften an gestrigen Zielen wie STEL (ein waldschädliches und Wildwechsel unterbrechendes Stück Umgehungsstraße) oder an austauschbaren Personen: Nellie, eine liebe Provokateurin, hat die Wahl verloren! Scharfsinn ist so wenig ihre Sache wie unsere vor fünfzig Jahren oder im “Club der toten Dichter“; wenn ich bedenke, wozu „Antifa“ alles die Dekoration hergeben muß!

– Auf dem neuen sauberen Teppich dürfte auch ein bißchen Werbung stehen; dazu spielt das Schulradio auf. Die Wände wären übrigens noch frei zur Kommerzialisierung! Würdelosigkeit und Umweltverschmutzung reichen sich die Hände! Ist das die Alternative?

 

LICHTBLICKE:

Unsere Reisenden und Genies: Alice‘s Tunesien, Shu-fams Taiwan, Christians Marokko… Ivans Gedichte, Toby‘s Aufenthalte im Freien, die PC-Freaks,   wer noch alles ?

Auch die SV-COUCH ein Lichtblick

Wir brauchen die ZEITUNG , ich brauche sie, das Forum, die Agora, die mit der Pünktlichkeit der alten Bundesbahn im Bahnhof ankommt und vor den Augen des  erschreckten Publikums – entgleist.

 

P.S. 9.9.99  

Am Tag der ‚Schnapszahl‘  erscheint ein passender „Flyer“  mit der anrührenden Klage am Beginn: „Wir haben keinen Direktor“  und  einem die Sprache verschlagenden Schluß! „MACHT KAPUTT, WAS EUCH KAPUTT MACHT“. Und ich hatte immer gedacht, die „Direktoren“ gehörten voll dazu!  In der Mitte steht  –  ohne jede Hervorhebung – eine Frage, tief wie ein Kraterloch :„Wer braucht eine solche Schule?“ Dem in die Schulen der Republik strömenden  Volk wird sie offen entgegengeschleudert, natürlich anonym! Und ich habe gedacht, meine Schüler hätten nicht aufgepaßt beim Thema „Bolschewiken unter der Alleinherrschaft der Zaren“; aber sie haben  von denen gelernt, daß die Drahtzieher im eigenen Interesse Andere zur Offenheit aufzufordern pflegen: “Sagt“, „schreibt“, „verwandelt!“

Das Blatt erscheint mir als Alarmruf ausgegrenzter Leute und sollte uns deshalb nachdenklich machen. Es ist noch desorientierter als gehabt und versucht durch pauschale Denunziation Wirkungen zu erzielen. Diese Wahllosigkeit in den Mitteln ist übel, darüber sollte Schule aufklären, auch wenn das schwer ist in Zeiten der  organisierten Schamlosigkeit. Ich würde gern in einer AKS-Zeitung mit  interessierten Schülern der Oberstufe die Erfahrung machen, wo konkret die Grenze verläuft zwischen einerseits klarer Positionsbestimmung, harter Kritik und der Wahrung berechtigter Interessen und polemischem Gift andererseits. Manches Gift entsteht aber auch durch unzulänglichen Stoffwechsel.  Lüften wir die AKS zu ihrem Besten!

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