Flusser Transhumanist ?

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Flusser musste je lĂ€nger desto mehr Kunst, sofern sie nicht den Umbau des Menschen betreibt, fĂŒr lĂ€cherliche Gadgets halten. Marcel Marburger verwischt in seiner Dissertation den Punkt des No-Return, indem er sich als Interpret geschmeidig ĂŒber der Demarkationslinie hin- und herbewegt.

Flusser spielte Transhumanismus. Der ist keine bloß dekorative Erweiterung seiner Metaphorik. Er formulierte ja immer hintergrĂŒndig.  

Wenn er in „HĂ€user bauen“ (1989, Basler Zeitung) dem Leser mit dem Ausdruck des Bedauerns einredete, er mĂŒsse aus den durchlöcherten Ruinen ausziehen, um Knoten im digitalen Netzwerk zu werden, sprach er ihm anderswo als Individuum bereits den Kern ab – so im Interview auf http://www.youtube.com/watch?v=mRjiODdrJIM – Dort destruiert er das Individuum, denkt er es – entsprechend den Fortschritten der Physik, Psychologie, und Informatik – bereits als Produzenten von Dezidemen  und Aktomen und EmpfĂ€nger punktueller Reize, betrachtet es als einen Sand, von dem man gar nicht mehr sagen könne, ob er subjektiv oder objektiv sei, einen Sand, den aber der Mensch (??) – darin bestehe seine WĂŒrde – absichtlich und kreativ zu alternativen Objekten oder Subjekten computieren könne. VerrĂ€t er damit theoretisch das freie Individuum?  Etwa zeitgemĂ€ĂŸ nur zur HĂ€lfte? Nach seiner Dialektik soll die SubjektivitĂ€t in diesen operativen Untereinheiten bloß grundsĂ€tzlich nicht eindeutig nachweisbar sein.

ZurĂŒck zu „HĂ€user bauen“: Die Opfer der strategisch betriebenen VerwĂŒstung des Globus – und zwar ihre eher komfortabel situierten Opfer – sollen sich im Medium „Basler Zeitung“ – Feuilleton –

– als neue Nomaden verstehen. Ob Flusser gewusst hat, dass Nomaden im deutschsprachigen Kulturraum eine fast kindliche Sympathie genießen? Wir lesen heute immer wieder von einer gigantischen Zahl von FlĂŒchtlingen, ob in die Megacities oder ins System der von den NGOs verwalteten FlĂŒchtlingslager. – Darunter sind genĂŒgend vertriebene Nomaden. Flusser richtet zur Unzeit seine Aufmerksamkeit von ihnen weg auf diverse Avantgarden im Reich der Neuen Technologien, denen er eine neue seltene Form von Nomadismus bescheinigt (in youtube).

Hat ihn sein Freund Bollmann in dem herzigen SammelbĂ€ndchen „Von der Freiheit des Migranten“ (1993) humanistisch geschminkt oder war Flusser ein VerkleidungskĂŒnstler? Drei der vier einschlĂ€gigen Artikel sind immerhin Ende der achtziger Jahre publiziert worden, in Publikumszeitschriften.

Die fĂŒr mich plausibelste Sicht: Flusser war zu diesem Zeitpunkt innerlich zerrissen, wie sich auch im Interview mit Tschudin 1991 zeigt. Diese Ă€ußerste Spannung zeigte sich ja ebenso in den öffentlichen Auftritten, selbst in seinen pseudowissenschaftlichen Videoauftritten. Da bot er seine Lehre so verkĂŒrzt an, dass er auf mich wie ein TeleverkĂ€ufer von BausĂ€tzen wirkt. Im gestellten You-Tube-Interview wies er wenigstens an einer Stelle auf die Notwendigkeit hin, etwas mit seinen Studenten eingehender zu analysieren.

Vielleicht sind die letzten zehn Lebensjahre trotz des Archivs in Berlin der unbekannte Abschnitt seines Lebens, wenn es ĂŒberhaupt darauf ankommt.

Es sieht fĂŒr mich so aus, als wĂŒrde sein Werk letztlich die Beute der Transhumanisten, die ja in der heutigen intellektuellen Welt immerhin noch auf Traditionsbildung angewiesen sind.

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