Was heißt “LUBA” zu sein – P. Petit vs. F. Neyt

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Bei meinen Recherchen zu einem erworbenen Miniaturhocker “Karyatide” ( Blogbeitrag „Frauen in tragender Stellung“ LINK) hatte die Suche nach ethnischen oder regionalen Merkmalen zunächst erste Priorität. Dann erst fesselten mich die unterschiedlichen Hock-Stellungen der Hocker-Trägerinnen.

 

Eine Autorität : Francois Neyt

Wie oft wird in der Literatur der Begriff „lubaisiert“ auf deren Nachbarn angewendet, was häufig so etwas wie die Herrschaft des königlichen „Luba“-Stils im gesamten Einflussbereich des alten Luba-Königreichs signalisiert, ohne eigens thematisiert zu werden.

Die Vergleichsobjekte auf der Blog-Seite zeigen jedoch eindeutig Wechselwirkungen, also Einflüsse auf das alte Reichszentrum wie aus dem Zentrum heraus, so wie es überall in Afrika normal erscheint.

François Neyt, ein bekannter Kunsthistoriker, der noch im Belgischen Kongo geboren und aufgewachsen ist, schlägt den Kunstkreisen in Belgien und Frankreich eine Theorie vor, die sie bei ihrer spezifischen Hochachtung für „die Luba” erwarten. Noch heute vertritt er die Auffassung, dass die Erweiterung des Königreichs mit einer Verbreitung des königlichen Hofstils einherging.

November 1993 veröffentlichte er einen Luxusband “Luba / from the sources of Zaire” in der Edition des Pariser Privatmuseums Dapper.

Angesichts seiner üppigen Präsentation und Verbreitung könnte Luba leicht für wichtiges Nachschlagewerk gehalten werden. Leider entspricht es jedoch nicht den methodischen Standards der kunsthistorischen Forschung …. ” (Übersetzung Gv)

Dies ist das eindeutige Ergebnis einer wissenschaftlichen Analyse vor Ort in „African Arts“ Herbst-Nummer 1996 (S. 87-89, 96). Wie Sie wissen, handelt es sich dabei um eine von Experten ‚peer-reviewed’ Fachzeitschrift des James S. Coleman Center for African Studies an der University of California in Los Angeles (UCLA).

Neyt hat die in der Rezension angebotene Debatte nicht angenommen.Es scheint mir, dass er das Problem für sich und seine Anhänger durch Aussitzen gelöst hat. – Offensichtlich ein typischer Fall für den üblichen wissenschaftlichen “Paradigmenwechsel” (Thomas S. Kuhn, 1962)

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Eine Studie in “ANTHROPOS” Nr. 100.2005 (S. 17-33) gibt uns Antworten auf die zu Beginn gestellten Fragen.

Petit, Pierre : « Art et Histoire des Luba méridionaux Partie – Ethnicité, histoire politique et atéliers sur les frontière sud du royaume »

Pierre Petit formuliert historisch-soziologisch einen “Stammesbegriff”, der die Komplexität und Dynamik der “Stammes”-Realität berücksichtigt, vor der François Neyt mit seiner ausschließlich stilistischen Sichtweise gescheitert ist.

Und die Bilanz: Der Begriff “Luba” wurde immer pragmatisch und weit gefasst.

S.17 / 18 – ich fasse zusammen:
Derjenige, der historische Forschungen zur afrikanischen Kunst durchgeführt hat, kennt die extreme Seltenheit von Quellen, die es erlauben, die Werke einer früheren Ära in einen neuen Kontext zu setzen.

Ohne die reichen Notizen des Sammlers Peeraer hätte Frans Albrechts dem (heute berühmten) “Meister (von Buli)” 1940 keine Serie homogener Werke zuordnen können. Er identifizierte einen “Buli-Stil”, einen Ort im Nordosten des Lubagebiets.
Dank der Forschung von Peeraer wurden ähnliche Ergebnisse im Südwesten der Luba-Region mit Objekten aus Dörfern rund um die Lwabo-Mission erzielt. Als Gruppe von Bewohnern der Region benannte ud definierte  er unter anderem die “Shyankadi”.

Menschliche Gesellschaften konstruieren und rekonstruieren während ihrer historischen Interaktionen Identitätsgrenzen zueinander. Diese können als ethnisch bezeichnet werden, wenn die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern sich subjektiv auf Kriterien wie Herkunft oder Kultur bezieht. Die Entstehung des Kolonialstaates hat sicherlich vorkoloniale Konzepte wie “Luba” verändert, aber die Konzepte ändern sich immer noch.

Der Name Luba wird seit dem 18. Jahrhundert für einen großen Teil der Bevölkerung der nördlichen Provinz Katanga verwendet, die Kiluba als Verkehrssprache innerhalb des Luba-Reiches teilte und bis zum 19. Jahrhundert expandierte .
Als Privileg verstanden, war konnte die Eigenschaft „Luba“ nur mit dem institutionellen oder geografischen Zentrum des Reiches verbunden sein, sei es mit königlichen Würdenträgern oder Bewohnern der großen Reichsstädte südlich von Kabongo.

Die Verbreitung dieses populären Namens ist sowohl auf die Ausweitung des Königreichs als auch auf sein ideologisches Ansehen zurückzuführen, wovon es bis heute im kollektiven Gedächtnis so viel genießt, dass Gruppen aus dem Maniema oder sogar aus Zambia gelegentlich den Titel “Luba” einfordern, so wie man den Titel “Römer” während des europäischen Mittelalters im gesamten Gebiet des ehemaligen Römischen Reichs und darüber hinaus beanspruchen konnte.

Vergessen wir auch nicht, dass die Kolonialbehörden den Trend befürworteten, ohne unbedingt die lokalen Identitäten zu kennen.

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Und das Ergebnis für die Siedlungskarten?

Wenn Sie die üblichen “Stammeskarten” durchsehen, werden Sie mehr oder weniger unterschiedliche, aber inkompatible Abgrenzungslinien finden. Die “ethnischen Gruppen” einer Karte fehlen in der anderen. Dafür erscheinen neue Namen. Der Überblick eines Künstlerforschers, Charles Meur, in KILENGI (1997, S.359) bietet eine pragmatische Lösung für “Luba”: Er gibt ethnische Grenzziehungen vollständig auf.

 

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KILENGI Meur1997 S.359 Karte ‘Luba’

Email am 25.7. von P.Petit – mit Hinweis auf einen sehr interessanten und gut lesbaren Artikel von 2015, leider in Französisch:

Good morning, Detlev

Thanks for sharing your paper with me. It is fine for me. I had another, more recent paper on the topic: https://www.academia.edu/34116201/Petit_P._2015_Avant-propos_l_ethnicité_au_Katanga — maybe this can be helpful for you !      Best Regards   Pierre

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