KULTUR STAAT MINISTER(IN) SUBVENTIONSKULTUR

|

In einem PortrĂ€t der Kulturstaatsministerin  – „Macht und maximale Verflechtung“ in der SZ vom 26. Oktober 2018 – hat Jörg HĂ€ntzschel das fein gesponnene Netz der Hardcore-Politikerin Monika GrĂŒtters skizziert. Wie gut, dass ich keine Staatsknete brauche.

Ein Treffen wird ĂŒber Signal verabredet, die Messenger-App, auf die Edward Snowden schwört. Andere Anrufe kommen von anonymen Telefonnummern. Trifft man die Informanten im Restaurant, wird erst mal der Raum gescannt. Da lĂ€rmt eine Reisegruppe, an den anderen Tischen unbekannte Gesichter: gut. Zu den Bedingungen: keine Zitate, das GesprĂ€ch hat nie stattgefunden. Und immer wieder heißt es, das ist off the record, das haben Sie nicht von mir, das dĂŒrfen Sie nicht schreiben. Wenn sich die TĂŒr öffnet, schreckt der Blick hoch. Ist das nicht etwas ĂŒbertrieben? Wir sind in Berlin. Es geht nicht um WaffengeschĂ€fte, sondern um schöne Dinge, um Kunst, Musik, Theater. Doch es geht eben auch um viel Geld, um 1,8 Milliarden Euro, die dieses Jahr verteilt werden, und um die Frau, die das Geld verteilt: Monika GrĂŒtters, seit 2013 Staatsministerin fĂŒr Kultur und Medien (BKM) Intendanten, Museumschefs, Direktorinnen, die man zu ihr befragt, fĂŒrchten nichts so sehr wie ihren Zorn. Sie wollen dieses Geld auch in Zukunft haben.

In Berlin umfasst (das Netz) außer den Theatern und Opern praktisch alles. Das BKM finanziert nicht nur die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit ihren 17 Museen, mit Bibliotheken und Archiven. Sondern auch das JĂŒdische Museum, die Akademie der KĂŒnste, das Deutsche Historische Museum (DHM), die Deutsche Kinemathek, den Gropius-Bau, die Berlinale, das Haus der Kulturen der Welt, die Berliner Festspiele und alle GedenkstĂ€tten.

Auch jenseits von Berlin ist das BKM aktiv. Es finanziert das Literaturarchiv in Marbach, die Deutsche Nationalbibliothek und die Bundeskunsthalle in Bonn, es fördert die Stiftung Weimarer Klassik, das Bauhaus, die Bayreuther Festspiele und die Ruhrtriennale. Monika GrĂŒtters untersteht die deutsche Filmförderung, die Villa Massimo in Rom und das Deutsche Studienzentrum in Venedig. Sie verleiht die Filmpreise, aber auch Preise fĂŒr Schriftsteller, Übersetzer, Theater, Kinos, Filmverleiher. Mit dem fĂŒnften von ihr neu ausgelobten Preis will sie Verlage auszeichnen. (…)
Doch sie begnĂŒgt sich nicht mit den „Zuwendungen“. Sie oder ihre Beamten sitzen selbst in den Aufsichtsgremien der Institutionen. (….)  Doch der Einfluss von GrĂŒtters beschrĂ€nkt sich nicht auf ihre eigenen HĂ€user. Sie sitzt in zwei Dutzend Gremien und ist Schirmherrin etlicher Kulturinitiativen. Ihre Beamten sitzen in 110 weiteren Kulturorganisationen. Zu denen gehören das Deutschlandradio und das MĂŒnchner NS-Doku-Zentrum, das Bauhaus-Archiv und die Thomas-Mann-Villa in L.A., der Deutsche Musikrat und die DFB-Kulturstiftung. Und da GrĂŒtters‘ Untergebene ihrerseits in weiteren Gremien sitzen – wie die Leiterin der Bundeskulturstiftung, Hortensia Völckers, bei der Documenta – pflanzt sich ihr Einfluss fort. Ziel ist maximale Verflechtung. „Das System ist eine Spinne“, heißt es aus BKM-Kreisen.

So lassen sich Fassaden perfektionieren, aber auch gerĂ€uschlos eine politische ‚Schere im Kopf‘ (Selbst/Zensur/Propaganda) in Gang setzen, wie sie seit einigen Jahren verstĂ€rkt im deutschen Kulturbetrieb und in seinem Reflex: den öffentlich-rechtlichen Mediensichtbar ist.

Der Linguist und bekennende Intellektuelle (1967) Noam Chomsky hat in seinem medienkritischen Hauptwerk „Manufacturing Consent“ (1992, LINK) vor allem die kulturbeflissene und ‚politisierte‘ Minderheit („20%“) gewarnt, die sich in ihrer ‚KritikfĂ€higkeit‘ allzu sicher fĂŒhlt, obwohl sie Zielscheibe medienstrategischer Manipulation ist. Das ‚Volk‘ bedroht und beschimpft man doch bloß, wenn es ‚falsch‘ wĂ€hlt oder sonst ‚unartig‘ ist. Ein Blog von 2018 (LINK) zitiert das Interview, worin der BBC-Journalist Andrew Marr fragt: „Wie können Sie wissen, dass ich mich selbst zensiere?“ Chomsky: “ Ich sage nicht, dass Sie sich selbst zensieren. Ich bin sicher, Sie glauben alles, was Sie sagen. Aber ich sage, wenn sie etwas anderes glaubten, wĂŒrden Sie nicht dort sitzen, wo Sie sitzen.“

Zu GrĂŒtters Spinnennetz  noch eine banale, aber selbst erlebte Anekdote zum Schluss:

Vor etwa einem Jahr regte mich eine salbungsvolle Suada der GrĂŒtters ausgerechnet als ‚Gast‘ des Feuilleton der FAZ genug auf, um einen Leserbrief zu verfassen, der – um die Kritik an der Redaktion gekĂŒrzt und mit schmissigem Titel versehen – sogar gedruckt wurde. Dann erhielt ich die zustimmende Email eines jungen xxxxpolitikers der XDX von der brandenburgischen xxxxxxxxxx. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, aber mir ist heute klar: er war gerade noch weit genug weg!

(Selbstzensur, nur damit die relevanten Informationen  nicht unsichtbar werden. 20.5.2020)

Ein Gedanke zu „KULTUR STAAT MINISTER(IN) SUBVENTIONSKULTUR

  1. Paul Pfeffer

    “Wie können Sie wissen, dass ich mich selbst zensiere?”, fragt der Jornalist Andrew Marr. Chomsky: ” Ich sage nicht, dass Sie sich selbst zensieren. Ich bin sicher, Sie glauben alles, was Sie sagen. Aber ich sage, wenn sie etwas anderes glaubten, wĂŒrden Sie nicht dort sitzen, wo Sie sitzen.”
    Eleganter und direkter kann man die Situation vieler Großjournalisten in den Leitmedien nicht charakterisieren. Sie merken gar nicht mehr, dass sie in einer Blase sitzen und halten das, was sie denken, fĂŒr das Wahre, manchmal sogar fĂŒr das einzig Wahre.

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert