An einen Referendar

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o4,02.26.       Idee zu einer Abschiedsrede auf einen erfolgreichen Referendar

Lieber G., zu deinem Abschied von der AKS eine frühe Fassung meiner Abschiedsrede.

Ich habe dich vor einiger Zeit vom Hauptgebäude zur Turnhalle streben sehen, engagiert im Eilschritt, beladen mit dem Aktivlautsprecher, offensichtlich etwas spät dran. Du liefst gedankenvoll unter dem Fluchtbalkon entlang, auf dem ich die magische Mittagszigarette rauchte. Und ich dachte: Er ist ein ernsthafter Pädagoge, gehört bloß einer anderen Generation an.

Das Geschenk deiner Ethik-Arbeitsblätter fand ich rührend. Du schienst mir meinen aggressiven Vorstoß im vergangenen Winter vergeben und vergessen zu haben. Aber für mich hast du im Ethik-Kurs 11 eben alles falsch gemacht. Dein Kardinalfehler war die Hektik: Zwei, drei Autoren gleich Welten pro Sitzung.

Der Verstand muss durch Emotionen klüger werden. Wir können dazu beitragen. Ich habe dich meine Versuche unverstellt sehen lassen. Man könnte das verbessern, ich bin ja nur Pionier und pädagogisch Autodidakt wie fast alle meiner Generation. Und da du schon alle Vorgaben zu Jahresthemen erfüllt lassen, habe ich jetzt so viel Zeit, dass Schüler eine simples Modell einer komplexen, sehr komplexen Realität – des Hinduismus – aufnehmen, formulieren und aushalten. Ethik ist keine Rhetorik-Ausbildung zur Verteidigung unreflektierter Interessen.

Ich weiß: Wir brauchen einander nicht; ich denke, dass ich dich bloß störe, und bitte dich dennoch, den Schrieb wenigstens aufzuheben, wenn du ihn weglegst. Gib ihm eine Chance in späteren Jahren, wenn du mit mir jetzt schon nicht sprichst. Ich habe mich in den letzten Jahren an der AKS einsam gefühlt, ungeachtet des ordentlichen menschlichen Umgangs. Ich kann nicht klagen.

Ein fröhlicher Ausgang in die pensionistische Freiheit wäre dir und mir sicher angenehm, aber eigentlich verlasse ich meinen verantwortlichen Platz ungern. Lebensplanung nennt man das, oder Alterssicherung. Der Philosoph, der das Schulamt in Friedberg dank meiner inkompetenten Vermittlung nervös machte, Vilem Flusser, sagte das alles schon  vor nicht gar zu langer Zeit, aber doch etwa 1990: Wir dienen dem Apparat, so oder so, und irgendwann schmeißt er uns raus, wirft er uns ab. Wir schaffen ihn nicht; wo wir Schwachstellen nützen, analysiert und repariert er diese. (Vielleicht bist du gerade dabei.)

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