Das umgebaute Historische Museum Frankfurt in post-faschistischem-proto-chinesischem Deutschland-Stil toppt noch die Altstadtüberbauung vor dem Dom – ihrerseits finsteres Mittelalter, mit den Mitteln deutscher Baumärkte ins Werk gesetzt.
Rückblick:
Der Bau von 1972 funktionierte gut, war sauber und hell und nach eigenem Eindruck bis zuletzt eine angemessene museale Spielstätte, vielleicht etwas verschlafen, aber das war ja der politische Wille, nachdem das Museum gleich nach der Neueröffnung mit großem Elan die längst überfällige historische Aufklärung unternahm. Ich hatte bis 1964 die höhere Schule in Frankfurt besucht und kann es bezeugen: Bis zur damaligen Neueröffnung des Historischen Museums hatten in Frankfurt weder der Erste Weltkrieg, noch die Weimarer Republik und erst recht nicht das Dritte Reich stattgefunden. Das alles muss anderswo geschehen sein. Unerklärlicherweise war Frankfurt massiv zerstört. Eine hysterische Frankfurter CDU ebenso wie die FAZ (pfui!) heulten nach der Eröffnung sofort auf und erzwangen den Rückwärtsgang, aber doch nicht völlig. Es gab in der Folge noch genug zu entdecken.
Der alte Neubau respektierte den historischen Baukörper an der Mainfront, hatte ein Café mit Tageslicht und Blick auf den Römerberg, das lag nicht im Keller. Die künstlerisch bescheidenen Sandsteinfiguren hatten ihren Saal für sich. Jetzt stehen sie in ihrer ganzen Ärmlichkeit exponiert im Freien und signalisieren: ‚Frankfurt‘ hat nichts Besseres.
Zwischen Altbau, Café und Neubau gab es einen ganz normalen Hof mit einem breiten Tor. Im Sommer fanden dort über Jahre sonntags um elf Uhr Jazzkonzerte statt, zu denen jedermann freien Zutritt hatte. Am Abend wurde das Konzert dann vor zahlenden Gästen irgendwo in der Stadt wiederholt. ‚Jazzkeller‘?
Heute:
Die städtische Obrigkeit und ihre an Monitoren erblindeten Hausarchitekten huldigen seit langem einem architektonischen Programm des Überbauens. Auf engstem Raum soll ‚alles‘ geboten werden: Außen klein, innen groß. Geld spielt dafür keine Rolle.
Man hat zwischen Römerberg und Main ein Labyrinth erschaffen aus Foyers, Gängen, Treppenhäusern, Fahrstühlen, billigen Einbauten und Zwischenwänden, Monitoren, säuselnden Lautsprechern und Handpappen – „bitte zurücklegen!“ – in dem sich nur noch ein Blinder mit seinem Audioguide und Verkehrsschildern in aufgeklebter Blindenschrift zurechtfindet.
Wie schlicht war früher die Ordnung der ständigen Ausstellung, mit durchschnittlichen Schulwissen zu bewältigen! Sie ist unwiederbringlich verloren ebenso wie die freie Sicht auf den Dom – bis zu den nächsten Baugruben oder Bombentrichtern – aus Richtung Römer, Kunstverein und Schirn! Jedes Jahr am Heiligabend genossen immer mehr Bürger und Zugereiste das „Stadtgeläut“ mit der mächtigen Gloriosa. Es wurde immer voller und festlicher. Vorbei. Sowieso vorbei?
Und dann denke ich: Die Stadt hat doch das Stadt-Museum, das sie verdient. Geschichte ist in Frankfurt – mindestens seit dem Krieg – eine mediale, künstlich erzeugte zweite Realität. Und die ist im neuen Museumsbau zwischen Schneekugel im Keller und Müll-Modell der Stadt (im Stadtlabor im großzügigen Dachgeschoss!) angemessen repräsentiert.
Geschichtliche Spuren wurden in der Nachkriegszeit zugeschüttet, überbaut, verblendet, abgerissen, schließlich sogar ausgegraben oder als denkmalgeschützte Fassade benutzt. Noch in den sechziger Jahren wollte man die hässlich mahnende Opernruine sprengen. Das 1958/60 errichtete Zürich-Haus nebenan – einer der wenigen neuen präsentablen Bauten Frankfurts – wurde 2002 abgerissen für einen inzwischen eigentlich auch schon ‚historischen‘ Nachfolger. Die markante Großmarkthalle, deren Rolle im Holocaust man der Schuljugend der fünfziger und sechziger Jahre verschwiegen hatte, wurde nach 2010 zu einem dekorativen Anhängsel der EZB. Ist jetzt die Architektur der siebziger Jahre dran, etwa unter dem Vorwand der Asbestverseuchung? Wenn man heute einen im 18. Jahrhundert begangenen Krönungsweg wiederherstellt, verwechselt man den nicht mit der legendären Drosselgasse in Rüdesheim, dem Krönungsweg der Weinkönigin?
Schließlich verlassen wir – es ist Samstagabend – den Museumsbau über den Römerberg in Richtung Hauptwache, bemerken verschiedentlich den verbauten Sondermüll von morgen und verschwinden in den bunten Menschenmassen, für die das Museums-Labor uns zu erwärmen versucht hat, machen einen großen Bogen um den unheimlichen Tiroler mit drei riesigen Hunden am Ticket-Automaten. Ist schon wieder Weihnachten, zumal es gerade nebelt?
Ich denke an die ‚historischen‘ Objekte im Museum in ihren gepanzerten Glassärgen , vereinzelt und in schwacher künstlicher Beleuchtung. Im Altbau des Hauses werden ein paar Sammler und ihre Sammlungen ausgestellt, solche aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Mit frischem Glanz überzogen, beengt und ohne das lebendige Ambiente der Wohnräume der Villa Metzler (MAK-Frankfurt) auf dem anderen Mainufer, haben sie alles Stadtaristokratische und Großbürgerliche verloren.